Geltende Erlasse (SMBl. NRW.) mit Stand vom 15.5.2024
Grundsätze für die Prüfung der Verfassungstreue von Bewerbern für den öffentlichen Dienst aus dem Beitrittsgebiet RdErl. d. Innenministeriums v. 28. 10. 1991 - II A 1 -1.20.01-0/91
Grundsätze für die Prüfung der Verfassungstreue von Bewerbern für den öffentlichen Dienst aus dem Beitrittsgebiet RdErl. d. Innenministeriums v. 28. 10. 1991 - II A 1 -1.20.01-0/91
Grundsätze
für die Prüfung der Verfassungstreue
von Bewerbern für den öffentlichen Dienst
aus dem Beitrittsgebiet
RdErl. d. Innenministeriums v. 28. 10. 1991
- II A 1 -1.20.01-0/91
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Für Bewerber, die seit dem 1.1.1989 das Beitrittsgebiet verlassen haben
oder zum Zweck der Dienstaufnahme in Nordrhein-Westfalen verlassen werden,
gelten neben den Grundsätzen für die Prüfung der Verfassungstreue von Bewerbern
für den öffentlichen Dienst, RdErl. v. 28. 1. 1980 (SMB1. NW. 203020),
ergänzend die nachfolgenden Vorschriften.
Tatbestände, die Zweifel an der Verfassungstreue begründen können, liegen
insbesondere vor, wenn die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung
nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages (Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A
Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5) gegeben sind. Danach liegt ein wichtiger Grund für
eine außerordentliche Kündigung insbesondere dann vor, wenn der Arbeitnehmer
- gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat, insbesondere die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. 12. 1966 gewährleisteten Menschenrechte oder die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. 12. 1948 enthaltenen Grundsätze verletzt hat
oder
- für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit
tätig war und deshalb ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint.
Ein Tatbestand, der Zweifel an der Verfassungstreue begründen kann, liegt
ferner vor, wenn der Bewerber sich im staatlich-politischen System der DDR vor
dem 9. 11. 1989 exponiert hat durch herausgehobene Funktionen, z. B. in
SED/Blockparteien, Massenorganisationen/gesellschaftlichen Organisationen oder
durch sonstige herausgehobene Funktionen.
Im Einstellungsverfahren sind daher Feststellungen zu folgenden Fragen
aktenkundig zu machen:
- Waren Sie Mitarbeiter des
Ministeriums für Staatssicherheit oder beim Amt für Nationale Sicherheit oder
in sonstiger Weise für das MfS oder AfNS tätig? Wenn ja, welcher Art war diese
Tätigkeit (auch nebenamtlich) und von welcher Dauer war sie?
- Haben Sie vor dem 9.11.1989 eine Funktion in SED/ Blockparteien, in
Massenorganisationen/gesellschaftlichen Organisationen oder sonst eine Funktion
im staatlich-politischen System der DDR innegehabt? Wenn ja, welcher Art war
diese Funktion und von welcher Dauer?
Ferner ist die Vorlage des Ausweises „für Arbeit- und Sozialversicherung", der Aufschluss über den beruflichen Werdegang des Bewerbers gibt, zu verlangen. Ausreichend ist eine amtlich beglaubigte Ablichtung ohne die Teile, die Krankheiten, Kuren, Behandlungen usw. betreffen. Sie ist zu den Einstellungsunterlagen zu nehmen.
Belastungen, die sich aus der Beantwortung der unter Ziffer 3 aufgeführten
Fragen oder aus anderweitig bekannt gewordenen Tatbeständen ergeben, führen
nicht ohne weiteres zur Feststellung mangelnder Verfassungstreue und damit
fehlender persönlicher Eignung, sondern es bedarf der konkreten
Einzelfallprüfung unter Würdigung der Verhältnisse in der DDR.
Frühere Funktionen im System der DDR sind zu gewichten nach
- Höhe der Funktion,
- Zahl der Funktionen,
- Haupt- oder Nebenamtlichkeit der Funktion.
Ein Schema über den Aufbau der SED sowie eine Übersicht über Massenorganisationen/gesellschaftliche
Organisationen in der DDR (Anlagen 1 und 2) sind beigefügt.
Der Bewerber hat ferner eine Erklärung über seine Verfassungstreue (Anlage
3) abzugeben. Verweigert ein Bewerber die Beantwortung der unter Ziffer 3
aufgeführten Fragen oder die Abgabe der Erklärung, so kann eine Einstellung
nicht erfolgen, da die erforderliche Grundlage für eine Überzeugung von der
künftigen Verfassungstreue nicht gewonnen werden kann.
