Anlage 1 zur VV-FFH vom
26.4.2000
Kriterien zur Auswahl der
FFH- und Vogelschutzgebiete
für das europäische Schutzgebietssystem „Natura 2000" .
I.
FFH-Gebiete
- Ausgangslage
- Auswahlverfahren
- Bewertungsrahmen für FFH-Gebiete
- Ausfüllen der Standarddatenbögen
- Abgrenzung der FFH-Gebietsvorschläge
- Schutzgebiete für Arten nach Anhang II
II. Vogelschutzgebiete
- Ausgangslage
- Kriterien zur Ermittlung von besonderen Vogelschutzgebieten (SPA)
III. Anwendung der Kriterien auf das Vogelschutzgebiet „Unterer
Niederrhein"
Tabellen 1 bis 6
I.
FFH-Gebiete
Ausgangslage
Die
Richtlinie des Rates der EU vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen
Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen
(Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie / FFH-Richtlinie; Richtlinie 92/43/EWG des
Rates) zielt auf die Wiederherstellung oder Wahrung eines günstigen
Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und der Arten von
gemeinschaftlichem Interesse. Hauptziel ist es, die Erhaltung der biologischen
Vielfalt zu fördern, wobei wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Anforderungen berücksichtigt werden sollen.
Zu
diesem Zweck sind besondere Schutzgebiete auszuweisen, um nach einem genau
festgelegten Zeitplan ein zusammenhängendes europäisches ökologisches Netz von
Schutzgebieten zu schaffen - das Gebietsnetz „Natura 2000". In dieses
Schutzgebietsnetz sind die nach der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2.
April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten derzeit oder künftig
als besondere Vogelschutzgebiete (SPA) ausgewiesenen Flächen einzugliedern.
Die
Gebiete, die als besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden könnten, werden von
den Mitgliedsstaaten auf der Grundlage der im Anhang III der Richtlinie
genannten Kriterien ausgewählt.
Die
Lebensräume und Arten von gemeinschaftlichem Interesse werden in den Anhängen I
und II zur Richtlinie aufgeführt. Für besondere „prioritäre" Lebensräume
und Arten sind weitergehende Anforderungen zur Auswahl und Meldung der Gebiete
für das Schutzgebietsnetz „Natura 2000" vorgegeben.
Auswahlverfahren
Die
Auswahl der für den Aufbau des Netzes „Natura 2000" geeignetsten Gebiete
erfolgt aufgrund der in Anhang III der Richtlinie genannten Kriterien in zwei
Stufen.
Dabei
erfolgt in Stufe 1 zunächst eine Beurteilung der Bedeutung der Gebiete für die
natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I (Tab. 1) und/oder die in
Nordrhein-Westfalen vorkommenden in Anhang II genannten Arten (Tab. 2). In die
Liste werden diejenigen Gebiete aufgenommen, die aufgrund ihres relativen
Wertes für die Erhaltung jedes/jeder der in Anhang I bzw. II genannten
natürlichen Lebensraumtypen bzw. Arten eine besondere Bedeutung besitzen.
Besonders umfangreich sind hierbei die Gebiete mit prioritären natürlichen
Lebensraumtypen und Arten zu melden.
In
der zweiten Stufe wird die Beurteilung der gemeinschaftlichen Bedeutung der in
den nationalen Listen enthaltenen Gebiete vorgenommen.
Hierbei
werden alle von den Mitgliedsstaaten in Stufe l ermittelten Gebiete, die
prioritäre natürliche Lebensraumtypen bzw. Arten beherbergen, als Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung betrachtet. Die Beurteilung der anderen Gebiete
für das Netz „Natura 2000" erfolgt anhand ihrer Bedeutung zur Wahrung oder
Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes eines natürlichen
Lebensraumes des Anhangs I oder einer Art des Anhangs II. Hierbei wird
insbesondere der relative Wert des Gebietes auf nationaler Ebene oder die
geographische Lage des Gebietes, die Gesamtfläche oder die Zahl der in diesem
Gebiet vorkommenden natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und der Arten des
Anhangs II u.a. bewertet.
Art.
3 der FFH-Richtlinie bestimmt, dass jeder Staat im notwendigen Umfang seiner
Verpflichtung zur Meldung von natürlichen Lebensraumtypen und Habitaten der
entsprechenden Arten nachkommt, um das Schutzgebietsnetz „Natura 2000"
aufzubauen.
Die
fachliche Bewertung der in den nationalen Listen vorgeschlagenen Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung erfolgt über das European Topic Centre on Natur
Conservation (ETC/NC) in den in Anhang III der Richtlinie dargestellten zwei
Phasen (BOILLOT, VIGNAULT & de BENITO 1997).
In
der ersten Phase wird überprüft, ob in den vorgeschlagenen Gebieten die in der
jeweiligen betrachteten biogeographischen Region vorkommenden Arten und Lebensraumtypen
hinreichend repräsentiert sind. Hierbei dienen numerische Grenzwerte zur
Orientierung:
- Wenn weniger als 20 Prozent der Gesamtfläche eines Lebensraumtyps in der
vorgeschlagenen Gebietsliste erfasst sind, wird von einer unzureichenden Berücksichtigung
ausgegangen.
- Wenn mehr als 60 Prozent der Gesamtfläche durch die vorgeschlagenen Gebiete
erfasst sind, wird von einer ausreichenden Berücksichtigung ausgegangen.
