Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2022 Nr. 43 vom 21.12.2022 Seite 1019 bis 1032
Regelung zum Einsatz von Luftfahrzeugen im Rettungsdienst |
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zugehörige Anlagen : |
Regelung zum Einsatz von Luftfahrzeugen im Rettungsdienst
2129
Regelung zum Einsatz von
Luftfahrzeugen
im Rettungsdienst
Runderlass
des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Vom 7. Dezember 2022
1
Allgemeines
Gemäß § 10 des Rettungsgesetzes NRW vom 24. November 1992 (GV. NRW. S. 458), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. Dezember 2015 (GV. NRW. S. 886) geändert worden ist, legt das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern und nach Anhörung der kommunalen Spitzenverbände und der Landesverbände der Krankenkassen, der Verbände der Ersatzkassen und des Landesausschusses des Verbandes der privaten Krankenversicherungen sowie des Landesverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften den Standort der Luftfahrzeuge des Rettungsdienstes und deren regelmäßigen Einsatzbereich fest.
Quantitative Planungsgrundlage für die weiteren Bestimmungen dieses Erlasses, insbesondere zur Anzahl der vorzuhaltenden Luftrettungsmittel und ihrer örtlichen Verteilung, ist der Luftrettungsbedarfsplan des Landes Nordrhein-Westfalen. Er ist als Anlage beigefügt und hat den Charakter einer gutachterlichen Stellungnahme ohne eigene Rechtswirkung (Anlage 1). Die Bestimmungen dieses Erlasses gehen dem Luftrettungsbedarfsplan vor.
1.1
Luftfahrzeuge des Rettungsdienstes
Luftfahrzeuge des Rettungsdienstes, im Folgenden Luftrettungsmittel, sind:
a) Rettungshubschrauber nach Nummer 2, im Folgenden RTH, und
b) Intensivtransporthubschrauber nach Nummer 3, im Folgenden ITH.
1.2
Ausstattung, Ausrüstung und Wartung
Luftrettungsmittel müssen gemäß § 3 Absatz 4 des Rettungsgesetzes NRW in ihrer Ausstattung, Ausrüstung und Wartung den allgemein anerkannten Regeln von Medizin, Technik und Hygiene entsprechen. Die jeweils geltenden luftrechtlichen Vorschriften, DIN-Normen und die entsprechenden EU-Rechtsnormen sind zu beachten.
1.3
Rettungsdienstliches Personal
Die Anforderungen an das rettungsdienstliche Personal sind von der Einsatzart, also Notfallrettung oder qualifizierter Krankentransport unter intensivmedizinischen Bedingungen, abhängig. Luftrettungsmittel sind in der Notfallrettung mindestens mit einer Notärztin oder einem Notarzt im Sinne des Rettungsgesetzes NRW mit der Zusatzbezeichnung „Notfallmedizin“ und einer Rettungsassistentin oder einem Rettungsassistenten beziehungsweise einer Notfallsanitäterin oder einem Notfallsanitäter zu besetzen. § 4 Absatz 7 des Rettungsgesetzes NRW gilt entsprechend. Für Intensivtransporte dürfen nur Notärztinnen und Notärzte eingesetzt werden, die eine dreijährige klinische Weiterbildung in einem Fachgebiet mit intensivmedizinischen Versorgungsaufgaben, sowie zusätzlich sechs Monate Vollzeittätigkeit auf einer Intensivstation eines Krankenhauses und die Teilnahme am Kurs „Intensivtransport“ gemäß der Empfehlung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, der von einer Ärztekammer zertifiziert ist, nachweisen können.
Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten beziehungsweise Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter haben eine Praxiserfahrung von mindestens 200 Einsätzen, mindestens der Kategorie NACA IV des National Advisory Committee for Aeronautics-Scoring Systems, eine mindestens fünfjährige Praxiserfahrung als Transportführerin beziehungsweise Transportführer auf einem Rettungswagen oder auf einem arztbesetzten Rettungsmittel (Notarztwagen/Notarzteinsatzfahrzeug/Intensivtransportwagen) und darüber hinaus die Erfüllung der Anforderungen an ein Helicopter Emergency Medical Service-Technisches Besatzungsmitglied (HEMS TC) gemäß der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 der Kommission vom 5. Oktober 2012 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf den Flugbetrieb gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 296 vom 25.10.2012, S. 1), die zuletzt durch Durchführungsverordnung (EU) 2022/790 der Kommission vom 19. Mai 2022 (ABl. L 141 vom 20.5.2022, S. 13) geändert worden ist, nachzuweisen. Die Anforderungen über die Praxiserfahrung gilt nicht für Personal, das vor dem Inkrafttreten dieses Erlasses regelmäßig auf einem Luftrettungsmittel in Nordrhein-Westfalen eingesetzt wurde.
