Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2021 Nr. 44 vom 21.6.2021 Seite 729 bis 756

Satzung zu europäischen Produktionen gemäß § 77 Medienstaatsvertrag
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Satzung zu europäischen Produktionen gemäß § 77 Medienstaatsvertrag

Satzung zu europäischen Produktionen gemäß § 77 Medienstaatsvertrag

Vom 7. Mai 2021

Aufgrund von § 77 Satz 4 Medienstaatsvertrag (MStV) vom 14. bis 28. April 2020 (GV. NRW. S. 524) erlässt die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) übereinstimmend mit den übrigen Landesmedienanstalten folgende Satzung:

1. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften

§ 1
Zweck, Geltungsbereich

(1) Zweck dieser Satzung ist die Darstellung der Vielfalt im deutschsprachigen und europäischen Raum und die Förderung von europäischen Film- und Fernsehproduktionen.

(2) Diese Satzung gilt für Anbieter und Anbieterinnen fernsehähnlicher Telemedien nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 MStV.

§ 2
Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Satzung ist

1. Katalog ein von einem Anbieter oder einer Anbieterin festgelegtes Gesamtangebot von Telemedien in Form einer Abfolge bewegter Bilder mit oder ohne Ton, unabhängig von deren jeweiliger Länge, soweit es sich nicht um eine Medienplattform im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 14 MStV handelt. Inhalte eines Katalogs können insbesondere Spielfilme, Fernsehspiele, Serien, Nachrichten, Reportagen, Dokumentationen, Unterhaltungs-, Informations-, Bildungs-, Beratungs-, Sport- oder Kindersendungen und vergleichbare Produktionen sein.

Kein Katalog liegt vor,

a) wenn audiovisuelle Inhalte lediglich im Zusammenhang mit entsprechender Textberichterstattung von elektronischer Presse veröffentlicht werden; dies ist nicht der Fall, wenn eine zusätzliche Sammlung solcher Inhalte in einem eigenständigen Video-Archiv zum individuellen Abruf bereitgestellt wird;

b) bei einem Videokanal eines Anbieters oder einer Anbieterin, auf dem lediglich kurze Werbevideos für Waren oder Dienstleistungen dieses Anbieters oder dieser Anbieterin abgerufen werden können;

2. Film- und Fernsehproduktion jede für die Wiedergabe festgehaltene gestaltete Abfolge bewegter Bilder mit oder ohne Ton, die bei der Betrachtung den Eindruck einer Bewegung hervorruft, unabhängig vom gewählten technischen Aufnahme-, Speicher- oder Wiedergabeverfahren, einschließlich Nachrichten, Sportberichte, Spielshows, Werbeleistungen;

3. europäisches Werk eine europäische Film- und Fernsehproduktion, das heißt

a) eine solche Produktion

aa) aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union;

bb) aus europäischen Drittländern, die Vertragsparteien des Europäischen Übereinkommens über grenzüberschreitendes Fernsehen des Europarates sind, sofern dieses Werk die Voraussetzungen nach Satz 2 erfüllt;

b) eine solche Produktion, die im Rahmen der zwischen der Europäischen Union und Drittländern im audiovisuellen Bereich geschlossenen Abkommen in Koproduktion hergestellt wird und die den in den einzelnen Abkommen jeweils festgelegten Voraussetzungen entspricht.

Produktionen im Sinne von Buchstabe a) sind Produktionen, die im Wesentlichen in Zusammenarbeit mit in einem oder mehreren der in den genannten Bestimmungen genannten Staaten ansässigen Autoren und Autorinnen sowie Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen geschaffen wurden und eine der drei folgenden Voraussetzungen erfüllen:

(1.) sie sind von einem oder mehreren in einem bzw. mehreren dieser Staaten ansässigen Produzenten oder Produzentinnen geschaffen worden;

(2.) ihre Produktion wird von einem oder mehreren in einem bzw. mehreren dieser Staaten ansässigen Produzenten oder Produzentinnen überwacht und tatsächlich kontrolliert;

(3.) der Beitrag von Koproduzenten und Koproduzentinnen aus diesen Staaten zu den Gesamtproduktionskosten beträgt mehr als die Hälfte, und die Koproduktion wird nicht von einem bzw. mehreren außerhalb dieser Staaten niedergelassenen Produzenten oder Produzentinnen kontrolliert.