- Für Werte zwischen 20 und 60 Prozent müssen Einzelfallbetrachtungen angestellt
werden.
In
der zweiten Phase werden verschiedene Kriterien nacheinander angewendet und
überprüft:
Vorkommen prioritärer Arten und Lebensraumtypen, Einzigartigkeit, hohe
Qualität, hohe Diversität, Kohärenz des „Natura 2000"-Netzes.
Diese
Methodik wurde vom ETC/NC entwickelt, um eine halbautomatische Auswahl
geeigneter Gebiete durchführen zu können. Alle vorgeschlagenen Gebiete, die
nach dieser Methodik nicht ausgewählt werden, müssen einer
Einzelfallbeurteilung unterzogen werden.
Anhang
III der FFH-Richtlinie liefert einen ersten Ansatz für die Auswahl der
geeigneten Gebiete. Die dort genannten Kriterien müssen jedoch für die
jeweilige Region konkretisiert werden. Im Rahmen einer gemeinsamen
Arbeitsgruppe der Landesanstalten und Landesämter mit dem Bundesamt für
Naturschutz wurden die Kriterien zur Auswahl der Gebiete weiter
operationalisiert und standardisiert. Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe
wurde im Juni 1994 den jeweiligen Länderministerien mit den länderspezifischen
Gebietslisten vorgelegt.
Für
die Auswahl der Gebiete werden die folgenden Schritte vorgeschlagen:
- Schritt 1 erfasst die Kernzonen bestehender Nationalparke,
Biosphärenreservate, der Feuchtgebiete internationaler Bedeutung
(RAMSAR-Gebiete) und die Gebiete von „gesamtstaatlich repräsentativer
Bedeutung", d.h. Gebiete, für die eine Bundesförderung erfolgt (in NRW:
Altrhein Bienen-Praest, Bislicher Insel, Ahr 2000).
- Schritt 2 erfasst die Naturschutzgebiete >75 ha, also landesplanerisch
gesicherte Gebiete, soweit sie nach den Kriterien des Anhangs III für das Netz
„Natura 2000" von Relevanz sind. Die Naturschutzgebiete werden sowohl aus
naturschutzfachlichen als auch aus Gründen der Verwaltungsklarheit in ihren
durch Verordnung oder Landschaftsplan festgelegten Abgrenzungen vorgeschlagen -
also in der Regel als Biotopkomplexe, die häufig und in unterschiedlichem
Umfang auch Lebensraumtypen mit beinhalten können, die nicht im Anhang I der
FFH-Richtlinie aufgeführt sind.
- Schritt 3 ergänzt die relevanten Gebiete (s.o.), die als Naturschutzgebiete
>75 ha vorgeschlagen sind, also ebenfalls i.d.R. landesplanerisch gesichert
sind.
- Schritt 4 prüft, inwieweit es fachlich entweder zum Schutz der
Lebensraumtypen oder der Tier- und Pflanzenarten nach Anhang II erforderlich
ist, Gebiete <75 ha zu benennen.
Unter
Beachtung des übergeordneten Zieles der Richtlinie - Erhaltung und
Wiederherstellung der biologischen Diversität - erfolgte die Bewertung und
Auswahl der für das Gebietsnetz vorgeschlagenen Gebiete unter Beachtung der
naturräumlichen Verhältnisse. Bezugssystem für die Bewertung ist daher nicht
das Bundesland in seinen Verwaltungsgrenzen, sondern sind die naturräumlichen
Haupteinheiten (vgl. SSYMANK 1994 sowie BfN-Handbuch 1998).
Diese
Vorgehensweise orientiert sich nicht eng an den Anforderungen der
FFH-Richtlinie. Sie ist jedoch ein pragmatisches Verfahren zur Ermittlung der
besonders geeigneten Gebiete, die in der Regel auch den höchsten Schutzstatus
besitzen. Die FFH-Gebiete in Nordrhein-Westfalen werden abschließend nach dem hier
vorgelegten operationalisierten Bewertungsrahmen ermittelt.
Bewertungsrahmen
für FFH-Gebiete
Unter
Beachtung der naturräumlich differenzierten Verbreitungsmuster der einzelnen
Lebensraumtypen (vgl. BfN-Handbuch 1998) wurde das Auswahlverfahren weiter
konkretisiert. Folgende Bewertungsschritte werden dabei durchlaufen:
Die FFH-Richtlinie nennt in Art. 4 Abs. 2 die biogeographischen Regionen als
Bezugssystem für die Gebietsauswahl. Diese Aussage bezieht sich aber auf die
Gesamtliste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung, die von der
Kommission jeweils im Einvernehmen mit den Mitgliedsstaaten erstellt wird.
Diese Gesamtliste kann erst bearbeitet werden, nachdem für die jeweiligen
biogeographischen Regionen sämtliche Gebietsmeldungen vorliegen.
Das
Auswahlverfahren in Nordrhein-Westfalen stellt die hierzu notwendige Vorphase
dar: Für den nordrhein-westfälischen Teil der entsprechenden biogeographischen
Region werden Gebiete auf der Basis der naturräumlichen Haupteinheiten benannt,
um die genetische Vielfalt in den verschiedenen Naturräumen einer
biogeographischen Einheit in geeigneter Weise zu sichern.