Für alle Besatzungsmitglieder bei medizinischen Notfalleinsätzen mit Luftrettungsmitteln gilt der von den Fluggerätebetreibern Bundespolizei, ADAC-Luftrettung gGmbH und DRF Stiftung Luftrettung gemeinnützige AG gemeinsam erarbeitete Einweisungsplan in der jeweils geltenden Fassung.
1.4
Genehmigungsinhaber und Verwaltungshelfer
Genehmigungsinhaber mit einer Genehmigung nach § 25 in Verbindung mit den §§ 17 bis 24 des Rettungsgesetzes NRW dürfen dann nicht als Verwaltungshelfer berücksichtigt werden, wenn der Einsatzbereich des Verwaltungshelfers und der Bereich, auf den sich die Genehmigung erstreckt, identisch sind. Aufgrund der besonderen qualitativen sowie wirtschaftlichen Anforderungen an die Luftrettung ist vor einer Genehmigungserteilung insbesondere § 19 Absatz 4 des Rettungsgesetzes NRW zu beachten. Grundlage der Prüfung ist der Luftrettungsbedarfsplan in der jeweils geltenden Fassung (Anlage 1).
2
Rettungshubschrauber
RTH sind Luftrettungsmittel mit regelmäßigen Einsatzbereichen, die sowohl Versorgungs- als auch Transportfunktionen übernehmen.
2.1
Versorgungsfunktion
Der RTH dient der Zubringung der Notärztin oder des Notarztes. Er soll eingesetzt werden, wenn
a) der bodengebundene Rettungsdienst nicht ausreicht, zum Beispiel bei mehreren Notfallpatientinnen oder -patienten, oder nicht verfügbar ist oder
b) sein Einsatz einen medizinisch relevanten Zeitvorteil gegenüber dem verfügbaren bodengebundenen Rettungsmittel bringt oder
c) bereits das Meldebild Rückschlüsse auf entsprechend schwer verletzte oder erkrankte Patientinnen und Patienten zulässt, wie beispielsweise bei Unfällen mit großer Geschwindigkeit, oder
d) aufgrund der Situation an der Einsatzstelle eine Nachforderung medizinisch notwendig ist oder
e) der RTH-Einsatz zur Einhaltung der durch Leitlinien von anerkannten medizinischen Fachgesellschaften vorgegebenen Zeiten erforderlich ist.
2.2
Transportfunktion
Der RTH soll eingesetzt werden, wenn
a) die Notfallpatientin beziehungsweise der Notfallpatient zur Behandlung in eine geeignete Klinik transportiert werden muss, die durch ein Rettungsmittel des bodengebundenen Rettungsdienstes nicht oder nicht in vertretbarer Zeit erreicht werden kann, oder
b) auf Grund des Meldebildes damit zu rechnen ist, dass die Beförderung mit einem RTH medizinisch vorteilhaft ist, zum Beispiel bei Schwerbrandverletzten und Wirbelsäulenverletzung oder schneller zu einer definitiven klinischen Versorgung führt oder
c) eine notärztlich begleitete Beförderung von medizinisch erstversorgten Patientinnen und Patienten aus einem Krankenhaus in eine andere Einrichtung erforderlich ist, beispielsweise ein dringender Sekundärtransport bei Hirnverletzungen.
2.2.1
Transportkategorien
Sekundäreinsätze nach Nummer 2.2 soll ein RTH nur bei notfallmäßigen medizinischen Transportindikationen der Kategorien A und B durchführen. Disponible Verlegungstransporte der Kategorien C und D sollen durch einen ITH erfolgen.
