Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Obsolet.

 


Historisch: Kirchenasyl in Dublin-Fällen Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 122-39.11.05-17-024(260) vom 13. Juni 2017

 

Historisch:

Kirchenasyl in Dublin-Fällen Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 122-39.11.05-17-024(260) vom 13. Juni 2017

Kirchenasyl in Dublin-Fällen

Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 122-39.11.05-17-024(260)
vom 13. Juni 2017

Am 1. Juni 2017 wurde den Bezirksregierungen der „Leitfaden Dublin-Verfahren“ des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge per E-Mail  zur Weiterleitung an die Ausländerbehörden übermittelt. Der Leitfaden enthält unter Punkt 8 auch Ausführungen zum Umgang mit Kirchenasylfällen.

In diesem Zusammenhang weise ich vorsorglich nochmals auf die Kompetenzverteilung zwischen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Ausländerbehörden bei Überstellungen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) hin:

Stellt das BAMF im sogenannten Dublin-Verfahren fest, dass ein anderer EU-Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, erlässt das BAMF eine Abschiebungsanordnung in diesen Staat, sobald feststeht, dass die Überstellung durchgeführt werden kann.

Nach der durchgängigen und durch das Bundesverfassungsgericht[1] bestätigten obergerichtlichen Rechtsprechung bleibt  das BAMF dann - anders als sonst im Asylverfahren - bis zur tatsächlichen Abschiebung dafür verantwortlich, dass der Überstellung keine Vollzugshindernisse entgegenstehen.

Die Ausländerbehörden haben im Dublin-Verfahren neben dem BAMF keine eigene aufenthaltsrechtliche Entscheidungskompetenz. Sie vollziehen lediglich die Anordnung des BAMF und nehmen die Abschiebung als Realakt vor (vgl. hierzu auch Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages „Föderale Zuständigkeiten in Dublin-Verfahren - WD 3-3000-119/14 - vom 16.06.2014).

Das BAMF trifft in seinem Leitfaden die grundsätzliche Feststellung, dass Kirchenasyl kein nachträglich auftretendes Abschiebungshindernis im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darstellt (vgl. Seite 19, 3. Absatz).

Gleichwohl wurde zwischen Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche und der Leitung des Bundesamtes bereits im Februar 2015 vereinbart, dass das BAMF in Kirchenasylfällen nochmals prüft, ob ein besonderer Härtefall vorliegt, der die Ausübung des Selbsteintrittsrechts rechtfertigt.

Das BAMF verzichtet auf eine Verlängerung der Überstellungsfrist wegen „Untertauchens“ auf 18 Monate, auch wenn der Selbsteintritt abgelehnt wird (Ausnahme: siehe S. 19 Abs. 2 S. 2 des Leitfadens). Gleichzeitig wird ausdrücklich festgehalten, dass ein Verbleib des Schutzsuchenden im Kirchenasyl nicht ausgeschlossen ist, wenn das BAMF dem Votum der Kirche nicht gefolgt ist (vgl. S. 19, Absatz 1). Trotz Ablehnung des Selbsteintritts kann es somit in Kirchenasylfällen zu einem Übergang der asylrechtlichen Zuständigkeit (nur) aufgrund des Ablaufs der Überstellungsfrist kommen.

Die  Ausführungen des BAMF zu den Zuständigkeiten im Rahmen der Überstellung bedeuten letztlich, dass die Entscheidung über eine eventuelle zwangsweise Beendigung des Kirchenasyls dem (allgemeinen) Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörden zugeordnet wird. Diese Sichtweise wird nicht geteilt. Nach hiesiger Auffassung gehört diese Frage noch zum „Ob“ der Überstellung und fällt damit in den Verantwortungsbereich des BAMF. Die Ausländerbehörde ist (lediglich) für das „Wie“ der tatsächlichen Vollziehung verantwortlich.

Mit Blick auf die zwischen Kirchen und BAMF getroffene Vereinbarung unterbleiben aufenthaltsbeendende Maßnahmen durch die Ausländerbehörden bei Bekanntwerden eines Kirchenasyls in jedem Fall bis feststeht, dass das BAMF trotz erneuter Prüfung von seinem  Selbsteintrittsrecht keinen Gebrauch macht. Die entsprechende schriftliche Mitteilung des BAMF ist stets abzuwarten. Unter Berücksichtigung des Leitfadens zum Dublin-Verfahren besteht eine Verpflichtung der Ausländerbehörde, die Überstellung aus dem Kirchenasyl heraus vorzunehmen, nur dann, wenn das BAMF die Ausländerbehörde hierzu ausdrücklich auffordert.

Unabhängig vom jeweiligen Vorgehen des BAMF sollte die zuständige Ausländerbehörde in allen Fällen des Kirchenasyls das unmittelbare Gespräch mit der Kirchengemeinde vor Ort suchen, um das Verfahren kommunikativ zu begleiten und den Vertretern der Kirchengemeinde eine sachgerechte Bewertung zu ermöglichen.

Die Bezirksregierungen werden gebeten, diesen Erlass an die Ausländerbehörden ihres Bezirks weiterzuleiten.



[1] BVerfG 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 -