In
der Klageschrift der EU vom 1. März 1999 zum Vertragsverletzungsverfahren
bezüglich Umsetzung der FFH-Richtlinie durch die Bundesrepublik Deutschland
wird ausdrücklich der Bezug zu den jeweiligen naturräumlichen Einheiten als
Bezugsebene für eine ausreichende Meldung der FFH-Lebensraumtypen hergestellt
und diese Vorgehensweise damit bestätigt.
1.
Schritt: Beurteilung des Repräsentativitätsgrades der einzelnen
FFH-Lebensraumtypen in den fünf naturräumlichen Haupteinheiten NRWs
D 34: Münsterländische Tieflandsbucht
D 35: Niederrheinisches Tiefland und Kölner Bucht
D 36: Weser- und Weser-Leine-Bergland
D 38: Bergisches Land, Sauerland
D 45: Eifel
Außerdem
werden die geeignetsten Gebiete in den naturräumlichen Haupteinheiten
ermittelt, die nur zu einem geringen Teil in NRW liegen:
D 30: Dümmer Geestniederung und Ems-Hunte Geest
D 44: Mittelrheingebiet (mit Siebengebirge)
D 39: Westerwald
Für
jeden FFH-Lebensraumtyp wird ermittelt, ob er in der jeweiligen naturräumlichen
Haupteinheit mit einem Haupt- oder einem Nebenvorkommen - bezogen auf die
Verbreitung in Deutschland - vertreten ist. In den Hauptvorkommen wird eine
besonders große europäische Verpflichtung des Landes NRW zum Schutz dieser
Biotoptypen gesehen, da hier der Lebensraumtyp im Naturraum einen
Verbreitungsschwerpunkt besitzt. Es wird hierbei nicht unterschieden, ob es
sich um wenige großflächige oder zahlreiche kleinflächige Vorkommen handelt.
Die
Zuordnung in Haupt- und Nebenvorkommen (Tab. 3) erfolgt in der Regel in
Anlehnung an das BfN-Handbuch (1998). Im Einzelfall wurde aus fachlichen
Gründen davon abgewichen: Der FFH-Lebensraumtyp „Feuchtheide" hat z.B. in
den naturräumlichen Haupteinheiten D 30, D 34, D 35 ein Hauptvorkommen und in
den Naturräumen D 36, D 38, D 45 ein Nebenvorkommen.
Grundsätzlich
sind hinreichend genaue Kenntnisse zur flächenmäßigen Ausdehnung der
Lebensraumtypen nach Anhang I bzw. der Verbreitung der Arten nach Anhang II in
den dem jeweiligen Mitgliedsstaat zuzuordnenden Teil der betreffenden
biogeographischen Region notwendig. Orientierende Angaben zur Verbreitung der
einzelnen Lebensraumtypen, deren Differenzierung in Haupt- und Nebenvorkommen
sowie einer „guten" und „schlechten" Ausprägung finden sich im
BfN-Handbuch. Bei der abschließenden Bearbeitung der FFH-Gebiete (Tranche 2)
wird - wie für die Erörterung der Gebiete der Tranche Ib - für jeden
Lebensraumtyp die Gesamtfläche in der jeweiligen naturräumlichen Haupteinheit
halbquantitativ ermittelt, da diese Daten Bezugssystem für den Umfang der in
den Haupt- bzw. Nebenvorkommen zu meldenden Flächen ist.
2.
Schritt: Ermittlung der Größenverteilung der FFH-Lebensraumtypen in den
naturräumlichen Haupteinheiten
Hierzu
wird das Biotopkataster mit seinen biotoptypbezogenen Flächenangaben
ausgewertet. Dann wird - ggf. unter Beteiligung weiterer Experten -
halbquantitativ die Gesamtfläche des jeweiligen Lebensraumtyps bestimmt.
Außerdem werden für jeden Lebensraumtyp naturraumbezogen Mindestflächengrößen
festgelegt (z.B. artenreiche Mähwiesen im Niederrheinischen Tiefland und der
Kölner Bucht: > 10 ha).
Lebensräume,
die diese Flächengrößen unterschreiten, werden für eine Gebietsmeldung für das
kohärente europäische Schutzgebietssystem nicht berücksichtigt, sofern sie
nicht im Komplex mit anderen FFH-Lebensraumtypen vorkommen.
Für
die nach dem Biotopkataster ausgewerteten Lebensraumtypen liegen
Verbreitungskarten und Häufigkeitsangaben sowie für die naturräumlichen Haupteinheiten
Größenklassendiagramme vor.
3.
Schritt: Festlegung der Meldekulisse (siehe Tab. 4)
Die
Auswahl der zu meldenden Gebiete erfolgt in Anlehnung an die ETC/NC-Verfahren
(BOILLOT et al. 1997) nach folgenden Kriterien:
1. Hat ein Lebensraumtyp im Naturraum ein Hauptvorkommen, so werden die zehn
besten Gebiete - mindestens aber 50% der Fläche des Biotoptyps gemeldet.
2. Hat ein Lebensraumtyp im Naturraum ein Nebenvorkommen, so werden die fünf
besten Gebiete - mindestens aber 20% der Fläche des Biotoptyps gemeldet.
Die
Auswahl der Gebiete erfolgt absteigend nach der Flächengröße des
FFH-Lebensraumtyps unter Berücksichtigung ergänzender Kriterien wie Verbund von
FFH-Lebensräumen, Qualität der Ausprägung sowie Vorkommen von Arten nach Anhang
II und IV.
