Geltende Gesetze und Verordnungen (SGV. NRW.)  mit Stand vom 1.10.2024


Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen


Inhaltsverzeichnis:

Normüberschrift

Geschäftsordnung
des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen

Vom 18. Oktober 2022 (Fn 1)

Aufgrund des § 10 Absatz 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Dezember 1989 – VerfGHG – (GV. NRW. S. 708, ber. 1993 S. 588), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes und des Landesbeamtengesetzes im Zusammenhang mit einer weiteren Verselbstständigung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Februar 2022 (GV. NRW. S. 231), hat sich der Verfassungsgerichtshof durch Beschluss vom 18. Oktober 2022 nachstehende Geschäftsordnung gegeben.

Abschnitt 1:
Organisation und Verwaltung

§ 1
Verfassungsrichteramt

Die Wahrnehmung des Amtes als Mitglied des Verfassungsgerichtshofs hat nach der aus Artikel 75 und 76 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und aus § 1 Absatz 1 VerfGHG sich ergebenden Stellung des Gerichts grundsätzlich Vorrang vor jeder anderen Aufgabe.

§ 2
Außenvertretung, Verwaltung

(1) Die Präsidentin vertritt den Verfassungsgerichtshof nach außen und führt die Verwaltung. Sie unterrichtet die Mitglieder über alle wichtigen Vorgänge, die den Verfassungsgerichtshof oder dessen Mitglieder berühren, und veranlasst Presseerklärungen und andere Verlautbarungen des Verfassungsgerichtshofs.

(2) Die Präsidentin wird vom Vizepräsidenten vertreten. Ist der Vizepräsident verhindert, nimmt das lebensälteste Mitglied die Befugnisse der Präsidentin wahr.

§ 3
Geschäftsstelle

Der Verfassungsgerichtshof hat eine Geschäftsstelle, die von der Geschäftsstelle des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt wird (§ 11 VerfGHG).

§ 4
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

(1) Die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen die Arbeit des Verfassungsgerichtshofs. Sie sind hierbei an die Weisungen der Präsidentin gebunden und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie werden von der Präsidentin bestimmt, sollen Richterin bzw. Richter in der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen sein und sich durch besondere Rechtskenntnisse auszeichnen.

(2) Bei Bedarf kann die Präsidentin außer den zum Verfassungsgerichtshof abgeordneten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine zusätzliche, externe wissenschaftliche Kraft mit Vorarbeiten zum Votum und zum Entscheidungsentwurf beauftragen. Die Vergütung setzt die Präsidentin unter Würdigung des Arbeitsaufwands fest.

§ 5
Geschäftsregister, Allgemeines Register

(1) Die Geschäftsstelle führt ein Geschäftsregister (GR), in das die Anträge, die auf eine Rechtsprechungstätigkeit des Verfassungsgerichtshofs gerichtet und nach der Landesverfassung und dem Verfassungsgerichtshofgesetz nicht offensichtlich unzulässig sind, eingetragen werden. Individualverfassungsbeschwerden und mit einer solchen in Zusammenhang stehende Anträge erhalten das Registerzeichen „VB“ nebst Bezeichnung der nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Kammer.

(2) Daneben wird ein Allgemeines Register (AR) über alle sonstigen Anträge und Eingaben geführt. Diese bearbeitet die Präsidentin als Justizverwaltungsangelegenheit.

(3) Die Präsidentin entscheidet, ob ein Vorgang in das Geschäftsregister oder das Allgemeine Register einzutragen ist. Ein im Allgemeinen Register eingetragener Vorgang ist in das Geschäftsregister zu übertragen, wenn der Einsender nach Hinweis auf die Rechtslage eine richterliche Entscheidung begehrt. Dieser Hinweis kann von einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin oder einem wissenschaftlichen Mitarbeiter des Verfassungsgerichtshofs erteilt werden.

(4) Die Zählung im Geschäftsregister erfolgt jahrgangsweise fortlaufend in der Reihenfolge des Eingangs. Im Übrigen entscheidet die Präsidentin über die zu verwendenden Registerzeichen.

§ 6
Führung der Akten, Akteneinsicht und Archivierung

(1) Die Akten werden beim Verfassungsgerichtshof geführt. Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten von eingehenden Dokumenten in Papierform oder auf elektronischem Weg Kenntnis. Bei ihrem Ausscheiden versichern sie die Vernichtung der Dokumente oder geben sie zurück.

