Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2019 Nr. 9 vom 23.4.2019 Seite 201 bis 214

Gesetz zur Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes Nordrhein-Westfalen
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Gesetz zur Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes Nordrhein-Westfalen

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Gesetz
zur Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes Nordrhein-Westfalen

Vom 11. April 2019

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

Gesetz
zur Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes Nordrhein-Westfalen

Artikel 1

Das Behindertengleichstellungsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 2003 (GV. NRW. S. 766), das zuletzt durch Artikel 8b des Gesetzes vom 21. Juli 2018 (GV. NRW. S. 414) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht werden nach der Angabe zu § 10 die folgenden Angaben eingefügt:

„§ 10a Öffentliche Stellen des Landes

§ 10b   Erklärung zur Barrierefreiheit und elektronisches Kontaktformular

§ 10c   Überwachung der Barrierefreiheit und Berichterstattung

§ 10d   Ombudsverfahren

§ 10e   Verordnungsermächtigung“.

2. § 6 Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt geändert:

a) In dem Satzteil vor Nummer 1 werden nach dem Wort „Belange“ die Wörter „sowie im Fall von § 10 und § 10b gegen eine öffentlichen Stelle des Landes“ eingefügt.

b) In Nummer 2 wird nach der Angabe „10“ die Angabe „und § 10b“ eingefügt.

3. § 10 wird wie folgt gefasst:

„§ 10

Barrierefreie Informationstechnik

(1) Die Träger öffentlicher Belange gestalten die von ihnen zur Verfügung gestellten Programmoberflächen im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung sowie ihre Online-Auftritte und Angebote technisch so, dass sie von Menschen mit Behinderungen genutzt werden können.

(2) Öffentliche Stellen des Landes gestalten Websites und mobile Anwendungen gemäß Artikel 1 der Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (ABl. L 327 vom 2.12.2016, S. 1) im Internet sowie im Intranet barrierefrei, so dass sie von Menschen mit Behinderungen uneingeschränkt genutzt werden können.

(3) Die barrierefreie Gestaltung erfolgt nach Maßgabe der gemäß § 10e zu erlassenden Verordnung. Soweit diese Verordnung keine Vorgaben enthält, erfolgt die barrierefreie Gestaltung nach den anerkannten Regeln der Technik.

(4) Von den Vorgaben zur Barrierefreiheit darf nur abgewichen werden, wenn und soweit die barrierefreie Gestaltung gemäß Absatz 2 für öffentliche Stellen des Landes einen unverhältnismäßigen Aufwand bewirkt.

(5) Die Regelungen in Absatz 2, § 10b sowie die Regelungen zum Überwachungs- und Ombudsverfahren gelten nicht für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege sowie Schulen und Ersatzschulen mit Ausnahme der Inhalte, die sich auf wesentliche Online-Verwaltungsfunktionen beziehen. Wenn und soweit Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege, Schulen sowie Ersatzschulen Träger öffentlicher Belange nach § 2 des Inklusionsgrundsätzegesetzes Nordrhein-Westfalen vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 442) in der jeweils geltenden Fassung sind, bleibt die Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 unberührt.

(6) Angebote öffentlicher Stellen im Internet, die auf Websites Dritter veröffentlicht werden, sind soweit möglich barrierefrei zu gestalten.“

4. Nach § 10 werden die folgenden §§ 10a bis 10e eingefügt:

„§ 10a

Öffentliche Stellen des Landes

(1) Öffentliche Stellen des Landes sind

1. die Träger öffentlicher Belange nach § 2 des Inklusionsgrundsätzegesetzes Nordrhein-Westfalen, soweit sie Verwaltungsfunktionen wahrnehmen, sowie

2. sonstige öffentliche Stellen nach Artikel 3 Nummer 1 der Richtlinie (EU) 2016/2102, wenn sie dem Land Nordrhein-Westfalen gemäß Absatz 2 zuzurechnen sind.

(2) Dem Land Nordrhein-Westfalen zuzurechnen sind öffentliche Stellen, wenn sie

1. überwiegend vom Land, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen öffentlicher Stellen des Landes finanziert werden,

2. hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht dieser Gebietskörperschaften oder Einrichtungen unterstehen oder

3. ein Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan haben, das mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Land, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen öffentlicher Stellen des Landes ernannt worden sind.

(3) Dem Land Nordrhein-Westfalen sind ferner Vereinigungen zuzurechnen, an denen mindestens eine öffentliche Stelle nach Absatz 2 Nummer 1 oder 2 beteiligt ist, wenn sie

1. nicht über den Bereich des Landes Nordrhein-Westfalen hinaus tätig werden,

2. dem Land die absolute Mehrheit der Anteile gehört,

3. dem Land die absolute Mehrheit der Stimmen zusteht oder

4. überwiegend vom Land finanziert werden.

Eine überwiegende Finanzierung durch das Land wird angenommen, wenn es mehr als 50 Prozent der Gesamtheit der Mittel aufbringt.

§ 10b

Erklärung zur Barrierefreiheit und elektronisches Kontaktformular

(1) Die Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen des Landes müssen eine detaillierte, umfassende und klare Erklärung zur Barrierefreiheit nach Maßgabe der Festlegungen der Durchführungsrechtsakte der Kommission nach Artikel 7 Absatz 2 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2016/2102 enthalten und diese in einem zugänglichen Format bereitstellen und veröffentlichen.