Es
entspricht dem Sinn der FFH-Richtlinie, auch Gebiete mit weniger gut
ausgeprägten Lebensräumen zu melden, wenn in einem Naturraum nur noch solche
vorzufinden sind. Ziel der Richtlinie ist der Aufbau eines kohärenten
ökologischen Netzes auch durch Wiederherstellung von ursprünglich in einem
Naturraum gut ausgeprägten, heute aber degradierten Lebensraumtypen. Gerade für
schlecht ausgeprägte Lebensraumtypen, die in der Vergangenheit besonders stark
verändert wurden, sind Entwicklungsmaßnahmen notwendig (vgl. Art. 4 Abs. 2
FFH-Richtlinie). Die Auswahl der Flächen für solche Maßnahmen orientiert sich
z. B. am Entwicklungspotential, der Größe des Gebietes, der aktuellen
Ausprägung und der Verbundfunktion.
Ausfüllen
der Standarddatenbögen
Hierzu
werden entsprechend den Vorgaben der Standarddatenblätter die folgenden Daten
ermittelt:
a) Repräsentativität
Anhand des Repräsentativitätsgrades ist zu entscheiden, „wie typisch" ein
Lebensraum in der naturräumlichen Haupteinheit ausgeprägt ist. Hierbei wird für
jedes Gebiet einzeln der Beeinträchtigungsgrad und damit verbunden der aktuelle
Erhaltungszustand ermittelt. Unter Zugrundelegung dieser Parameter werden dann,
wenn eine hervorragende Repräsentativität gegeben ist, bei einem Hauptvorkommen
maximal die fünf besten Gebiete in die Stufe A (hervorragende
Repräsentativität) und die weiteren fünf besten Gebiete in die Stufe B (gute
Repräsentativität) eingestuft. Es erfolgt keine pauschale Einstufung in die
Kategorien A und B ausschließlich nach dem relativen Kriterium der „besten
Gebiete". Im Einzelfall ist es also möglich, dass die Kategorie A (bzw. B)
nicht vergeben wird.
Hauptvorkommen
Stufe A (hervorragende Repräsentativität): Vergabe maximal an die 5 besten
Gebiete
Stufe B (gute Repräsentativität): Vergabe maximal an die Gebiete 6 bis 10
Stufe C (signifikante Repräsentativität): Vergabe in der Regel an Gebiete mit
einer Rangnummer > 10
Nebenvorkommen
Stufe A: Vergabe maximal an die 2 besten Gebiete
Stufe B: Vergabe maximal an die Gebiete 3 bis 5
Stufe C: Vergabe in der Regel an Gebiete mit einer Rangnummer > 5
Sollten
in einer Haupteinheit nur Lebensraumtypen in einem relativ schlechten
Erhaltungszustand vorhanden sein, so wird dies durch Zuordnung zur Kategorie C
zum Ausdruck gebracht. Durch dieses Verfahren wird der EU eine transparente
Beurteilung für die Berücksichtigung dieser Fläche in der jeweiligen
biogeographischen Region ermöglicht.
b)
Relative Fläche
Die Bewertung erfolgt unter Zugrundelegung der Flächenangaben über den
Gesamtbestand der schutzwürdigen Vorkommen der jeweiligen Lebensraumtypen
(s.o.).
c)
Erhaltungszustand
Die Beurteilung erfolgt aufgrund der vorliegenden Informationen
(Biotopkataster, Naturschutzarchiv, Pflege- und .Entwicklungspläne) und
aktuellen Gebietskenntnissen. In der Richtlinie wird dies als „bester
Sachverstand" bezeichnet.
d)
Gesamtbeurteilung
Nach „bestem Sachverstand" erfolgt die Gesamtbeurteilung auf Grundlage der
vorgenannten, im Standarddatenbogen aufgeführten Bewertungspunkte. Hierbei
stellt die integrale Bewertung gemäß EU-Richtlinie 97/266/EWG nach Ziffer 3.1
eine Gesamtbeurteilung der vorherigen Kriterien dar, unter Berücksichtigung des
unterschiedlichen Gewichts, das diese für den betreffenden Lebensraum haben
können.
Neben
dieser systematischen Auswertung der vorliegenden Datenbestände erfolgen vor
einer abschließenden Benennung der Gebietsliste (Tranchen 1 a, Ib und 2)
Plausibilitätsprüfungen durch die regionalen Gebietsspezialisten in der LÖBF.
Abgrenzung
der FFH-Gebietsvorschläge
Gemäß
Art. 4 Abs. 1 legt jeder Mitgliedsstaat eine Liste von Gebieten vor, in denen
die dort vorkommenden natürlichen Lebensraumtypen des Anhang I und einheimische
Arten des Anhang II aufgeführt sind. Die Richtlinie spricht also von Gebieten,
in denen die entsprechenden Lebensraumtypen repräsentativ vertreten sind.
Bei
bestehenden Naturschutzgebieten werden im Regelfall deren Grenzen zugrunde
gelegt, da die entsprechenden Lebensraumtypen und ihre Biozönosen nur dann
dauerhaft geschützt werden können, wenn ausreichende Pufferzonen z.B. zur
Sicherung des hydrologischen Regimes, der Aktivitätsräume von Tierarten der
FFH-Lebensräume oder zur Verhinderung von Nährstoffeintrag vorhanden sind.