Transporte der Kategorie A „sofort“ erfordern einen Transportbeginn innerhalb von 30 Minuten beziehungsweise schnellstmöglich nach Einsatzanforderung.
Transporte der Kategorie B „dringlich“ erfordern einen Transportbeginn innerhalb von maximal 2 Stunden nach Einsatzanforderung.
Disponible Verlegungstransporte der Kategorie C erfordern einen Transportbeginn innerhalb von 2 bis 24 Stunden nach Einsatzanforderung.
Disponible Verlegungstransporte der Kategorie D erfordern einen Transportbeginn später als 24 Stunden nach Einsatzanforderung.
2.3
Sonstige Einsatzmöglichkeiten
Der RTH kann auch ohne Notarztindikation eingesetzt werden, wenn die Rettung von Personen aus Lebensgefahr notwendig ist oder bei besonders dringlichen Transporten von speziellem ärztlichen Personal, Organen, Blutkonserven und Arzneimitteln sowie Medizinprodukten zur Versorgung lebensbedrohter Patientinnen und Patienten. § 2 Absatz 5 des Rettungsgesetzes NRW gilt entsprechend. Die Regelungen gemäß Nummer 4 dieses Erlasses bleiben unberührt.
2.4
Standorte und Kernträger der RTH
Standorte der RTH sind Bielefeld, Duisburg, Köln, Lünen, Rheine, Siegen und Würselen. Für die Standorte Bielefeld, Duisburg und Köln ist Kernträger die jeweilige Stadt und für die Standorte Lünen, Rheine, Siegen und Würselen ist Kernträger der jeweilige Kreis. Der Kernträger ist zuständig für die Auswahl des Fluggerätebetreibers und des rettungsdienstlichen Personals sowie für die Gewährleistung der Qualitätssicherung der übertragenen Luftrettungsaufgaben.
2.5
Einsatzbereiche
Der Einsatzradius eines RTH für Versorgungsaufgaben nach Nummer 2.1 beträgt grundsätzlich bis zu 70 Kilometer vom Standort.
2.5.1
RTH-Standort Bielefeld (Christoph 13)
Zum regelmäßigen Einsatzbereich des RTH am Standort Bielefeld gehören die kreisfreie Stadt Bielefeld sowie die Kreise Gütersloh, Herford, Höxter, Lippe, Minden-Lübbecke und Paderborn.
2.5.2
RTH-Standort Duisburg (Christoph 9)
Zum regelmäßigen Einsatzbereich des RTH am Standort Duisburg gehören die kreisfreien Städte Bottrop, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Krefeld, Mönchengladbach, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen und Wuppertal sowie die Kreise Kleve, Viersen und Wesel sowie die Städte beziehungsweise Gemeinden Erkrath, Gladbeck, Heiligenhaus, Jüchen, Kaarst, Korschenbroich, Meerbusch, Mettmann, Neuss, Ratingen, Velbert und Wülfrath.
2.5.3
RTH-Standort Lünen (Christoph 8)
Zum regelmäßigen Einsatzbereich des RTH am Standort Lünen gehören die kreisfreien Städte Bochum, Dortmund, Hagen, Hamm und Herne sowie die Kreise Ennepe-Ruhr-Kreis, Märkischer Kreis (mit Ausnahme der Städte beziehungsweise Gemeinden Herscheid, Kierspe, Meinerzhagen und Plettenberg), Coesfeld, Recklinghausen (mit Ausnahme der Stadt Gladbeck), Soest, Unna und Warendorf sowie die Städte beziehungsweise Gemeinden Arnsberg, Bestwig, Brilon, Marsberg, Meschede und Olsberg.
2.5.4
RTH-Standort Rheine (Christoph Europa 2)
Zum regelmäßigen Einsatzbereich des RTH am Standort Rheine gehören die kreisfreie Stadt Münster sowie die Kreise Borken und Steinfurt sowie die Gebiete der zu Niedersachsen gehörenden Kreise Grafschaft Bentheim, Emsland und Osnabrück sowie angrenzende Gebiete in den Niederlanden.
