Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2022 Nr. 31 vom 8.9.2022 Seite 683 bis 694
Beschluss zur Anerkennung der Nichtverfügbarkeit von ökologischen Eiweißfuttermitteln für die ökologische Schweine- und Geflügelhaltung als Katastrophenfall |
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Beschluss zur Anerkennung der Nichtverfügbarkeit von ökologischen Eiweißfuttermitteln für die ökologische Schweine- und Geflügelhaltung als Katastrophenfall
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Beschluss
zur Anerkennung der Nichtverfügbarkeit von ökologischen Eiweißfuttermitteln
für die ökologische Schweine- und Geflügelhaltung
als Katastrophenfall
Allgemeinverfügung
des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV)
Vom 9. August 2022
1
Förmlicher Beschluss zum Katastrophenereignis
Im Rahmen des Vollzugs von
- Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates (ABl. L 150 vom 14.6.2018, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung,
- Artikel 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2020/2146 der Kommission vom 24. September 2020 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2018/848 des Europäischen Parlaments und des Rates bezüglich Ausnahmen von den Produktionsvorschriften für die ökologische/biologische Produktion (ABl. L 428 vom 18.12.2020, S. 5) in der jeweils geltenden Fassung,
- § 2 Absatz 1 des Öko-Landbaugesetz vom 7. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2358) in der jeweils geltenden Fassung, und
- § 2 Absatz 1 Nr. 10 der Zuständigkeitsverordnung Agrar vom 5. Februar 2019 (GV. NRW. S. 116) in der jeweils geltenden Fassung,
beschließt das LANUV als zuständige Behörde:
1.1
Die negativen Auswirkungen der russischen Invasion in die Ukraine auf die Verfügbarkeit von ökologischen Eiweißfuttermitteln werden für die ökologische Schweine- und Geflügelhaltung in Nordrhein-Westfalen als Katastrophenfall gemäß Artikel 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2020/2146 anerkannt.
1.2
Dieser Beschluss kann jederzeit ganz oder teilweise widerrufen werden.
2
Begründung
In der Folge der Invasion Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich in Deutschland und damit auch in Nordrhein-Westfalen die Verfügbarkeit von Öko-Proteinfutter mit Herkunft aus der Ukraine deutlich und anhaltend verknappt. Die Ukraine fällt als Hauptlieferantin solcher Futtermittel für Tierhaltende von Öko-Schweinen und Öko-Geflügel im erheblichen und nachweislichen Maße aus.
Die deutsche Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI) hat mit ihrer Studie vom 8. März 22 eine unzureichende Versorgungslage an Sonnenblumenkernen aus der Ukraine festgestellt. Dies bezieht sich insbesondere auf die Tatsache, dass die Ukraine nahezu die einzige Lieferantin von High-Protein Sonnenblumenkernen mit einem Proteingehalt zwischen 32 und 36 Prozent ist.
Der bei der Pressung entstehende Sonnenblumenkuchen ist als wichtiger Eiweiß-Lieferant von zentraler Bedeutung und in der Legehennen- und Schweinefütterung essenziell. Diese Verknappung betrifft auch ökologisch erzeugte High-Protein Sonnenblumenkerne.
Laut fachlicher Einschätzung des Johann Heinrich von Thünen-Instituts, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, vom 24. März 2022 konnte die Gefahr einer Tierwohlgefährdung als Folge einer Unterversorgung mit essentiellen Aminosäuren bei Monogastriern insbesondere im Geflügelbereich nicht ausgeschlossen werden.
Am 6. April 2022 hat aufgrund der Datenbasis aus dem TRACES-System und den vorgenannten Hinweisen insbesondere zu den Lieferungen der pflanzlichen Eiweißträger aus der Ukraine die Länderarbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (LÖK) als Koordinierungsgremium für die Durchführung des ÖLG und der europäischen Rechtsregelungen zum Öko-Landbau per Beschluss den zuständigen Behörden der Länder empfohlen, vorübergehend in der Bio-Geflügel- und Bio-Schweinefütterung ab dem 11. April 2022 die Beimischung von bis zu 5 Prozent nichtökologischen Eiweißfuttermitteln bezogen auf die Futtermittel-Trockenmasse zu tolerieren.
Am 24. Juni 2022 hat die LÖK beschlossen, dass die mangelnde Verfügbarkeit von Öko-Proteinfuttermitteln aufgrund der Invasion Russlands für Deutschland als katastrophale Lage im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2020/2146 eingeschätzt wird.
Damit eine Situation für die Zwecke der Ausnahmen von den Produktionsvorschriften gemäß Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/848 als Katastrophenfall eingestuft werden kann, muss sie gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2020/2146 durch förmlichen Beschluss des Mitgliedstaats, in dem sie eintritt, als Katastrophenfall anerkannt werden.
Aufgrund der Empfehlung und des Beschlusses der LÖK stellt das LANUV die aktuelle Lage als Katastrophenfall für Nordrhein-Westfalen fest.
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Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diesen Beschluss kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage erhoben werden.
Die Klage ist vor dem zuständigen nordrhein-westfälischen Verwaltungsgericht schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts zu erklären, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Die Klage kann nach Maßgabe von § 55a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung) vom 24. November 2017 in der jeweils gültigen Fassung in elektronischer Form erhoben werden. Die nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte haben ihren Sitz in:
- 52070 Aachen, Adalbertsteinweg 92 im Justizzentrum für das Gebiet der kreisfreien Stadt Aachen und der Kreise Aachen, Düren, Euskirchen und Heinsberg
- 59821 Arnsberg Jägerstrasse 1 für das Gebiet der kreisfreien Städte Hagen und Hamm sowie des Ennepe-Ruhr-Kreises, des Hochsauerlandkreises, des Märkischen Kreises und der Kreise Olpe, Siegen-Wittgenstein und Soest
- 40213 Düsseldorf, Bastionstrasse 39 für das Gebiet der kreisfreien Städte, Düsseldorf, Duisburg, Krefeld, Mönchengladbach, Mühlheim a. d. Ruhr, Oberhausen Remscheid, Solingen und Wuppertal sowie der Kreise Kleve, Mettmann, Neuss, Viersen und Wesel
- 5879 Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3 für das Gebiet der kreisfreien Städte Bochum, Bottrop, Dortmund, Essen, Gelsenkirchen und Herne sowie der Kreise Recklinghausen und Unna
- 50667 Köln, Appellhofplatz für das Gebiet der kreisfreien Städte Bonn, Köln und Leverkusen sowie des Rhein-Erft-Kreises, des Oberbergischen Kreises, des Rheinisch-Bergischen Kreises und des Rhein-Sieg-Kreises
- 32389 Minden, Königswall 8 für das Gebiet der kreisfreien Stadt Bielefeld sowie der Kreise Gütersloh, Herford, Höxter, Lippe, Minden-Lübbecke und Paderborn
- 48147 Münster, Piusallee 38 für das Gebiet der kreisfreien Stadt Münster sowie der Kreise Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf
Die Klage muss die Klägerin oder den Kläger, die Beklagte oder den Beklagten (Land Nordrhein-Westfalen) und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, der angefochtene Bescheid soll in Urschrift oder in Abschrift beigefügt werden. Der Klage und allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
4
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Dieser Beschluss tritt rückwirkend am 13. April 2022 in Kraft. Er gilt bis zur Feststellung einer grundlegenden Verbesserung der Versorgungslage, maximal jedoch bis zum Ablauf des 13. April 2023.
- MBl. NRW. 2022 S. 688