Diese werden so gewählt, dass der Schutzzweck dauerhaft gesichert ist. Darüber
hinaus sind bei der Ausweisung dieser Gebiete im Rahmen der wissenschaftlichen
Grundlagenerhebung als auch bei der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange
die möglichen fachlichen und privatrechtlichen Konfliktfälle abgewogen worden.
Diese Vorgehensweise bei der Meldung von Naturschutzgebieten mit
FFH-Lebensräumen wird grundsätzlich in allen Bundesländern angewandt. Eine
weitergehende Begründung z.B. zur Größe der Pufferflächen ist weder in der
FFH-Richtlinie noch in der Richtlinie zur Ausfüllung der Standarddatenbögen
vorgesehen.
Der
Entwicklungsaspekt wird dort berücksichtigt, wo eine entsprechende Entwicklung
aktuell eingeleitet ist. So wird der FFH-Lebensraumtyp „Magere
Flachland-Mähwiesen" nur dann berücksichtigt, wenn Flächen heute schon
entsprechend genutzt werden.
Von
der Meldung der Gesamtfläche bestehender Naturschutzgebiete kann im Einzelfall
dann abgesehen werden, wenn eins der folgenden Kriterien erfüllt ist:
- Der Anteil der FFH-Lebensraumtypen ist kleiner als 10 Prozent der NSG-Fläche.
- Das NSG besteht aus räumlich und funktional getrennten, im Gelände eindeutig
erkennbaren Bereichen, und die FFH-Lebensraumtypen liegen nur in einem dieser
Bereiche.
- Bei Naturschutzgebieten größer 500 ha können Flächen mit hoher
Nutzungsintensität wie Acker und Fichtenforste aus der FFH-Kulisse
herausgenommen werden, wenn es sich um eine zusammenhängende Fläche größer 50
ha in Randlage und ohne Verbundfunktion handelt.
Schutzgebiete
für Arten nach Anhang II
Entsprechend
der Vorgehensweise bei den Lebensraumtypen sollen auch hier die jeweils
geeignetsten Vorkommen geschützt werden (Richtwert: Hauptvorkommen - zehn
wichtigste Populationen; Nebenvorkommen - fünf wichtigste Populationen). In der
Regel werden aber keine eigenen Schutzgebiete für Einzelarten nach Anhang II
vorgeschlagen. Soweit möglich, soll der Bestand dieser Arten in erster Linie
dadurch geschützt werden, dass deren Vorkommen in FFH-Gebieten zum Schutz der
Lebensraumtypen nach Anhang I gesichert/ verbessert wird.
Quantitative
Bestandsangaben zur Verbreitung der Arten nach Anhang II sind sowohl für NRW
als auch für Deutschland und natürlich erst recht für den Gesamtbereich der
Europäischen Union - wenn überhaupt – nur lückenhaft vorhanden. Angaben zur
Populationsgröße sind deshalb gegenwärtig in der Regel nicht möglich. Da dieses
Problem auch von der EU gesehen wird, weist sie in der Richtlinie zum Ausfüllen
der Standarddatenbögen darauf hin: „Insbesondere bei Säugetieren,
Amphibien/Reptilien und Fischen sind unter Umständen überhaupt keine Angaben
verfügbar. In diesem Fall sollte in Bezug auf die Größe/Dichte der Population
angegeben werden, ob die Art häufig, selten oder sehr selten vorkommt. Falls
keinerlei Populationsdaten vorliegen, ist anzugeben, ob die Art vorhanden
ist."
Sofern
FFH-Gebiete ausschließlich aufgrund der dort lebenden Arten nach Anhang II
gemeldet werden, ist Voraussetzung hierfür ein seit Jahren bestehendes
Vorkommen der entsprechenden Art. Bei verschiedenen Arten, die über die
lebensraumbezogenen FFH-Gebiete nicht geschützt werden können (z. B. Großes
Mausohr -Vermehrungsstätten in Gebäuden), wird es kaum sinnvoll sein, eine
FFH-Meldung vorzunehmen.
II.
Vogelschutzgebiete
Ausgangslage
Die
Richtlinie des Rates der EU vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden
Vogelarten (79/409/EWG) betrifft die Erhaltung sämtlicher wildlebender
Vogelarten, die im europäischen Gebiet der Mitgliedsstaaten heimisch sind. In
dieser Richtlinie werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, die erforderlichen
Maßnahmen zum Schutz dieser Arten durchzuführen.
Für
die im Anhang I aufgeführten Vogelarten (Tab. 5), die in der Regel im Bereich
der Mitgliedsstaaten besonders bedroht sind, müssen besondere Schutzmaßnahmen
zur Erhaltung und Entwicklung ihrer Lebensräume durchgeführt werden. Hierzu
haben sich die Mitgliedsstaaten bereit erklärt, die für die Erhaltung dieser
Arten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete als Schutzgebiete
auszuweisen.
In
gleicher Weise sind auch Schutzgebiete für die nicht in Anhang I aufgeführten
regelmäßig auftretenden Zugvogelarten zum Schutz ihrer Vermehrungs-, Mauser-
und Überwinterungsgebiete sowie der Rastplätze in ihren Wanderungsgebieten
auszuweisen (Tab. 6). Zu diesem Zweck messen die Mitgliedsstaaten dem Schutz
der Feuchtgebiete und ganz besonders der international bedeutsamen
Feuchtgebiete besondere Bedeutung bei (Art. 4 Abs. 2 Vogelschutz-RL).