2.5.5
RTH-Standort Siegen (Christoph 25)
Zum regelmäßigen Einsatzbereich des RTH am Standort Siegen gehören die Kreise Olpe und Siegen-Wittgenstein sowie die Städte beziehungsweise Gemeinden Bergneustadt, Eslohe, Hallenberg, Herscheid, Kierspe, Medebach, Meinerzhagen, Morsbach, Nümbrecht, Plettenberg, Reichshof, Schmallenberg, Sundern, Waldbröl, Windeck und Winterberg.
2.5.6
RTH-Standort Köln (Christoph 3)
Zum regelmäßigen Einsatzbereich des RTH am Standort Köln gehören die kreisfreien Städte Bonn, Köln, Leverkusen, Remscheid und Solingen sowie die Kreise Rheinisch-Bergischer Kreis, Rhein-Sieg-Kreis (mit Ausnahme der Gemeinde Windeck) sowie die Städte beziehungsweise Gemeinden Bad Münstereifel, Bergheim, Brühl, Dormagen, Engelskirchen, Erftstadt, Euskirchen, Frechen, Grevenbroich, Gummersbach, Haan, Hilden, Hückeswagen, Hürth, Kerpen, Langenfeld, Lindlar, Marienheide, Monheim, Pulheim, Radevormwald, Rommerskirchen, Weilerswist, Wesseling, Wiehl und Wipperfürth.
2.5.7
RTH-Standort Würselen (Christoph Europa 1)
Zum regelmäßigen Einsatzbereich des RTH am Standort Würselen gehören die kreisfreie Stadt Aachen sowie die Städteregion Aachen und die Kreise Düren und Heinsberg sowie die Städte beziehungsweise Gemeinden Bedburg, Blankenheim, Dahlem, Elsdorf, Hellenthal, Kall, Mechernich, Nettersheim, Schleiden und Zülpich. Zum Einsatzbereich gehören außerdem auch angrenzende Gebiete in Belgien und in den Niederlanden.
2.6
Nachbarliche Hilfe
Abweichungen in angrenzenden Gebieten der Kreise und kreisfreien Städte regeln
die Trägergemeinschaften im Rahmen der nachbarlichen Hilfe nach § 8 Absatz 2 des
Rettungsgesetzes NRW.
2.7
Trägergemeinschaften und Rolle der Bezirksregierung
Können sich die Trägergemeinschaften im Sinne des § 10 Absatz 2 des Rettungsgesetzes NRW nicht einigen, so trifft die Bezirksregierung, in deren Bereich der Kernträger seinen Sitz hat, als zuständige Aufsichtsbehörde die Entscheidung.
2.8
RTH-Leitstelle und Alarmierung
Zuständig für die Disposition und Alarmierung des RTH ist die jeweilige Leitstelle des Kernträgers, an die auch die Einsatzanforderungen gerichtet werden (Anlage 2). Die Lenkung des Einsatzes obliegt der jeweils einsatzführenden Leitstelle gemäß § 7 Absatz 1 des Rettungsgesetzes NRW. Lageveränderungen beziehungsweise Parameter der Einsatzabwicklung und das Transportziel werden der Leitstelle des Kernträgers zur weiteren Disposition des RTH mitgeteilt. Sofern vorhanden, soll mittels (webbasierter) Software zur Einsatzvorbereitung durch die einsatzführende Leitstelle eine Vorinformation des Hubschraubers erfolgen. Die Nutzung eines einheitlichen Systems sowie die Implementierung erforderlicher Schnittstellen dieser Software zum Einsatzleitsystem sind anzustreben. Die Einsatzentscheidung sowie die Freigabe und die Alarmierung erfolgt durch die RTH-Leitstelle.
Die Leitstellen sollen eine Schnittstelle zum Einsatzleitsystem implementieren, damit eine automatisierte Übertragung der GPS-gestützten Daten von Leitrechner zu Leitrechner von der einsatzführenden Leitstelle an die hubschrauberführende Leitstelle möglich ist.
Bei Primäreinsätzen ist grundsätzlich das nächste und geeignete öffentliche Luftrettungsmittel, RTH oder ITH, zu entsenden. Die Anforderung kann hierbei von der einsatzführenden Leitstelle direkt bei der für das entsprechende Luftrettungsmittel zuständigen Leitstelle außerhalb des eigenen Kernträgerbereichs erfolgen.