(2) Über Anträge auf Akteneinsicht (§ 16a VerfGHG) entscheidet die Präsidentin. Während der Anhängigkeit von Verfahren, für die das Verfassungsgerichtshofgesetz die Bildung von Kammern vorsieht, entscheidet die oder der Vorsitzende der Kammer, solange und soweit nicht das Plenum mit der Sache befasst ist. Hat die Beschwerdekammer die Akten des beanstandeten Verfahrens beigezogen (§ 22), entscheidet während der Anhängigkeit des Verzögerungsbeschwerdeverfahrens die oder der Vorsitzende der Beschwerdekammer auch über Anträge auf Einsicht in diese Akten.

§ 7
Veröffentlichung der Entscheidungen

(1) Die Präsidentin überlässt dem Landtag und der Landesregierung, im Falle von Artikel 33 Absatz 3 der Landesverfassung auch dem Landeswahlleiter, je eine Abschrift einer jeden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, auch wenn sie nicht am Verfahren beteiligt sind.

(2) Sieht das Gesetz vor, dass eine Entscheidung oder eine Entscheidungsformel im Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen ist, so veranlasst die Präsidentin das Erforderliche.

(3) Über die amtliche Veröffentlichung einer Entscheidung in sonstigen Fällen entscheidet die Präsidentin. Der Entscheidung können Leitsätze beigefügt werden. Diese sind nicht Bestandteil der Entscheidung. Die Leitsätze werden vom Verfassungsgerichtshof beschlossen.

§ 8
Amtstracht

(1) Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs tragen in öffentlicher Sitzung die von ihnen beschlossene Amtstracht.

(2) Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte tragen ihre Amtstracht.

§ 9
Siegel

Der Verfassungsgerichtshof führt ein großes und ein kleines Landessiegel mit der Umschrift „Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen“.

Abschnitt 2:
Verfahrensvorschriften

§ 10
Zustellungen

Zustellungen und Ladungen werden von der Präsidentin verfügt.

§ 11
Berichterstattung

Nach Eingang jeder neuen Sache wird grundsätzlich die Berichterstattung geregelt. § 59 Abs. 1 Satz 2 VerfGHG und § 20 Abs. 3 dieser Geschäftsordnung bleiben davon unberührt.

§ 12
Schriftliches Verfahren im Umlauf

Hält die Präsidentin in Fällen, die keine mündliche Verhandlung erfordern, eine Entscheidung im Wege des Umlaufs für angezeigt, so kann sie jedem mitwirkenden Mitglied einen von ihr unterzeichneten Entscheidungsentwurf übersenden. Die jeweils Mitwirkenden senden den ihnen übersandten Entwurf mit ihrer Unterschrift versehen zurück, wenn nicht eine Beratung verlangt wird. Der Beschluss kommt mit Eingang des letzten unterzeichneten Entwurfs zustande.

§ 13
Verhinderung

Jedes Mitglied des Verfassungsgerichtshofs zeigt der Präsidentin eine Verhinderung unter Darlegung der Gründe rechtzeitig an.

§ 14
Beratung und Abstimmung

(1) Im Anschluss an die mündliche Verhandlung finden die Beratung und die Abstimmung über die Entscheidung statt.

(2) Die Mitglieder, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, können bis zu deren Verkündung oder bis zu deren Ausfertigung zum Zwecke der Zustellung die Fortsetzung der Beratung verlangen, wenn sie ihre Stimmabgabe ändern wollen; sie können die Fortsetzung der Beratung beantragen, um bisher nicht erörterte Gesichtspunkte vorzutragen, oder wenn ein Sondervotum dazu Anlass gibt.

(3) Über den Gang der Beratung entscheidet der Verfassungsgerichtshof.

(4) Das Stimmenverhältnis wird am Ende der Entscheidung mitgeteilt, wenn dies ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofs beantragt (§ 25 Absatz 4 Satz 2 und 3 VerfGHG).

(5) Die Mitglieder, die an einer Entscheidung mitgewirkt haben, sind im Rubrum mit ihrem Namen in folgender Reihenfolge aufzuführen: Präsidentin, Vizepräsident, danach die anderen Mitglieder in alphabetischer Reihenfolge.

§ 15
Sondervotum

(1) Ein Mitglied, das ein Sondervotum abgeben will (§ 25 Absatz 4 Satz 1 und 3 VerfGHG), soll diese Absicht so bald wie möglich, spätestens unmittelbar vor der Unterzeichnung der Entscheidung durch die mitwirkenden Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs mitteilen.