Art.
4 der Vogelschutzrichtlinie bestimmt, dass besondere Schutzgebiete (SPA,
Special Protected Areas) auszuweisen sind. Dies gilt sowohl für die Arten aus
Anhang I wie auch für die geeignetsten Gebiete zum Schutz ziehender
europäischer Vogelarten. Gerade im „Lappel Bank"-Urteil des europäischen
Gerichtshofes vom 11. Juli 1996, bei dem es vorrangig um den Schutz eines
Gebietes geht, das für wandernde Arten internationale Bedeutung besitzt, wurde
herausgestellt, dass besondere Schutzgebiete sowohl nach Art. 4 Abs. 1 als auch
nach Art. 4 Abs. 2 auszuweisen sind:
Leitsatz
2 des „Lappel Bank"-Urteils: „Ein Mitgliedstaat darf bei der Auswahl und
Abgrenzung eines besonderen Schutzgebietes gemäß Art. 4 Abs. l oder 2 der
Richtlinie 79/409 wirtschaftliche Erfordernisse nicht als Gründe des
Allgemeinwohls, die Vorrang vor den mit dieser Richtlinie verfolgten
Umweltbelastungen haben, berücksichtigen."
Auch
das BfN weist in seinem Handbuch (BfN 1998) darauf hin, dass das
Schutzgebietssystem „Natura 2000" gebildet wird von
- besonderen Schutzgebieten (SPA), die zum Schutz der 182 Vogelarten und
Unterarten des Anhang I der Vogelschutzrichtlinie und der wandernden Vogelarten
ausgewiesen werden müssen" (S. 7).
- Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung zum Schutz der in den Anhängen der
FFH-Richtlinie aufgeführten Lebensraumtypen und Arten.
Kriterien
zur Ermittlung von besonderen Vogelschutzgebieten (SPA)
Die
Vogelschutzrichtlinie benennt in Anhang I zahlreiche Arten, für deren Erhaltung
die zahlenmäßig geeignetsten Gebiete zu sichern sind. Entsprechende Maßnahmen
sind auch für die nicht im Anhang I aufgeführten, aber regelmäßig auftretenden
Zugvogelarten hinsichtlich ihrer Vermehrungs-, Mauser- und
Überwinterungsgebiete sowie der Rastplätze in ihren Wanderungsgebieten
vorzunehmen (s.o.). Einen detaillierten und präzisen Bewertungsrahmen für die
Auswahl der geeignetsten Gebiete enthält die Vogelschutzrichtlinie nicht.
Im
Auftrage der Europäischen Kommission hat das International Waterfowl Research
Bureau (IWRB) 1989 von Grimmett & Jones eine Erfassung der „Important Bird
Areas in Europe" durchführen lassen. Die Auswahl der Gebiete orientierte
sich an der vom ORNIS-Ausschuss der Kommission vorgelegten Kriterien für
Vogelschutzgebiete in der europäischen Gemeinschaft. Von den dort genannten 15
Kriterien sind für Nordrhein-Westfalen insbesondere die folgenden sieben
Kriterien relevant:
A) Brutgebiete
- regelmäßiger Brutplatz einer signifikanten Anzahl (>1% BRD-Bestand) von
mindestens drei Anhang-I-Arten
- bei weitverbreiteten Arten: Gebiete mit besonders hoher Dichte bzw. Anzahl
von Paaren
B)
Durchzugs-, Rast- und Überwinterungsgebiete
- mindestens 1% (mindestens 100 Ex.) des Flyway oder der biogeographischen
Population einer Art
- Gebiete mit mindestens 20 000 Wasservögeln während der Zugzeit
- Gebiete, in denen sich regelmäßig eine signifikante Anzahl(>1%
BRD-Bestand) von mindestens drei Anhang-I-Arten aufhält
C) sonstige
Kriterien
- eines der 100 wichtigsten Gebiete in der EU für eine Art gemäß Anhang I
- eines der fünf wichtigsten Gebiete für eine Art oder Unterart in der Region
(in Deutschland wird als Region das jeweilige Bundesland angesehen)
Für
die Ausweisung eines Vogelschutzgebietes reicht die Erfüllung eines Kriteriums.
Auf
die besondere nordrhein-westfälische Situation übertragen ergeben sich danach
die folgenden Auswahlkriterien für SPAs:
a) - Brutplätze und Aktionsräume (Nahrungsflächen) von mindestens drei
Anhang-I-Arten, von denen > 1% der deutschen Population in dem Gebiet
regelmäßig vorkommen
- Vorkommen von sonstigen Arten des Anhangs I*
b) - Rast- und Überwinterungsräume mindestens einer Anhang-I-Art, von der
mindestens 1% des Flyways oder der biogeographischen Population in dem
entsprechenden Gebiet rastet.