Ein Luftrettungsmittel eines Unternehmers, der eine Genehmigung nach § 25 des Rettungsgesetzes NRW in Verbindung mit den §§ 17 bis 24 des Rettungsgesetzes NRW besitzt, kann durch die ITH-Leitstellen subsidiär zu einem Primäreinsatz alarmiert werden, wenn es im konkreten Einzelfall einen wesentlichen und einsatzrelevanten Zeitvorteil gegenüber dem nächsten öffentlichen Luftrettungsmittel hat.
Ergänzend kann subsidiär durch die ITH-Leitstelle auch ein Search-And-Rescue Hubschrauber (SAR) der Bundeswehr mit Notärztin oder Notarzt, sofern dieser gegenüber den ITH-Leitstellen als einsatzbereit gemeldet ist, zu einem Primäreinsatz alarmiert werden. Die weiteren Regelungen dieses Erlasses zur Einsatzbereitschaft sowie zur Besetzung der Luftrettungsmittel bleiben unberührt.
2.9
Einsatzbereitschaft
Die Einsatzbereitschaft des RTH beginnt bei Sonnenaufgang, in der Regel frühestens um 7 Uhr und endet bei Sonnenuntergang. Während dieser Zeitspanne müssen der RTH und das rettungsdienstliche Personal ständig für Rettungseinsätze bereitstehen und spätestens 2 Minuten nach Alarmierung abflugbereit sein.
Für die Versorgung mit Leistungen der Luftrettung in den Nachtstunden ist Nummer 3.6 zu beachten.
2.10
Einsatzentscheidung
Vor Einsatzanforderung eines Luftrettungsmittels für die Notfallrettung prüft die einsatzführende Leitstelle, ob der Einsatz eines geeigneten bodengebundenen Rettungsmittels ausreicht oder ob nach dem Meldebild der Einsatz eines RTH Vorteile für die Patientenversorgung bietet.
Die RTH-Leitstelle prüft, ob der eigene RTH verfügbar ist. Soweit der eigene RTH nicht verfügbar ist, stimmt die angefragte RTH-Leitstelle die Alarmierung des nächstmöglichen RTH mit der einsatzführenden Leitstelle ab. Im Regelfall organisiert die angefragte RTH-Leitstelle den nächstmöglichen RTH, sofern im Einzelfall nichts Anderes abgestimmt wird. Der einsatzführenden Leitstelle ist mitzuteilen, welcher RTH den Einsatz durchführt.
2.11
Einsatzabwicklung
Die Besatzung des RTH nimmt nach dem Start schnellstmöglich Verbindung mit der einsatzführenden Leitstelle auf und teilt die voraussichtliche Ankunftszeit mit. Ist die Besatzung auf eine Einweisung am Landeplatz angewiesen, nimmt sie mit den Einsatzkräften vor Ort Kontakt auf. Der Kontakt erfolgt jeweils über die im aktuellen Digitalfunknutzungskonzept des Landes vorgesehene Rufgruppe.
Die Notärztin oder der Notarzt, die oder der zuerst am Notfallort eintrifft, ist für die medizinische Leitung des Einsatzes verantwortlich und nimmt mit der Besatzung des gleichfalls eingesetzten Rettungsmittels unmittelbar oder über die einsatzführende Leitstelle Verbindung wegen des möglichen Einsatzes weiterer Rettungsmittel auf.
Werden Patientinnen und Patienten mit dem RTH befördert, entscheidet die Notärztin oder der Notarzt des RTH im Benehmen mit der einsatzführenden Leitstelle, welches Krankenhaus anzufliegen ist. Liegt das Zielkrankenhaus im Zuständigkeitsbereich der einsatzführenden Leitstelle, benachrichtigt diese auch das Krankenhaus. Liegt das Zielkrankenhaus außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der einsatzführenden Leitstelle, informiert sie die für das Zielkrankenhaus zuständige Leitstelle, die ihrerseits das Zielkrankenhaus über den Anflug des RTH informiert.
Verlässt der RTH den Funkkreis der einsatzführenden Leitstelle, so meldet er sich bei ihr ab und nimmt umgehend Kontakt zu der zuständigen Leitstelle des Zielkrankenhauses auf.