Produktionen, die danach keine europäischen Film- und Fernsehproduktionen sind, jedoch im Rahmen von bilateralen Koproduktionsabkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern hergestellt werden, werden als europäische Film- und Fernsehproduktionen betrachtet, sofern die Koproduzenten und Koproduzentinnen aus der Europäischen Union einen mehrheitlichen Anteil der Gesamtproduktionskosten tragen und die Produktion nicht von einem oder mehreren außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten niedergelassenen Produzenten oder Produzentinnen kontrolliert wird;

4. Titel in einem Katalog jede Film- und Fernsehproduktion, die die Voraussetzungen nach Nummer 2 erfüllt mit folgenden ergänzenden Maßgaben

a) bei Spiel- und Fernsehfilmen jeder Film in einem Katalog; unterschiedliche Filme in einem Franchise stellen unterschiedliche Titel in einem Katalog dar;

b) bei Fernsehserien oder anderen Formaten, die in serieller Form, das heißt Episode für Episode, präsentiert werden, eine Fernsehserie oder ein Format in serieller Form; hiervon kann auf begründeten Antrag eines Anbieters oder einer Anbieterin fernsehähnlicher Telemedien durch die zuständige Landesmedienanstalt durch die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) insbesondere dann abgewichen werden, wenn in Bezug auf Dauer oder Produktionskosten eine Episode mit einem Fernsehfilm vergleichbar ist.

2. Abschnitt: Anteil europäischer Werke

§ 3
Grundsatz, Berechnung

(1) Anbieter und Anbieterinnen fernsehähnlicher Telemedien haben in geeigneter Weise sicherzustellen, dass der Anteil europäischer Film- und Fernsehproduktionen in ihren Katalogen im Durchschnitt von einem Halbjahr mindestens 30 vom Hundert entspricht.

(2) Die Berechnung nach Absatz 1 erfolgt auf der Grundlage der Gesamtzahl der Titel, die in jedem Halbjahr in dem betreffenden Katalog für Film- und Fernsehproduktionen zur Verfügung gestellt werden.

(3) Hält ein Anbieter oder eine Anbieterin fernsehähnlicher Telemedien mehr als einen Katalog zum Abruf bereit, ist der Anteil nach Absatz 1 für jeden Katalog gesondert sicherzustellen.

§ 4
Anbieter mit geringen Umsätzen

(1) Anbieter oder Anbieterinnen fernsehähnlicher Telemedien mit geringen Umsätzen im Sinne des § 77 Satz 2 MStV sind solche Anbieter oder Anbieterinnen, deren Jahresumsatz 2 Mio. EUR nicht überschreitet.

(2) Die Angaben, die für die Berechnung des finanziellen Schwellenwertes nach Absatz 1 herangezogen werden, beziehen sich auf den letzten Rechnungsabschluss und werden auf Jahresbasis berechnet. Sie werden vom Stichtag des Rechnungsabschlusses an berücksichtigt. Die Höhe des herangezogenen Umsatzes wird abzüglich der Mehrwertsteuer (MwSt.) und sonstiger indirekter Steuern oder Abgaben berechnet.

§ 5
Anbieter mit geringen Zuschauerzahlen

(1) Ein Anbieter oder eine Anbieterin eines fernsehähnlichen Telemediums mit geringen Zuschauerzahlen im Sinne des § 77 Satz 2 MStV ist ein Anbieter oder Anbieterin, dessen oder deren Zahl an Zuschauern und Zuschauerinnen in einem Jahr weniger als 1 vom Hundert der Gesamtzahl der potenziellen Zuschauer und Zuschauerinnen in Deutschland in dem jeweiligen Marktsegment (Abonnement-fernsehähnliche Telemedien, werbebasierte fernsehähnliche Telemedien, transaktionsbasierte fernsehähnliche Telemedien) beträgt.