- Vorkommen von weiteren rastenden Anhang-I-Arten*
c) - eines der fünf wichtigsten Gebiete in Nordrhein-Westfalen für Arten gemäß
Anhang 1 (Top-5-Gebiet)
d) - regelmäßig aufgesuchte Brut-, Rast- und Überwinterungsräume von Arten nach
Art. 4 Abs. 2 Vogelschutzrichtlinie, von denen mindestens 1% des deutschen
Bestandes im Gebiet vorkommt
- übrige Arten gemäß Art. 4 Abs. 2 Vogelschutzrichtlinie *
- Gebiete mit mindestens 20 000 Wasservögeln während der Zugzeit
e) - eines der fünf wichtigsten Gebiete in Nordrhein-Westfalen für regelmäßig
auftretende wandernde Vogelarten nach Art. 4 Abs. 2 Vogelschutzrichtlinie
(Top-5-Gebiet)
Auch
hier gilt, dass die Erfüllung eines Kriteriums für die Ausweisung eines
Vogelschutzgebietes (SPA) ausreichend ist.
Eine
Benennung als Vogelschutzgebiet erfolgt als „TOP-5-Gebiet" nur dann, wenn
zusätzlich die beiden folgenden Kriterien erfüllt sind:
- Die jeweilige Art hat in dem Gebiet einen Verbreitungsschwerpunkt in
Nordrhein-Westfalen; für annähernd gleichmäßig in bestimmten Regionen
vorkommende Arten (z.B. Grauspecht) werden keine Schutzgebiete gemeldet.
- Das Schutzziel für die jeweils zu schützende Art ist nicht bereits durch die
Ausweisung eines FFH-Gebietes mit vergleichbarem Schutzziel abgedeckt (z.B.
Schutz des Mittelspechtes in den FFH-Gebieten „Davert" und
„Kottenforst"; Schutzziel: v.a. Erhaltung und Entwicklung der
Eichenwaldgesellschaften).
Im
Einzelfall kann bei der Festlegung der fünf wichtigsten Gebiete einer Art von
rein numerischen Kriterien abgewichen werden, wenn hierdurch die genetische
Vielfalt in Nordrhein-Westfalen besser gesichert werden kann. Die Erhaltung der
genetischen Vielfalt ist ein zentrales Ziel des Schutzgebietsnetzes „Natura
2000".
Für
alle Vogelschutzgebiete sind neben einer zahlenmäßigen Eignung auch die von
Grimmett und Jones (1989) genannten folgenden Kriterien berücksichtigt worden:
1. Ein Gebiet sollte sich in seinem Charakter oder als Habitat oder in seinem
ornithologischen Wert von der Umgebung unterscheiden.
2. Ein Gebiet soll ein bereits bestehendes oder potentielles Schutzgebiet (mit
oder ohne Pufferzone) sein oder eine Region darstellen, in der Maßnahmen für
den Naturschutz möglich sind.
3. Ein Gebiet soll eigenständig allein oder mit anderen Gebieten zusammen alle
nötigen Lebensgrundlagen für die zu schützenden Arten bieten, solange diese
Arten das Gebiet nutzen.
Zur
Ermittlung der Bestandsgröße von Vogelarten nach Anhang I sowie Art. 4 Abs. 2
Vogelschutzrichtlinie sind mehrjährige Erfassungen sinnvoll. Das jeweilige
quantitative Kriterium (s.o.) sollte außerdem in der Mehrzahl der untersuchten
Jahre (z.B. 5 Jahre) erreicht werden. Nach BURDORF et al. (1997) muss bei nur
kurzfristiger Untersuchungsdauer im Sinne des Vorsorgeprinzips davon
ausgegangen werden, dass eine Bedeutung als Vogelschutzgebiet auch bei nur
einmaligem Überschreiten des Kriterienwertes gegeben ist.
Für
Nordrhein-Westfalen sind zur Zeit 15 Vogelschutzgebiete geplant; davon sind
sechs bereits von der EU anerkannt (Unterer Niederrhein; Rieselfelder Münster;
Weserstaustufe Schlüsselburg; Moore und Heiden des Westmünsterlandes; Möhnesee;
Krickenbecker Seen).
III.
Anwendung der Kriterien auf das Vogelschutzgebiet „Unterer Niederrhein"
Das
flächenmäßig größte Vogelschutzgebiet in Nordrhein-Westfalen ist das in der
Liste der anerkannten Vogelschutzgebiete geführte Feuchtgebiet Unterer
Niederrhein (SPA-Nr. 060, „NATURA 2000"-Nr. 4203-401). In diesem Gebiet werden
die vorgenannten Kriterien erfüllt.
Die
großflächige Abgrenzung beruht vor allem auf dem Vorkommen von Bläß- und
Saatgänsen (Bläßgans: mehr als 30 Prozent des Flyway; Saatgans: ca. 8 Prozent
des Flyway; WILLE 1998). Sämtliche Acker- und Grünlandflächen innerhalb des
Ramsar-Gebietes sind Rast- und Nahrungsflächen für diese wandernden Vogelarten.
Sofern
innerhalb der Rheinaue die geeignetsten Flächen für die rastenden und
überwinternden Gänse als SPA ausgewiesen werden sollen, ist es notwendig, entsprechende
Auswahlkriterien zu formulieren. Aufgrund der starken räumlichen Fluktuation
der Gänse innerhalb dieses Raumes ist anhand einzelner z. B. monatlicher
Zählungen eine Festlegung von Schwerpunkträumen nicht möglich. Flächendeckend
fehlen für das ca. 25000 ha große Gebiet entsprechende Daten.