Nach Übergabe der Patientin beziehungsweise des Patienten erfolgt schnellstmöglich die Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft. Die Einsatzbereitschaft ist der hubschrauberführenden Leitstelle umgehend mitzuteilen.
3
Intensivtransporthubschrauber
ITH sind Luftrettungsmittel mit regelmäßigen Einsatzbereichen, die für Intensivtransportflüge und für sonstige Transporte über größere Entfernungen einschließlich der Spezialtransporte, zum Beispiel mit Inkubator oder bei extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO), bestimmt sind. Sie sollen anstelle des RTH eingesetzt werden, wenn der RTH nicht geeignet ist oder wenn es sich um das nächste geeignete Luftrettungsmittel handelt. Nummer 2.2.1 und 2.8 gelten entsprechend.
3.1
Voraussetzungen für Intensivtransportflüge
ITH sind grundsätzlich vorzusehen, wenn Patientinnen und Patienten auf Grund ärztlicher Indikation auf dem Luftweg verlegt werden müssen. Dies ist insbesondere notwendig, wenn
a) eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich ist und die Transportzeit wesentlich minimiert werden muss oder
b) der Transport auf Grund der medizinischen Erfordernisse nicht mit einem bodengebundenen Rettungsmittel erfolgen kann.
3.2
Standorte und Kernträger der ITH
Standorte der ITH sind Dortmund, Greven und Köln. Für den Standort Dortmund ist Kernträger die Stadt Dortmund, für den Standort Greven ist Kernträger der Kreis Steinfurt und für den Standort Köln ist Kernträger die Stadt Köln. Der Kernträger ist zuständig für die Auswahl des Fluggerätebetreibers und des rettungsdienstlichen Personals sowie für die Gewährleistung der Qualitätssicherung der übertragenen Luftrettungsaufgaben.
3.3
Trägergemeinschaften und Rolle der Bezirksregierung
Sofern sich Trägergemeinschaften nicht einigen können, gilt Nummer 2.7 entsprechend.
3.4
Einsatzbereiche
Einsatzbereich der ITH ist grundsätzlich Nordrhein-Westfalen, die angrenzenden Bundesländer Niedersachsen, Hessen und Rheinland- Pfalz sowie die angrenzenden Gebiete in den Niederlanden und Belgien. Der Einsatzbereich für den ITH am Standort Greven ist vorwiegend der Landesteil Westfalen-Lippe, für den ITH am Standort Köln vorwiegend der Landesteil Rheinland und für den ITH am Standort Dortmund das Ruhrgebiet und das Sauerland.
3.4.1
ITH-Standort Köln (Christoph Rheinland)
Zum regelmäßigen Einsatzbereich des ITH am Standort Köln gehören die Kreise Düren, Euskirchen, Heinsberg, Kleve, Mettmann, Rhein-Kreis Neuss, Oberbergischer Kreis, Rheinisch-Bergischer Kreis, Rhein-Erft-Kreis, Rhein-Sieg-Kreis, Viersen, Wesel und die Städteregion Aachen sowie die kreisfreien Städte Aachen, Bonn, Bottrop, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Köln, Krefeld, Leverkusen, Mönchengladbach, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen, Remscheid, Solingen und Wuppertal sowie die Städte beziehungsweise Gemeinden Attendorn, Bad Laasphe, Burbach, Drolshagen, Erndtebrück, Freudenberg, Hilchenbach, Kirchhundem, Kreuztal, Netphen, Neunkirchen, Olpe, Siegen, Wenden und Wilnsdorf.
3.4.2
ITH-Standort Greven (Christoph Westfalen)
Zum regelmäßigen Einsatzbereich des ITH am Standort Greven gehören die Kreise Borken, Coesfeld, Gütersloh, Herford, Höxter, Lippe, Minden-Lübbecke, Paderborn, Steinfurt und Warendorf sowie die kreisfreien Städte Münster, Bielefeld und Hamm sowie die Städte beziehungsweise Gemeinden Anröchte, Bad Sassendorf, Erwitte, Geseke, Heiden, Lippetal, Lippstadt, Rüthen, Warstein und Welver.