(2) Die Erklärung nach Absatz 1 enthält

1. für den Fall, dass ausnahmsweise keine vollständige barrierefreie Gestaltung erfolgt ist,

a) die Benennung der Teile des Inhalts, die nicht vollständig barrierefrei gestaltet sind,

b) die Gründe für die nicht barrierefreie Gestaltung und

c) gegebenenfalls einen Hinweis auf barrierefrei gestaltete Alternativen,

2. ein unmittelbar zugängliches und barrierefrei gestaltetes elektronisches Kontaktformular (Feedback-Mechanismus), mit dem noch bestehende Barrieren gemeldet und die von der barrierefreien Gestaltung ausgenommenen Informationen angefordert werden können und aus dem die Kontaktangaben der zuständigen Stelle hervorgehen sowie

3. eine Verlinkung auf das in § 10d geregelte Ombudsverfahren sowie die Kontaktdaten der hierfür zuständigen Stelle.

(3) Die öffentliche Stelle des Landes ist verpflichtet, auf Mitteilungen oder Anfragen, die ihr auf Grund der Erklärung zur Barrierefreiheit übermittelt werden, innerhalb einer angemessenen Frist zu reagieren.

§ 10c

Überwachung der Barrierefreiheit und Berichterstattung

(1) Das für den Bereich der Politik für und mit Menschen mit Behinderungen federführend zuständige Ministerium richtet eine Stelle zur Überwachung der Einhaltung der Anforderungen an die Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen der öffentlichen Stellen des Landes ein. Die Art und Weise der Überwachung erfolgt nach Maßgabe der Festlegungen der Durchführungsrechtsakte der Kommission nach Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2016/2102.

(2) Die Überwachungsstelle berichtet dem für den Bereich der Politik für und mit Menschen mit Behinderungen federführend zuständigen Ministerium über die Ergebnisse der Überwachung einschließlich der Messdaten. Die konkreten Modalitäten ergeben sich aus dem Durchführungsrechtsakt der Kommission nach Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2016/2102 sowie der Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung Nordrhein-Westfalen vom 24. Juni 2004 (GV. NRW. S. 339) in der jeweils geltenden Fassung.

(3) Die Überwachungsstelle hat zur wirksamen Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach den Absätzen 1 und 2 das Recht, von den öffentlichen Stellen des Landes die notwendigen Informationen einzufordern.

(4) Das für den Bereich der Politik für und mit Menschen mit Behinderungen federführend zuständige Ministerium berichtet der Überwachungsstelle des Bundes nach § 13 Absatz 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467, 1468), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 10. Juli 2018 (BGBl. I S. 1117) geändert worden ist, alle drei Jahre über die Ergebnisse der Überwachung einschließlich der Messdaten sowie Informationen über die Nutzung des Ombudsverfahrens nach § 10d.

(5) Das für den Bereich der Politik für und mit Menschen mit Behinderungen federführend zuständige Ministerium kann sich jederzeit über die Tätigkeit der Überwachungsstelle informieren und die Wahrnehmung der Aufgaben nach den Absätzen 1 und 2 prüfen. Hierzu können mündliche, schriftliche und elektronische Berichte sowie Akten und sonstige Unterlagen angefordert und eingesehen werden.

(6) Art und Form der Berichterstattung nach den Absätzen 2 und 4 richten sich nach den Anforderungen, die auf Grundlage von Artikel 8 Absatz 6 der Richtlinie (EU) 2016/2102 festgelegt werden.

§ 10d

Ombudsverfahren

(1) Zur Gewährleistung einer angemessenen und wirksamen Durchsetzung der Anforderungen an die Barrierefreiheit gemäß § 10 wird eine Ombudsstelle für barrierefreie Informationstechnik eingerichtet. Diese ist für das Durchsetzungsverfahren im Sinne von Artikel 9 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zuständig.

(2) Die Ombudsstelle für barrierefreie Informationstechnik erstattet dem für den Bereich der Politik für und mit Menschen mit Behinderungen federführend zuständigen Ministerium alle drei Jahre, erstmalig zum 30. April 2021, Bericht über die Nutzung des Ombudsverfahrens.

§ 10e

Verordnungsermächtigung

Das für den Bereich der Politik für und mit Menschen mit Behinderungen federführend zuständige Ministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit den übrigen Ressorts durch Rechtsverordnung zu regeln:

1. die barrierefreie Gestaltung der Informationstechnik im Sinne des § 10, die dabei anzuwendenden Standards und den Zeitpunkt, ab dem diese Standards verbindlich anzuwenden sind,

2. die Arten und Bereiche sowie entsprechende Ausnahmen amtlicher Informationen, die barrierefrei zu gestalten sind,

3. die konkreten Anforderungen an die Erklärung zur Barrierefreiheit sowie das
elektronische Kontaktformular nach § 10b,

4. die konkrete Ausgestaltung der Berichterstattung über den Stand der Barrierefreiheit nach § 10c,

5. die Einzelheiten zur Ausgestaltung der Überwachungsstelle und des Überwachungsverfahrens nach § 10c,

6. die Einrichtung der Ombudsstelle und die Einzelheiten zur Ausgestaltung des Ombudsverfahrens nach § 10d sowie

7. die Fristen zur Umsetzung der Anforderungen aus §§ 10a bis 10d.“

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. September 2018 in Kraft.

Düsseldorf, den 11. April 2019

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

Der Ministerpräsident

Armin  L a s c h e t

(L.S)

Der Minister der Finanzen

Lutz  L i e n e n k ä m p e r

Der Minister des Innern

Herbert  R e u l

Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie

Zugleich für den Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration

Prof. Dr. Andreas  P i n k w a r t

Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales

Karl-Josef  L a u m a n n

Die Ministerin für Schule und Bildung

Yvonne Gebauer

Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung

Ina  S c h a r r e n b a c h

Der Minister der Justiz

Peter  B i e s e n b a c h

Der Minister für Verkehr

Hendrik  W ü s t

Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft

Zugleich für die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucher-schutz sowie für den Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales

Isabel  P f e i f f e r - P o e n s g e n

GV. NRW. 2019 S. 207