Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben durch Erlassbereinigung 2003 (§ 9 VV v. 29.8.61).

 


Historisch: Bauleitplanung Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes RdErl. d. Innenministers v. 20. 11: 1973 — V C 2 — 901.11 ¹)

 

Historisch:

Bauleitplanung Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes RdErl. d. Innenministers v. 20. 11: 1973 — V C 2 — 901.11 ¹)

151. Ergänzung - SMB1: NW. - (Stand 1. 10. 1982 - MB1. NW. Nr. 75 einschl.)

20.11.73(1)


Bauleitplanung Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes

RdErl. d. Innenministers v. 20. 11: 1973 — V C 2 — 901.11 ¹)

Nach § l Abs. 4 und 5 des Bundesbaugesetzes - BBauG -vom 23. Juni 1960 (BGB1. I S. 341), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Juni 1972 (BGB1. I S. 873), haben die Bauleitpläne u.a. den Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes und der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes zu dienen und sich nach den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung, ihrer Sicherheit und Gesundheit, zu denen insbesondere das Erholungsbedürfnis und das ungeschmälerte Naturerlebnis zu rechnen sind, zu richten. Die öffentlichen und privaten Belange sind gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

Die Erhaltung und Gestaltung einer ästhetisch ansprechenden Umwelt gehört zu den wesentlichen öffentlichen Belangen. Eingriffe in die Landschaft durch eine Bebauung sollen daher auf den unabweisbaren Bedarf beschränkt und, soweit dieser besteht, nur unter möglichster Schonung der Landschaft vorgesehen werden. Soweit danach ein Bedarf für Hochhäuser oder massierte Großbauvorhaben anerkannt werden kann, ist bei der Bauleitplanung auf eine besonders schonende Einfügung in die Landschaft und ausgleichende Maßnahmen (z.B. Bodengestaltung, Bepflanzung, bauliche Gestaltung) Bedacht zu nehmen. Dies gilt vor allem für Erholungsgebiete (einschl. der Naherholungsgebiete), da diese gerade wegen ihrer landschaftlichen Reize von der Bevölkerung aufgesucht werden.

Soweit Ferienhausgebiete oder Ferienzentren als Sondergebiete nach § 11 der Baunutzungsverordnung -BauNVO - i.d.F. d. Bek. vom 26. November 1968 (BGB1.1 S. 1237) vorgesehen werden, sind der Bedarf und die Standortwahl unter regionalen Gesichtspunkten zu begründen.

Bei der Aufstellung, Änderung und Ergänzung von Flä-chennutzungs- und Bebauungsplänen in Gemeinden der Ländlichen Zonen nach dem Landesentwicklungsplan I, Bek. d. Ministerpräsidenten v. 17. 12. 1970 (MB1. NW. 1971 S. 200/SMB1. NW. 230) sowie der Genehmigung der Bauleitpläne gemäß §§ 6 und 11 BBauG sind nachfolgende Gesichtspunkte zu beachten; für Gemeinden der Ballungsrandzonen, soweit sie landschaftlich wertvolle, der Erholung dienende Bereiche aufweisen, gelten die Grundsätze entspre. chend:

2.1 Der Zersiedlung und Zerstörung der Landschaft soll entgegengewirkt werden. Auf die bei der Bauleitplanung abzuwägenden Grundsätze der Raumordnung und Lan-• desplanung - insbesondere § 2 Abs. l Nr. 7 ROG sowie den besonderen Planungsgrundsatz IB 2 des Landesent-wicklungsprogramms - wird verwiesen. Die in den Landesentwicklungsplänen und Gebietsentwicklungsplänen festgelegten Ziele der Raumordnung und Landesplanung sind zu beachten (§ l Abs. 3 BBauG). Dabei sind die Gebietsentwicklungspläne, die die konkreteren regionalen Ziele für die Entwicklung des Gebietes der Landesplanungsgemeinschaften und für alle raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in den Planungsgebieten enthalten, von besonderer Bedeutung. Die in Gebietsentwicklungsplänen der Landesplanungsgemeinschaften dargestellten Siedlungsbereiche dürfen jeweils nur so weit als Bauflächen in Flächennut-zungsplänen dargestellt werden, wie dies im Sinne der Vorschrift des J 2 Abs. l BBauG erforderlich ist bzw. den Bedürfnissen der Bevölkerung und einer geordneten räumlichen Entwicklung der Gemeinden entspricht. Es wird insbesondere auch auf entsprechende Aussagen und Hinweise in den Gebietsentwicklungsplänen hingewiesen.

2.2

Grundsätzlich soll sich die Siedluhgsentwicklung inner- OQ11 halb der Siedlungsbereiche harmonisch an die Ortsla- ^**' ' gen anschließen. Splitterbaugebiete und isolierte Bauflächen sind zu vermeiden. Landschaftlich wertvolle Flächen sind auszusparen. In den Ländlichen Zonen, die in ihrer Gesamtheit überwiegend land- und forstwirtschaftlich genutzt werden, aber auch städtische "Verflechtungsgebiete sowie Industrie- und Zentralorte enthalten, soll die Planung insbesondere auf die Entwicklung von Gemeinden mit zentralörtlicher Bedeutung ausgerichtet werden. Zusammenhängende Freiflächen, besonders Vorranggebiete für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft und Erholung, sollen möglichst erhalten werden; für sie sind Maßnahmen zur Sicherung zu treffen.