(2) Im Falle von Abonnement-Telemedien wird die Zahl an Zuschauern und Zuschauerinnen nach Absatz 1 durch die Anzahl der Abonnements bestimmt, unabhängig davon, ob die Nutzung in einem Haushalt durch mehrere Personen erfolgt. Sofern es sich hierbei nicht um ein Abonnement-Telemedium handelt, wird die Zahl an Zuschauern und Zuschauerinnen im Fall von werbefinanzierten Telemedien durch die Anzahl der Nutzer und Nutzerinnen bestimmt. Bei Transaktions-Telemedien wird die Zahl an Zuschauern und Zuschauerinnen durch die Anzahl der für einen Einzelabruf zahlenden Kunden und Kundinnen bestimmt.

(3) Für die Gesamtzahl der potenziellen Zuschauer und Zuschauerinnen im Sinne des Absatzes 1 wird die Anzahl der Personen zugrunde gelegt, die eine Zugangsmöglichkeit zu fernsehähnlichen Telemedien haben.

§ 6
Ausnahme wegen der Art oder des Themas des fernsehähnlichen Telemediums

(1) Auf Antrag des Anbieters oder der Anbieterin eines fernsehähnlichen Telemediums kann die zuständige Landesmedienanstalt durch die ZAK diesen oder diese von der Pflicht nach § 3 zeitlich befristet befreien, wenn

1. der Anbieter oder die Anbieterin noch nicht länger als ein Jahr das Telemedium zur Nutzung bereit hält oder

2. der Marktanteil des Anbieters oder Anbieterin unter drei von Hundert liegt oder

3. der Anbieter oder die Anbieterin einen Spartenkatalog zum Abruf von Film- und Fernsehproduktionen bereithält, bei dem mindestens 75 vom Hundert der gesamten verfügbaren Programmzeit einem speziellen Thema aus den Bereichen Bildung, Beratung oder Information für ein begrenztes Publikum gewidmet ist.

(2) Der Anbieter oder die Anbieterin ist zur Darlegung und zum Beweis des Vorliegens der Voraussetzungen nach Absatz 1 verpflichtet; in den Fällen der Nummer 3 muss dabei glaubhaft gemacht werden, dass europäische Werke, die in Einklang mit der redaktionellen Ausrichtung des Katalogs stehen, im Markt nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen, um die gesetzliche Anforderung zu erfüllen.

(3) Die Pflicht nach § 3 gilt nicht für Mediatheken von privaten Rundfunkveranstaltern, die sich an ausschließlich an ein lokales Publikum richten.

3. Abschnitt: Herausstellung europäischer Werke

§ 7
Angemessene Herausstellung

(1) Europäische Werke sind durch Anbieter und Anbieterinnen fernsehähnlicher Telemedien angemessen in deutscher Sprache herauszustellen. Zur Herausstellung gehört, dass europäische Werke durch Erleichterung des Zugangs zu diesen Werken gefördert werden.

(2) Die Beurteilung, ob die Verpflichtung zur angemessenen Herausstellung erfüllt wird, basiert auf einer Gesamtbetrachtung aller diesbezüglichen Maßnahmen des Anbieters oder der Anbieterin. Eine Herausstellung kann insbesondere gewährleistet werden durch die Einrichtung eines speziellen Bereichs für europäische Werke, der von der Hauptseite des Telemediums aus leicht wahrnehmbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar ist, in Verbindung mit

1. der Möglichkeit, mit dem als Bestandteil dieses Telemediums verfügbaren Suchwerkzeug nach europäischen Werken zu suchen oder

2. einer Präsenz europäischer Werke von 30 vom Hundert auf der Hauptseite des Telemediums in Kategorien, die der Orientierung des Nutzers dienen, wie z.B. „Neuheiten“, „Aktuelle Highlights“ „Die besten Filme/Serien der…“ „Empfehlungen“, „Beliebt“.