(2) Das Sondervotum ist der Präsidentin grundsätzlich binnen drei Wochen nach Abfassung der Entscheidung vorzulegen.

(3) Die Verkündung oder Zustellung der Entscheidung erfolgt grundsätzlich erst nach Vorliegen des Sondervotums. In dringenden Fällen kann die Verkündung oder Zustellung erfolgen, bevor das Sondervotum zu den Akten gegeben ist. In diesem Fall ist darauf hinzuweisen, dass ein Sondervotum beabsichtigt ist. Wird das Sondervotum nicht innerhalb der für seine Einreichung bestimmten Frist zu den Akten gegeben, wird die Entscheidung ohne Sondervotum und ohne Hinweis auf ein zu erwartendes Sondervotum verkündet oder zugestellt.

§ 16
Verkündung, Unterzeichnung

(1) Eine Entscheidung wird grundsätzlich erst verkündet oder zugestellt, wenn sie schriftlich begründet und unterzeichnet ist.

(2) Wird das Sondervotum zu einem Urteil abgegeben (§ 25 Absatz 4 Satz 1 und 3 VerfGHG), so gibt die Präsidentin dies bei der Verkündung bekannt. Das Sondervotum wird den Beteiligten und allen sonstigen Stellen in der gleichen Weise bekanntgegeben wie die Entscheidung.

Abschnitt 3:
Einstweilige Anordnungen

§ 17
Mündliche Verhandlung

Über Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird mündlich verhandelt, wenn der Verfassungsgerichtshof dies beschließt, die Präsidentin es verfügt oder dem Beschluss, mit dem die einstweilige Anordnung erlassen oder der Antrag abgelehnt wird, von einem Widerspruchsberechtigten binnen eines Monats widersprochen wird (§ 27 Absatz 2 und 3 VerfGHG).

§ 18
Belehrung über den Widerspruch

Die Widerspruchsberechtigten sind in dem Beschluss über die einstweilige Anordnung über das Recht zum Widerspruch und die Frist zu belehren.

Abschnitt 4:
Verfahren bei Individualverfassungsbeschwerden

§ 19
Vorsitz

In den Kammern nach § 59 VerfGHG führen, soweit sie ihnen angehören, die Präsidentin und – soweit der Kammer nicht die Präsidentin angehört – der Vizepräsident, im Übrigen das dienstälteste ordentliche Mitglied bzw. jeweils dessen persönliche Stellvertreterin oder persönlicher Stellvertreter den Vorsitz.

Abschnitt 5:
Beschwerdekammer (§ 63c VerfGHG)

§ 20
Besetzung

(1) Die Präsidentin, der Vizepräsident und die weiteren Kammervorsitzenden gehören der Beschwerdekammer nicht an.

(2) Den Vorsitz der Beschwerdekammer führt das dienstälteste Kammermitglied.

(3) Die Besetzung im Übrigen sowie die Bestimmung der Berichterstatterin oder des Berichterstatters regelt der Geschäftsverteilungsplan.

§ 21
Stellungnahme

Eine Stellungnahme der Berichterstatterin oder des Berichterstatters des beanstandeten Verfahrens nach § 63d Absatz 1 VerfGHG ist in der Regel erst nach Aufforderung durch die Berichterstatterin oder den Berichterstatter der Beschwerdekammer vorzulegen.

§ 22
Beiziehung von Akten

Die Berichterstatterin oder der Berichterstatter der Beschwerdekammer kann die Akten des beanstandeten Verfahrens beiziehen, soweit nicht nach § 16a Abs. 3 VerfGHG die Akteneinsicht ausgeschlossen ist.

Abschnitt 6:
Schlussvorschriften

§ 23
Änderungen der Geschäftsordnung

Über Änderungen dieser Geschäftsordnung beschließen die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs. Der Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung kann von jedem Mitglied gestellt werden.

§ 24
Inkrafttreten

Die Geschäftsordnung tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Geschäftsordnung vom 23. Oktober 2018 (GV. NRW. S. 584) außer Kraft.

Münster, den 18. Oktober 2022

Prof. Dr. D a u n e r-L i e b

Prof. Dr. H e u s c h

Dr. G i l b e r g

Prof. Dr. G r z e s z i c k

Dr. N e d d e n-B o e g e r

Dr. R ö h l

Prof. Dr. W i e l a n d

Fußnoten:

Fn 1

In Kraft getreten am 27. Oktober 2022 (GV. NRW. S. 956, ber. S. 992).