Eine Besiedlung der Landschaft mindert im allgemeinen deren Erholungswert für die Allgemeinheit. Vor jeder Inanspruchnahme freier Landschaftsteile durch Baugebiete ist sorgfältig zu prüfen, ob ein unabweisbarer Be-- darf vorliegt und eine Planung im Sinne des § 2 Abs. l BBauG erforderlich ist.

Bei der Bauleitplanung für Vorhaben und Siedlungen in der freien Landschaft sind die öffentlichen Belange - vor allem das Freizeit- und Erholungsbedürfnis der Allgemeinheit in einer ungestörten Landschaft - und die Rücksichtnahme auf eine gegebene landschaftlich reizvolle Situation mit den privaten oder öf f entlichen Belangen der Schaffung von Wohnraum gegeneinander und untereinander sorgfältig und gerecht abzuwägen. Wird die Bedeutung wichtiger Belange - z. B. des Erholungswertes eines Landschaftsteiles - verkannt oder steht die Bebauung erkennbar außer Verhältnis zur Minderung des Erholungswertes der Landschaft für die Allgemeinheit, so mangelt es der Bauleitplanung an einer gerechten Abwägung im Sinne des § l Abs. 4 BBauG. Dasselbe gilt, wenn bei möglichen Planungsalternativen nur ein Planungsfall untersucht wurde. Ausschließlich private Interessen an der höheren wirtschaftlichen Ausnutzung von im Außenbereich gelegenen Grundstücken müssen den öffentlichen Interessen der Erhaltung einer gesunden Landschaft, der Erholung und des Naturgenusses untergeordnet werden.

2.3 Das Maß der baulichen Nützung - insbesondere die Zahl der Vollgeschosse - muß in einem angemessenen Verhältnis zu der durch die Ziele der Landesplanung festgelegten Funktion einer Gemeinde, ihrer durch die historische Entwicklung bedingten Eigenart und baulichen Struktur sowie der sie umgebenden Landschaft stehen. Innerhalb dieses Rahmens sollte eine Form der Bebauung vorgesehen werden, die möglichst wenig Grund und Boden beansprucht. Dazu ist es nicht erforderlich, daß stets das nach § 17 BauNVO höchstzulässige Maß der baulichen Nutzung mit der Folge, daß aus wirtschaftlichen Gründen nur eine Hochhausbebauung möglich ist, festgesetzt wird. Vielmehr kann auch bei einer niedergeschossigen Bebauung unter Ausnutzung der z.B. in § 17 Abs. 2 und 9 BauNVO gebotenen Mög- . lichkeiten eine angemessene Verdichtung erzielt werden. Höher verdichtete Baugebiete sollten in der Regel -auch unter Berücksichtigung der im Landesentwicklungsprogramm (vergl. Nr. 2.1 a.a.O.) sowie im Nordrhein-Westfalen-Programm 1975 enthaltenen Grundsätze - möglichst zentral und nicht am Rande der Ortslagen im Übergang zur freien Landschaft geplant werden.

2.4 Die Forderung des § l Abs. 5 BBauG, daß Bauleitpläne auch der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes zu dienen haben, bedeutet, daß die Bebauung sich in der Regel dem Landschaftsbild ein- bzw. unterzuordnen hat und nicht hervorragen oder dominieren darf (vergl. OVG Münster, Urt. v. 2. 6. 1959, DVB1. 1959, 819i BVerwG, Urt. vom 30. 4. 1969 - IV C 63.68, NJW 1970, 346). Eine Bebauung soll in einer typischen Landschaft (z.B. land-oder forstwirtschaftlicher Struktur) nicht wesensfremd

') MBl. NW. 1973 S. 2131.

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empfunden werden. Dies schließt bereits in den meisten Fällen die Planung von Großbauformen in Form von Punkt- und Hochhäusern oder sonstigen größeren Baumassen in reizvoller Landschaft aus.

Zur Vermeidung einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und zur Erhaltung des Landschaftserlebnisses sowie des Erholungswertes sind als Anhalt für die Bauleitplanung in ländlichen Zonen im einzelnen folgende Gesichtspunkte zu beachten:

2.41 Bergkämme, Steilhange und sonstige weithin sichtbare oder exponierte Landschaftsteile sollen nicht bebaut werden.

te-len

2.42 Talsohlen sowie die natürlichen Uberschwemmungsg biete von Gewässern zweiter und dritter Ordnung soll« von einer Bebauung freigehalten werden.

2.43 Uferzonen von stehenden Gewässern sowie von Talsperren und sonstigen Stauseen sind in angemessener Tiefe von Bebauung freizuhalten; die Zugänglichkeit der Uferzone für die Öffentlichkeit ist anzustreben.