Die
relativ beste Datengrundlage zur Ermittlung der im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der
Richtlinie „geeignetsten", d.h. besonders regelmäßig aufgesuchten Flächen
sind die Meldungen der Landwirte über festgestellte Gänsefraßschäden, die von
den Kreisstellen der Landwirtschaftskammer vor Ort geprüft wurden. Die Qualität
dieser Daten wird dadurch beeinträchtigt, dass
- von einzelnen Landwirten Gänsefraßschäden nicht oder nur teilweise gemeldet
werden;
- innerhalb der einzelnen Fluren ein unterschiedlicher Anteil von Straßen,
Hofstellen, Gehölzbeständen, Wasserflächen, also von den Gänsen nicht zu
nutzenden Flächen, existiert, die Fraßschäden aber jeweils auf die Gesamtfläche
der Flur bezogen werden. Aufgrund der in den Jahren 1996 bis 1998 ermittelten
Fraßschadensdaten (Anteil der in den einzelnen Fluren gemeldeten Flächen mit
Gänsefraßschäden) lassen sich Schwerpunkte ableiten. Diese räumlichen
Schwerpunkte sind vor allem von den Faktoren Störungsarmut und Futterqualität
bestimmt. Letzterer ist abhängig von den jeweils angebauten Feldfrüchten, deren
Verteilung z.T. jährlich wechselt (vgl. Vertragsangebote zur Anlage von
Gänseäsungsflächen).
Zur
Auswahl der geeignetsten Gebiete für die am Unteren Niederrhein überwinternden
Bläß- und Saatgänse wurden die folgenden Kriterien zugrunde gelegt:
- Alle Fluren, in denen mindestens auf der Hälfte der von den Gänsen nutzbaren
Fläche Gänsefraßschäden gemeldet wurden (Kernflächen). Grundlage sind die Daten
der von der Landwirtschaftskammer Rheinland in den Winterhalbjahren 1995/96 bis
1997/98 gemeldeten Fraßschäden. Diese Auswahl der Kernflächen ist aus zwei
Gründen sinnvoller als eine Mittelwertbildung über die drei o.g.
Winterhalbjahre. Erstens: die räumlichen Verbreitungsschwerpunkte der Gänse
schwanken in den einzelnen Jahren aufgrund der jeweils angebauten Feldfrüchte.
Zweitens: die Gesamtbetrachtung der drei Winterhalbjahre ist annähernd
repräsentativ für die klimatische Situation am Unteren Niederrhein.
- Bestehende Naturschutzgebiete, in denen auf mindestens 30% der einzelnen
Fluren Gänseäsungsschäden gemeldet wurden, werden ebenfalls als Kernflächen
behandelt.
- Diese Schwerpunktflächen der Gänseverbreitung werden zu zusammenhängenden,
sinnvoll und im Gelände nachvollziehbar abzugrenzenden Bereichen arrondiert.
Hierbei wird der Anteil der gemeldeten Gänsefraßschäden (> 30% der Flur) und
die Verteilung der Grünlandflächen mit berücksichtigt.
Isoliert,
d.h. mehr als zwei km von der nächsten regelmäßig genutzten Parzelle entfernt
liegende Flächen werden nur dann berücksichtigt, wenn sie eine ausreichende
Größe (mindestens 250 ha) besitzen und eine besondere funktionale Bedeutung für
die rastenden Gänse besitzen, z. B. durch die Nähe zu einem Schlafplatz.
Die
auf diese Weise ermittelten Kernflächen innerhalb des flächendeckend von den
Gänsen im Winterhalbjahr aufgesuchten Feuchtgebietes Unterer Niederrhein decken
sich weitgehend mit den Kernflächen, die in dem 1992 vorgelegten
Niederrhein-Konzept (Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und
Forstplanung NRW 1992) dargestellt sind, sowie mit den von MOOIJ (z.B. 1991,
1993) publizierten Verbreitungsschwerpunkten. Die Biologischen Stationen am
Unteren Niederrhein haben hierzu die ornithologischen Grundlagendaten bereitgestellt.
Außerdem zeigen die aktuellen Schwerpunktflächen, dass die in den letzten
Jahren (auch) zum Schutz der Wildgänse ausgewiesenen Naturschutzgebiete am
Unteren Niederrhein eine besondere und zentrale Bedeutung für den Schutz dieser
Tiere besitzen.
Trotz
der im Einzelfall vorhandenen Unschärfen - bei flurstücksbezogener Analyse
würde sich der Anteil der „Kernflächen" erhöhen - gibt die vorliegende
Auswertung einen wichtigen Anhalt über die Raum-Zeit-Einbindung und die
Verbreitungsschwerpunkte der Gänse.
Die
mit einem Sternchen versehenen Kriterien dienen ergänzend zur Festlegung der
Abgrenzung eines Vogelschutzgebietes; zur Auswahl der Gebiete werden sie in der
Regel nicht herangezogen.
Hierbei
werden im allgemeinen nur solche Arten berücksichtigt, die gleiche oder
ähnliche Lebensräume wie die zur Auswahl des Gebietes relevanten Arten nutzen,
d.h. durch ähnliche Schutzziele zu sichern sind.
Im Sinne der Richtlinie, die neben dem grundsätzlichen Schutz aller Vogelarten insbesondere die stark gefährdeten Arten durch geeignete Maßnahmen vor einer weiteren Bestandsabnahme bewahren will, ist es nur folgerichtig, auch Vorkommen dieser Arten mit zu berücksichtigen, selbst wenn ihr Bestand geringer als 1 Prozent der bundesdeutschen Population ist und auch das Top 5-Kriterium nicht zutrifft.