3.4.3
ITH-Standort Dortmund (Christoph Dortmund)
Zum regelmäßigen Einsatzbereich des ITH am Standort Dortmund gehören die Kreise Ennepe-Ruhr-Kreis, Hochsauerlandkreis, Märkischer Kreis, Recklinghausen und Unna sowie die kreisfreien Städte Bochum, Dortmund, Gelsenkirchen, Hagen und Herne sowie die Städte beziehungsweise Gemeinden Bad Berleburg, Ense, Finnentrop, Lennestadt, Möhnesee, Soest, Werl und Wickede.
3.5
Weitere Einsatzmöglichkeiten
ITH sollen anstelle des RTH eingesetzt werden, wenn
a) der RTH medizinisch oder logistisch nicht geeignet ist,
b) der für den Bereich zuständige RTH nicht verfügbar ist, der Einsatz des ITH gegenüber dem Einsatz eines RTH einen zeitlichen Vorteil für die Patientin beziehungsweise den Patienten bedeutet oder der ITH vor dem bodengebundenen notarztbesetzten Rettungsmittel am Notfallort verfügbar wäre, oder
c) gemäß Nummer 2.2.1 bei Transportflügen kein Einsatz eines RTH in Betracht kommt, also disponible Verlegungstransporte der Kategorien C und D.
3.6
Einsatzbereitschaft
Die ITH sind bei Sekundäreinsätzen spätestens innerhalb von 10 Minuten nach Alarmierung am Standort abflugbereit. Im Falle von Primäreinsätzen sind die ITH bereits innerhalb von 2 Minuten nach Alarmierung am Standort abflugbereit. Soweit es die technische Ausrüstung, die Standortvoraussetzungen und die personelle Qualifikation zulassen, können ITH für Primär- und Sekundäreinsätze auch noch im Bereich einer zeitlichen Randzonenerweiterung eingesetzt werden, mindestens aber ist von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang der ITH am Standort Greven innerhalb von 20 Minuten abflugbereit vorzuhalten.
Zusätzlich zum ITH am Standort Greven sollen im Rahmen einer Pilotierung der ITH am Standort Köln sowie der ITH am Standort Dortmund auch Primär- und Sekundäreinsätze in der Nacht absolvieren. Die entsprechenden Kernträger werden gebeten, die notwendigen Voraussetzungen für eine 24-Stunden-Vorhaltung zu prüfen und, soweit möglich, zu schaffen. Soweit ein Kernträger die Voraussetzungen für die Nachtflugrettung nicht erfüllen kann, legt das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium alternative Standorte fest.
3.7
Einsatzanforderung
Sofern der Einsatz eines RTH nicht in Betracht kommt, werden diese Einsatzanforderungen ebenso wie für Intensivtransportflüge grundsätzlich an die ITH-Leitstellen Köln oder Steinfurt gerichtet (Anlage 3). Krankenhäuser mit intensivmedizinischem Transportbedarf aus dem regelmäßigen Einsatzbereich richten Einsatzanforderungen mittels Anforderungsformular direkt an die für die Disponierung der ITH zuständigen ITH-Leitstellen Köln oder Steinfurt (Anlage 4). Die jeweilige ITH-Leitstelle entscheidet über die Wahl des Einsatzmittels (RTH oder ITH) und unterrichtet die zuständige RTH-Leitstelle über die intensivmedizinisch relevanten Einsätze, wenn ein ITH nicht in Betracht kommt. Sollte ein luftgebundener Transport nicht in Betracht kommen oder aus medizinischen Gründen nicht erforderlich sein, so übergibt die ITH-Leitstelle den Einsatz an die örtlich zuständige Leitstelle.
Sollte ein bodengebundener Transport zwischen Landeplatz und Krankenhaus notwendig sein, ist die örtlich zuständige Leitstelle hierüber frühzeitig zu informieren.
Die Leitstelle Steinfurt übernimmt auch die Disponierung für den ITH am Standort Dortmund.
4
Einsatz von Luftrettungsmitteln bei außergewöhnlichen
Schadensereignissen, Großeinsatzlagen und Katastrophen
Für Großeinsatzlagen und Katastrophen, bei denen eine überörtliche Koordinierung für den Einsatz von Luftrettungsmitteln verzugslos erforderlich wird, verfügt die SAR-Leitstelle (Land) der Bundeswehr in Münster über die Fähigkeit zur vorübergehenden Übernahme dieser Koordinierungsaufgabe.
Die zuständige Leitstelle des Kernträgers eines RTH kann bei Bedarf die SAR-Leitstelle im Rahmen der Amtshilfe um Übernahme der Koordinierung der Luftrettungsmittel bitten und teilt dies gleichzeitig dem örtlichen Krisenstab respektive der Einsatzleitung mit. Die zuständige Leitstelle des Kernträgers ist gleichzeitig erste Ansprechpartnerin der SAR-Leitstelle in allen fachlichen Fragen.
Zur Koordination und Führung der eingesetzten Luftrettungsmittel wird durch die SAR-Leitstelle eine einheitliche Flugfunkfrequenz festgelegt. Diese Frequenz wird der zuständigen Leitstelle des Kernträgers zur Übermittlung an alle in Betracht kommenden öffentlichen und genehmigten privaten Luftrettungsmittel im zivilen Bereich mitgeteilt.
Sofern sich aus aktuellem Anlass Veränderungen bei der Nutzung von Landemöglichkeiten gegenüber der Vorplanung ergeben, sind diese seitens der Leitstelle für den Brandschutz, die Hilfeleistung, den Katastrophenschutz und den Rettungsdienst der Kreise und kreisfreien Städte an die SAR-Leitstelle zu melden.
Im Übrigen können, in Abstimmung mit dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerium, RTH und ITH auf Weisung des für das Innere zuständige Ministerium oder einer Bezirksregierung in Großeinsatzlagen und in Katastrophen eingesetzt werden.
Der Einsatz der Zivilschutz-Hubschrauber des Bundes, im Folgenden ZSH, richtet sich nach den Vorgaben der Zuweisungsverfügung des Bundes.
Bei einer Verwendung der ZSH im Zivil- oder Katastrophenschutz ist der Kernträger möglichst über die voraussichtliche Einsatzzeit zu informieren. Bei einer länger andauernden Abwesenheit eines ZSH für Belange des Zivil- oder Katastrophenschutzes ist die Aufrechterhaltung der Luftrettung im Einsatzbereich soweit wie möglich durch den Kernträger konzeptionell vorzuplanen und in Abstimmung mit den übrigen Kernträgern sicherzustellen.
5
Erfahrungsberichte und Einsatzstatistiken
Zur Dokumentation der Leistungen in der Luftrettung und zur fortlaufenden Bedarfsanalyse verwenden die Kernträger den Vordruck „Auswertung Einsatzstatistik“ (Anlage 5). Die Datensätze sind der jeweiligen Bezirksregierung jährlich vorzulegen. Die Bezirksregierungen berichten dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerium über Einsätze und Auslastung der RTH und ITH, einschließlich der Einsatzdaten der genehmigten Luftfahrtunternehmen, ebenfalls jährlich zum 15. Mai (Anlage 5).
Zur ergänzenden Dokumentation der Leistungen in der Luftrettung verwenden die Kernträger den bundeseinheitlichen Datensatz „Luftrettung“. Die Datensätze sind dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerium jährlich zum 15. Mai über die jeweilige Bezirksregierung vorzulegen.
6
Bedarfsplanung und Evaluation
Der Bedarfsplan ist erstmalig fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Erlasses zu überprüfen. Danach erfolgt die Überprüfung bedarfsweise, spätestens jedoch nach zehn Jahren.
Binnen fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Erlasses soll die Pilotierung des Nachtflugbetriebs gemäß Nummer 3.6 evaluiert und die Bedarfsgerechtigkeit der diesbezüglichen Vorhaltung überprüft werden.
7
Anlagen
Die Anlagen werden aufgrund des Umfangs nicht abgedruckt und sind im Service-Portal recht.nrw.de als Anlage zu dieser Veröffentlichung einsehbar.
8
Inkrafttreten
Dieser Runderlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt der Runderlass Regelung zum Einsatz von Luftfahrzeugen im Rettungsdienst vom 25. Oktober 2006 (MBl. NRW. S. 781), der durch Runderlass vom 8. Februar 2011 (MBl. NRW. S. 249) geändert worden ist, außer Kraft.
- MBl. NRW. 2022 S. 1020