4. Abschnitt: Verfahrensgrundsätze

§ 8
Auskunftsrechte

(1) Im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit kann die zuständige Landesmedienanstalt durch die ZAK nach § 104 Abs. 12 in Verbindung mit § 56 MStV insbesondere folgende Angaben verlangen:

1. Angaben über den Katalog sowie Art und Thema eines fernsehähnlichen Telemediums, insbesondere eine Liste mit nach Nationalitäten geordneten Werken, die im Katalog während eines Halbjahres verfügbar waren;

2. Angaben über die Titel, die in jedem Halbjahr in dem betreffenden Katalog für Film- und Fernsehproduktionen sowie für europäische Film- und Fernsehproduktionen zur Verfügung gestellt werden;

3. Angaben über den Umsatz und die Einnahmen des Anbieters oder der Anbieterin eines fernsehähnlichen Telemediums;

4. Angaben über die Zahl von Zuschauern und Zuschauerinnen gemäß § 5 Abs. 2 sowie die Abrufzahlen von europäischen und nicht-europäischen Film- und Fernsehproduktionen eines fernsehähnlichen Telemediums;

5. Angaben über die Art und Weise der Herausstellung europäischer Werke in einem fernsehähnlichen Telemedium.

(2) Soweit es zur Erfüllung der in dieser Satzung der zuständigen Landesmedienanstalt übertragenen Aufgaben erforderlich ist, kann diese bis zum Eintritt der Bestandskraft ihrer Entscheidung von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen die Erteilung von Auskünften sowie die Herausgabe von Unterlagen verlangen. Die Unternehmen und Unternehmensvereinigungen sind verpflichtet, diese innerhalb einer angemessenen Frist zu erteilen oder herauszugeben. Die Verpflichtung erstreckt sich auf alle Informationen und Unterlagen, die dem Unternehmen oder der Unternehmensvereinigung zugänglich sind. Die zuständige Landesmedienanstalt kann vorgeben, in welcher Form die Auskünfte zu erteilen sind. Vertreter des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung können von der zuständigen Landesmedienanstalt zu einer Befragung bestellt werden. Gegenüber juristischen Personen sowie Personenvereinigungen, die keine Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen sind, gelten die Sätze 1 bis 5 entsprechend. Im Übrigen gelten § 59 Abs. 2 bis 4 und 5 Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) entsprechend.

§ 9
Aufsichtsmaßnahmen bei Rechtsverstößen

(1) Verstößt ein Anbieter oder eine Anbieterin eines fernsehähnlichen Telemediums, der oder die nicht nach dieser Satzung von der Verpflichtung nach § 77 Satz 1 MStV ausgenommen ist, gegen § 77 MStV oder gegen diese Satzung, kann die zuständige Landesmedienanstalt durch die ZAK dem Anbieter oder der Anbieterin zunächst unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Nachbesserung geben. Dauert dieser Verstoß an, sind die erforderlichen Maßnahmen nach § 109 MStV zu treffen.

(2) Eine Untersagung oder Sperrung darf nicht erfolgen, wenn die Maßnahme außer Verhältnis zur Bedeutung des Angebots für den Anbieter oder die Anbieterin und die Allgemeinheit steht. Eine Untersagung oder Sperrung darf nur erfolgen, wenn ihr Zweck nicht in anderer Weise erreicht werden kann. Die Untersagung oder Sperrung ist, soweit ihr Zweck dadurch erreicht werden kann, auf bestimmte Arten und Teile von Angeboten oder zeitlich zu beschränken. Eine Entschädigung für Vermögensnachteile durch die Untersagung oder Sperrung wird nicht gewährt.

5. Abschnitt: Schlussbestimmung

§ 10
Inkrafttreten

Diese Satzung tritt am 1. Juli 2021 in Kraft. Sind bis zum 30. Juni 2021 übereinstimmende Satzungen nicht von allen Landesmedienanstalten erlassen und veröffentlicht worden, wird diese Satzung gegenstandslos. Der Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) veröffentlicht im Internetauftritt unter der Dachmarke „die medienanstalten“, ob alle Landesmedienanstalten innerhalb der Frist des Satzes 2 übereinstimmende Satzungen erlassen und veröffentlicht haben.

Düsseldorf, den 7. Mai 2021

Der Direktor
der Landesanstalt für Medien
Nordrhein-Westfalen (LfM)

Dr. Tobias  S c h m i d

GV. NRW. 2021 S. 753