2.44 Besonders schöne Ausblicke sollen nicht abgeriegelt bzw. verbaut werden; bei einer notwendigen Bebauung sollen Blickschneisen auf Aussichtsobjekte (z.B. Seen) gesichert werden; die Bebauung sollte in die Tiefe gestaffelt werden.

2.45 Waldränder sind in angemessener Tiefe von Bebauung freizuhalten.

2.46 Die vertretbare Zahl der Vollgeschosse von Gebäuden bzw. ihrer Baumasse, insbesondere bei Inanspruchnahme des Außenbereichs sowie in kleineren Orten oder Ortsteilen, soll jeweils nach kritischer Beurteilung der örtlichen Gegebenheiten (Eingliederung in das Ortsund Landschaftsbild, Anpassung an die vorhandene Bebauung) bemessen werden.

Gebäude über 5 Vollgeschosse Höhe sollen in Gemeinden mit zentralörtlicher Bedeutung nach dem LEP I bis zu 10000 EW nur in städtebaulich besonders zu begründenden Fällen, Gebäude über 8 Vollgeschosse nur unter Anlegung eines strengen Maßstabes, und zwar grundsätzlich innerhalb oder im unmittelbaren Anschluß an die Ortslagen, die die Siedlungsschwerpunkte bilden, geplant werden.

3 Für eine gute Gestaltung des Ortsbildes stellt die Bauleitplanung mit ihren Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten die Grundlage dar. Bei der Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse und der Bauweise im Bebauungsplan ist die Eigenart des Ortsbildes und seiner Maßstäblichkeit zu berücksichtigen. Grobe Maßstabsfehler durch extrem abweichende Bauformen sollten vermieden werden.

Nach § 103 Abs. 3 Satz 4 BauO NW in Verbindung mit § 4 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Bundes-baugesetzes vom 29. November 1960 (GV. NW. S. 433), zuletzt geändert durch Verordnung vom 9. Januar 1973 (GV. NW. S. 98), - SGV. NW. 231 - können Vorschriften

a) über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Durchführung baugestalterischer Absichten (§ 103 Abs. l Nr. l BauO NW)

b) über besondere Anforderungen an bauliche Anlagen zum Schutz bestimmter Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung sowie von Bau- und Naturdenkmälern (§ 103 Abs. l Nr. 2 BauO NW)

in den Bebauungsplan aufgenommen werden. Dabei kann durch die Anordnung der Verwendung ortsspezifischer Baustoffe (z.B. Schiefer, Bruchstein, Holz) sowie die besondere Farbgebung der Gebäude oftmals eine bessere Einfügung größerer Gebäudekomplexe sowohl in das Orts- wie auch das Landschaftsbild erreicht werden (dunkle Farben sind weniger weit sichtbar als helle).

Zum Schutz vorhandener Bau- oder Naturdenkmäler • oder denkmalwerter Gebäudegruppen und Stadtgrundrisse ist bei der Festsetzung vor allem der Zahl der Vollgeschosse und der Bauweise für die Nachbarbebauung eine besondere Rücksichtnahme geboten.

4 Damit die Belange der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes in der Bauleitplanung frühzeitig erkennbar werden, ist bereits im Flächennutzungsplan für gestaltungsempfindliche Bereiche die Darstellung der besonderen Art der baulichen Nutzung (Baugebiete) gem. J l Abs. 2 BauNVO und der Geschoßflächenzahl gem. § 16 Abs. l BauNVO erforderlich. Bei der Darstellung von Sondergebieten ist die Zweckbestimmung genau anzugeben.

Im Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan sollte - soweit aus gestalterischen Gründen erforderlich -auch eine Übersicht über die geplanten höchstzulässigen Zahlen der Vollgeschosse (auch der Sondergebiete) enthalten sein.

5 Bebauungspläne in Gemeinden, in denen die Belange der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes besondere Bedeutung haben, müssen etwa beabsichtigte Großbauformen durch erschöpfende Festsetzungen, insbesondere auch der Zahl der Vollgeschosse, erkennen lassen. Auf die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse darf nämlich nicht verzichtet werden, wenn dadurch die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes beeinträch-. tigt werden kann (vergl. § 16 Abs. 3 BauNVO). Anregungen und Bedenken aus der Bevölkerung oder von seilen der Fächdienststellen.gegen Großbauformen sind sorgfältig zu behandeln, ihre Zurückweisung ist eingehend zu begründen.

6 Die Genehmigungsbehörden haben Bauleitpläne von Gemeinden der Ländlichen Zonen, die der Realisierung von Großbauformen dienen sollen, insbesondere bei Vorliegen entsprechender Bedenken oder Eingaben unter den vorgenannten Gesichtspunkten sorgfältig zu prüfen und in Zweifelsfällen mir vor der Entscheidung zu berichten.

Dieser Erlaß ergeht im Einvernehmen mit der Landesplanungsbehörde und dem Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.