Haben sich im
Einstellungsverfahren tatsächliche Anhaltspunkte für eine Tätigkeit für das
ehemalige Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit ergeben
oder erscheint im Hinblick auf die Bedeutung der Funktion, mit der der Bewerber
betraut werden soll, die Feststellung einer eventuellen Tätigkeit für das MfS/AfNS
unerlässlich, so ist eine Anfrage nach dem Musterformular (Anlage 4) an
den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Bundesbeauftragter)
durchzuführen. Derartige Anfragen kommen nur in Betracht, wenn eine Einstellung
tatsächlich beabsichtigt und die Verfassungstreue die letzte noch zu prüfende
Eignungsvoraussetzung ist. Eine Anfrage unterbleibt, wenn der Bewerber nach dem
11. Januar 1972 geboren ist.
Die Anfrage beim Bundesbeauftragten bedarf nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 bzw. § 21
Abs. 1 Nr. 7 des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz - StUG)
vom 20. 12. 1991 (BGB1. I S. 2272), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.
6.1999 (BGB1.I S. 1334,1336), der Einwilligung des Bewerbers; wird diese
verweigert, kann eine Einstellung nicht erfolgen, da die erforderliche
Grundlage für eine Überzeugung vonder künftigen Verfassungstreue nicht gewonnen
werden kann.
Die Anfrage ist von der zuständigen Stelle an den Bundesbeauftragten zu
richten. Zuständige Stellen für die Einstellung von Personen in den
öffentlichen Dienst sind die personalführenden Stellen in den zuständigen
obersten Landesbehörden oder die von ihnen beauftragten Stellen, bei anderen
juristischen Personen des öffentlichen Rechts die jeweiligen gesetzlichen
Vertreter. Die obersten Landesbehörden bestimmen durch ergänzenden Runderlass
jeweils für ihren Geschäftsbereich, welche Behörden zur Durchführung der
Anfrage beim Bundesbeauftragten befugt sind.
Im Einzelnen ist zu dem Musterformular folgendes anzumerken:
- Anfragen dürfen nur im Einzelfall erfolgen. Von einer listenmäßigen Anfrage sollte aus Datenschutzgründen kein Gebrauch gemacht werden. Bei Wohnungswechsel der zu überprüfenden Person innerhalb der letzten 10 Jahre empfiehlt sich die Angabe der einzelnen Wohnsitze, soweit der Wohnungswechsel nach dem 18. Lebensjahr erfolgt ist.
- Im Normalfall wird vom Bundesbeauftragten lediglich Auskunft erteilt (im Anfrageformular ankreuzen). Nur wenn im Einzelfall die Erteilung von Auskünften den berechtigten Anliegen nicht genügt, kann die Gewährung von Einsichtnahme oder die Herausgabe von Unterlagen erfolgen. Die Notwendigkeit ist zu begründen.
- Bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst ist die Eilbedürftigkeit
bereits nach § 19 Abs. 5 Nr. 3 StUG anerkannt. Bestehen sonstige Gründe für die
Eilbedürftigkeit (z.B. anstehendes Gerichtsverfahren, unaufschiebbare
Einstellung zu einem bestimmten Termin o.ä.) sind sie zusätzlich anzugeben.
Hinsichtlich der Mitteilungen des Bundesbeauftragten ist sicherzustellen, dass
die Zweckbindung nach § 29 StUG beachtet wird.
Im übrigen wird auf die Vorschriften des Stasi-Unterlagen-Gesetzes,
insbesondere §§ 19 bis 21, 23, 25 bis 30 und 43 verwiesen (vgl. Anlage 5)
Bei Zweifeln an der Verfassungstreue des Bewerbers hat die Einstellungsbehörde
ferner zu prüfen, ob eine Anfrage bei der Zentralen Erfassungsstelle in
Salzgitter oder der Verfassungsschutzbehörde weitere entscheidungserhebliche
Informationen erwarten lässt. Dabei dürfen Hinweise auf bereits bei der
Einstellungsbehörde vorhandene Erkenntnisse nicht mitgeteilt werden.
Im Falle einer Anfrage bei der Verfassungsschutzbehörde ist die Tatsache zu
berücksichtigen, dass nach § 25 StUG Unterlagen, soweit sie personenbezogene
Informationen über Betroffene oder Dritte enthalten, nicht durch oder für
Nachrichtendienste verwendet werden dürfen. Mitteilungen des Bundesbeauftragten
dürfen daher grundsätzlich nicht an die Verfassungsschutzbehörde weitergeleitet
werden. Allein in den Fällen des § 25 Abs. 1 Satz 2 Nrn. l und 2 StUG dürfen
die entsprechenden Unterlagen dem Verfassungsschutz übergeben werden.
Sofern der Bewerber ausschließlich wegen Zweifeln an der Verfassungstreue
abgelehnt werden soll, ist er vorher anzuhören. Zweifel an der Verfassungstreue
können ausgeräumt werden.
Die Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung von Landesbediensteten bleiben
unberührt.
Den Gemeinden und Gemeindeverbänden wird empfohlen, Nummer l bis 8 entsprechend
anzuwenden.
Anlagen: