Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2024 Nr. 26 vom 6.8.2024 Seite 835 bis 882
Runderlass über Anforderungen zum Hochwasserschutz und der Starkregenvorsorge bei Abwasseranlagen (Hochwasserschutz Abwasseranlagen) |
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Runderlass über Anforderungen zum Hochwasserschutz und der Starkregenvorsorge bei Abwasseranlagen (Hochwasserschutz Abwasseranlagen)
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Runderlass
über Anforderungen zum Hochwasserschutz
und der Starkregenvorsorge bei Abwasseranlagen
(Hochwasserschutz Abwasseranlagen)
Runderlass
des Ministeriums für Umwelt,
Naturschutz und Verkehr
Vom 5. Juli 2024
1
Grundsätzliches
1.1
Anlass
Abwasseranlagen nehmen in der Hochwasservorsorge einen besonderen Stellenwert ein, da durch vom Hochwasser geflutete Abwasseranlagen eine direkte Gefährdung tiefliegender Gebiete erfolgen kann. Neben diesen unmittelbaren Hochwassergefahren können hochwasserbedingte Betriebsstörungen der Abwasserableitung und -behandlung zu Umweltbeeinträchtigungen führen. Bauwerke und Infrastrukturen können gefährdet beziehungsweise geschädigt werden.
Das Extremwetterereignis im Juli 2021 hat in mehreren Landesteilen von Nordrhein-Westfalen in besonderer Weise - verbunden mit einem daraus entstandenen Hochwasser an den Gewässern und ihren Verläufen - aufgezeigt, dass weitergehende Schutz- beziehungsweise Vorsorgemaßnahmen auch für Bauwerke mit infrastruktureller Bedeutung erforderlich sind. Zusätzlich zur gewässerseitigen Hochwassergefährdung rücken die durch Starkregen erzeugten Überflutungen zunehmend mit in den Fokus der zu berücksichtigenden Schutzvorkehrungen.
Neben technischen und baulichen Maßnahmen zur Hochwasservorsorge an Abwasseranlagen kommt organisatorischen und konzeptionellen Regelungen zur Vorbereitung auf ein zu bewältigendes Hochwasserereignis eine hohe Bedeutung zu. Die Erstellung eines „Konzeptes zum Schutz der Abwasseranlagen vor Hochwasser und Starkregen (Schutzkonzept)“ mit der Vorhaltung von beispielsweise Maschinen, Geräten sowie Einrichtungs- und Schutzgegenständen stellt dabei die Grundlage für einen zeitlich möglichst langen funktionalen Betrieb der Abwasseranlage beziehungsweise Abwasseranlagen im Hochwasserfall dar. Sofern ein Hochwasserereignis droht, Anlagen oder Anlagenteile zu überfluten, sind Maßnahmen aus dem vorbereiteten Krisenmanagement unverzüglich einzuleiten, um Gefährdungen für Mensch und Umwelt möglichst gering zu halten und eine Wiederinbetriebnahme der Abwasseranlagen kurzfristig gewährleisten zu können. Konkrete Regelungen zum Krisenmanagement werden mit diesem Erlass nicht getroffen.
1.2
Zielrichtung und Rechtsgrundlagen
Basierend auf den bestehenden Regelungen im Landeswassergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1995 (GV. NRW. S. 926) in der jeweils geltenden Fassung, im Folgenden LWG, soll der Schutz vor Hochwasser- und Starkregenereignissen für Kläranlagen, Kanalisationen und weiteren Abwasseranlagen erweitert und landesweit vereinheitlicht werden. Die Errichtung von Kläranlagen sowie weiterer dazugehöriger Abwasseranlagen erfolgte in der Vergangenheit gewässernah, so dass sich diese Anlagen häufig in Überschwemmungsgebieten befinden.
Darüber hinaus können Abwasseranlagen durch Überschwemmungen in Folge von Starkregen betroffen sein.
Für Abwasseranlagen in festgesetzten Überschwemmungsgebieten gibt § 84 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 LWG vor, dass diese entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik hochwassersicher zu errichten und zu betreiben sind. Vorhandene Anlagen sind bis zum 31. Dezember 2027 nachzurüsten. Gemäß § 83 Absatz 3 LWG ist die Vorschrift in vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten entsprechend anzuwenden.
Der Begriff der Abwasseranlage in § 84 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 LWG umfasst nicht nur Abwasserbehandlungsanlagen im Sinne von § 43 LWG, sondern alle Anlagen, die der Abwasserbeseitigung gemäß § 54 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 22. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 409) geändert worden ist, im Folgenden WHG, dienen.
Aber auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 84 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 LWG gilt gemäß § 55 Absatz 1 WHG der Grundsatz, dass Abwasser so zu beseitigen ist, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Hieraus ergibt sich das generelle Erfordernis, Abwasseranlagen so zu errichten, zu unterhalten und zu betreiben, dass sie gegen überschwemmungsbedingte Gefahren angemessen abgesichert sind. Im Zusammenhang mit Überschwemmungsereignissen stehen als potenziell betroffene Schutzgüter des Wohls der Allgemeinheit im Besonderen die menschliche Gesundheit, der Umweltschutz und hygienische Aspekte beziehungsweise die Seuchenabwehr im Fokus.
Um eine handhabbare Verbindlichkeit für Anwender und Vollzugbehörden zu schaffen, ist in Nordrhein-Westfalen die Umsetzung der Regeln der Technik für Abwasseranlagen über § 56 LWG geregelt, wonach insbesondere die über das Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen im Erlasswege eingeführten Regeln der Technik gelten. Auf die technischen Regeln für die Hochwasser- und Starkregensicherheit von Abwasseranlagen wird in diesem Erlass auf Nummer 2.4 hingewiesen.
Hierzu wird ein Schutzziel für ein definiertes Hochwasserereignis oder für eine potenzielle Starkregenbetroffenheit für Abwasserbehandlungsanlagen konkretisiert und auch für weitere Abwasseranlagen werden allgemein geltende technische Regelungen entwickelt (Nummer 3). Die Regelungen sollen durch die Erstellung von Schutzkonzepten (Nummer 5) ergänzt werden.
Die Regelungen dieses Erlasses gelten für kommunale sowie industrielle und gewerbliche Abwasseranlagen (einschließlich Abwasserbehandlungsanlagen) und deren dazugehörige wesentliche Abwasservorbehandlungsanlagen, soweit letztere für die Einhaltung der Anforderungen an die Direkteinleitung relevant sind und in einem der unter den Nummern 2.1 bis 2.3 genannten Gebiete betrieben werden.
Ein Austreten von Abwasser oder wassergefährdenden Stoffen aus Anlagenteilen, die in Verbindung mit einer Abwasseranlage stehen, durch die Einwirkung von Hochwasser oder Starkregen ist in allen Gebieten auch für ein Extremhochwasser (HQextrem) beziehungsweise die seltenen Ereignisse gemäß Anlage 1 so weit wie möglich auszuschließen. Von den Anlagen darf keine Gefahr für die Umwelt ausgehen.
Ausgenommen von den Regelungen dieses Erlasses sind Abwasserbehandlungsanlagen, die keiner wasserrechtlichen Anlagengenehmigung bedürfen und solche Anlagen, die über eine Bauartzulassung verfügen.
Ferner gelten die Regelungen dieses Erlasses nicht für Abwasseranlagen, die auf der Grundlage anderer Technischer Regelungen (beispielsweise der TRAS 310) bereits Maßnahmen zum Hochwasserschutz und zur Starkregenvorsorge getroffen haben, wenn ein vergleichbares Schutzniveau erreicht wird.
2
Anforderungen zur Hochwasser- und Starkregensicherheit
2.1
Abwasseranlagen in Überschwemmungsgebieten
Für Abwasseranlagen in Überschwemmungsgebieten gelten die in der Anlage 2a und 2b bestimmten Schutzziele für den Hochwasserschutz. Sie sind durch bauliche beziehungsweise konstruktive Maßnahmen umzusetzen.
Die Funktion der Abwasseranlagen in diesen Gebieten ist soweit wie möglich, jedoch mindestens für die in der Anlage 2a und 2b, Spalte 2, definierten Schutzziele aufrechtzuerhalten. Für darüberhinausgehende Hochwasserereignisse (> HQ 100) sind weitere Maßnahmen vorzusehen; dies können bauliche und betriebliche Maßnahmen sein, die eine schnellst mögliche Wiederinbetriebnahme nach dem Ereignis sicherstellen (Nummer 2.3).
2.2
Abwasseranlagen in Risikogebieten (Hochwassergefahrenkarten)
Abwasseranlagen, die in einem Risikogebiet nach § 73 WHG (Gebiete mit signifikantem Hochwasserrisiko) liegen, sind gemäß § 75 Absatz 2 WHG mindestens vor einem Hochwasser mittlerer Wahrscheinlichkeit in der Form zu schützen, dass die nachteiligen Folgen verringert werden, soweit dies möglich und verhältnismäßig ist.
Die Gefahren- und Risikokarten gemäß § 74 WHG erfassen Gebiete, die bei folgenden Hochwasserereignissen überflutet werden:
a) HQhäufig: Hochwasser, das im Mittel alle 10 bis 20 Jahre auftritt, also relativ häufig,
b) HQ100: Hochwasser, das im Mittel alle 100 Jahre auftritt (Hochwasser mittlerer Wahrscheinlichkeit) und
c) HQextrem: Extremhochwasser, das im Mittel deutlich seltener als alle 100 Jahre auftritt.
Die Funktion der Abwasseranlagen in Risikogebieten ist soweit wie möglich, jedoch mindestens für die in Anlage 2a und 2b, Spalte 3 und 4 definierten Schutzziele aufrecht zu erhalten. Für darüberhinausgehende Ereignisse (extreme beziehungsweise sehr seltene Ereignisse) sind weitere Maßnahmen vorzusehen; dies können bauliche oder betriebliche Maßnahmen sein, die zumindest eine schnellst mögliche Wiederinbetriebnahme nach dem Ereignis sicherstellen. Weitere Maßnahmen sind in diesem Zusammenhang typischerweise organisatorische Maßnahmen, wie die Erstellung von Notfallplänen oder Maßnahmen des Krisenmanagements.
2.3
Gefährdungen durch Starkregen (Starkregengefahrenkarten der Kommunen und
Starkregenhinweiskarte des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie-BKG)
Darüber hinaus können Abwasseranlagen durch lokale Starkregenereignisse hochwasser- beziehungsweise überflutungsgefährdet sein. Mit Erlass vom 29. Oktober 2021 (Az.: IV-6/IV-7) wurde die Starkregenhinweiskarte des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie, im Folgenden BKG, flächendeckend für Nordrhein-Westfalen eingeführt. Die Starkregenhinweiskarte des BKG (https://geoportal.de/Info/tk_04-starkregengefahrenhinweise-nrw) gibt landesweit Hinweise und Informationen über eine mögliche Gefährdung. Für eine detaillierte Betrachtung und Maßnahmenplanung sind eine regionale Starkregengefahrenkarte und eine Starkregengefahrenanalyse sinnvoll.
Sofern detailliertere kommunale oder regionale Starkregengefahrenkarten vorliegen, sind diese für die Beurteilung des Risikos und der abzuleitenden Maßnahmen zu verwenden.
Werden nach Inkrafttreten dieses Erlasses weitere detaillierte kommunale oder regionale Starkregengefahrenkarten erstellt, gilt für ein anzupassendes Schutzkonzept der gleiche Zeitraum wie bei der Neuerstellung. Sofern bauliche Maßnahmen erforderlich werden, können Umsetzungsfristen gemäß Nummer 7 beantragt werden.
Sind Abwasseranlagen gemäß der Starkregenhinweiskarte des BKG für Nordrhein-Westfalen oder gemäß regionaler oder kommunaler Starkregengefahrenkarten betroffen, so ist durch bauliche oder betriebliche Maßnahmen gemäß Anlage 2a und 2b zumindest eine Gefährdung für Mensch und Umwelt zu vermeiden und eine schnellstmögliche Wiederinbetriebnahme nach dem Ereignis sicherzustellen.
Wenn durch vorangegangene Schadensfälle eine Gefährdung bekannt ist, sind die notwendigen Maßnahmen für Abwasseranlagen im Einzelfall zu identifizieren. Vorangegangene Schadensfälle sind ein Anlass, die Gefährdung durch Modellberechnungen (beispielsweise Niederschlag-Abflussmodell) unter Berücksichtigung historischer Ereignisse zu ermitteln.
2.4
Anforderung gemäß den bereits geltenden technischen Regelwerken
Über
die in diesem Erlass getroffenen Regelungen hinaus sind beispielweise die in
den DWA Merkblättern M-103 „Hochwasserschutz für Abwasseranlagen“, M-118 „Bewertung der
hydraulischen Leistungsfähigkeit von Entwässerungssystemen“ und M-119
„Risikomanagement in der kommunalen Überflutungsvorsorge“
(Herausgeber: Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft,
Abwasser und Abfall e.V. -DWA-, Hennef) enthaltenen weiteren fachlichen
Hinweise zu berücksichtigen.
3
Schutzziele
3.1
Anlagenbetrieb im Ereignisfall
Abwasseranlagen sind im Ereignisfall für die in diesem Erlass mit der Kennziffer O (Objektschutz) definierten Schutzziele (Anlage 2a und 2b) so zu betreiben, dass ihre Funktion gewährleistet wird. Dabei stellt die Funktion
a) die Aufnahme,
b) die mechanische Reinigung,
c) in Abhängigkeit vom Anlagentyp auch die biologische Reinigung und
d) die chemisch-physikalische Behandlung
des bestimmungsgemäß zufließenden Abwassers dar.
Überschreitet ein Ereignis das in Anlage 2a und 2b dieses Erlasses mit Kennziffer O definierte Schutzziel für den Objektschutz, muss der Anlagenbetreiber sicherstellen, dass
a) die Abwasseranlage ihre Funktion möglichst lange aufrechterhalten kann,
b) die Anlagenteile, die für eine Wiederinbetriebnahme der Anlage erforderlich sind, möglichst lange geschützt werden,
c) die für eine Wiederinbetriebnahme erforderlichen Reserveaggregate an besonders geschützter Stelle vorgehalten werden und
d) das erforderliche Betriebspersonal ausreichend geschützt werden kann.
Dies kann durch bauliche und betriebliche Maßnahmen erreicht werden. Dieses Schutzziel wird in Anlage 2a und 2b mit der Kennziffer M „Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederinbetriebnahme“ gekennzeichnet.
3.2
Schutzmaßnahmen
Maßnahmen zum Schutz der Abwasseranlagen unterscheiden sich in bauliche und betriebliche Maßnahmen.
Bauliche Maßnahmen können den Schutz der gesamten Abwasseranlage umfassen und damit der Erzielung eines höheren Objektschutzes der Gesamtanlage dienen oder auf den Schutz einzelner Anlagen- und Bauteile zielen. Sie dienen der Aufrechterhaltung der Funktion der Abwasseranlage beziehungsweise von Anlagenteilen oder der kurzfristigen Wiederinbetriebnahme nach einem Hochwasser- oder Starkregenereignis.
Der äußere Schutz einer Anlage kann durch
a) einen Deich, eine Hochwasserschutzmauer oder mobile Hochwasserschutzsysteme,
b) die Einrichtung von Retentionsräumen im Umfeld der Anlage,
c) den Einbau von Rückstausicherungen in Rohrleitungen und
d) die Gestaltung der Zuwegung in der Form, dass kein Oberflächenwasser auf das Anlagengelände fließen kann beziehungsweise die Zufahrt jederzeit möglich bleibt,
erfolgen.
Der Schutz einzelner Anlagen- und Bauteile kann durch
a) die Erhöhung der Bauwerksoberkante,
b) den Einbau von Schutzvorrichtungen an Türen, Toren, Licht- und Lüftungsschächten,
c) die Verlegung von Maschinen- und Elektrotechnik in höher gelegene Gebäudebereiche,
d) die druckwasserdichte Ausführung von Rohr- und Kabeldurchführungen und
e) den Einbau von druckdichten Schachtdeckeln,
sichergestellt werden.
Betriebliche Maßnahmen umfassen alle technischen und organisatorischen Maßnahmen, die dazu dienen, die Funktion der Abwasseranlage zeitlich befristet aufrecht zu erhalten oder die Wiederinbetriebnahme der Abwasseranlage nach einem Hochwasser- oder Starkregenereignis schnellstmöglich wieder herbeiführen zu können.
Betriebliche Maßnahmen sind
a) die Vorhaltung von Ersatzaggregaten,
b) Verlegung von mobiler Maschinen- und Elektrotechnik,
c) die Vorhaltung von mobilen Entwässerungspumpen,
d) die Einspeisemöglichkeit für Notstrom und die Vorhaltung von Notstromaggregaten,
e) die Vorhaltung von mobilen Schutzeinrichtungen wie zum Beispiel Sandsäcken,
f) die Vorhaltung von mobilen Absperreinrichtungen,
g) Dienst- und Betriebsanweisung für Hochwasser- und Überflutung und
h) Schulung des Personals einschließlich Hochwasserschutzübungen.
Die vorgenannten Aufzählungen sind nicht abschließend.
4
Ermittlung des Gefährdungspotentials
4.1
Der Betreiber hat seine Abwasseranlagen gemäß Anlage 1 den unter den Nummern 2.1
bis 2.3 genannten Gebieten zuzuordnen. Das maßgebliche Ereignis ist das
Hochwasser- oder Niederschlagsereignis, für welches eine Grobanalyse
erforderlich wird.
4.2
Für jede Abwasseranlage, die in einem der in Anlage 1 ermittelten Gebiete
liegt, ist eine Grobanalyse mindestens mit dem in Anlage 3 genannten Umfang
durchzuführen. Bei Anlagen mit geringem Schadenspotenzial kann in begründeten
Einzelfällen auf die Erstellung einer Grobanalyse verzichtet werden. Die
Ausnahmen sind im Schutzkonzept zu begründen.
4.3
Das den einzelnen Abwasseranlagen zuzuordnende Schutzziel wird in Anlage 2a und
2b festgelegt. Hierbei sind auch die Anforderungen nach den bereits geltenden
technischen Regelwerken (siehe Nummer 2.4) zu berücksichtigen.
4.4
In Abhängigkeit vom Ergebnis der Grobanalyse sind bauliche Maßnahmen zur
Aufrechterhaltung der Funktion der Abwasseranlage oder betriebliche Maßnahmen
zu ergreifen.
Die für die in diesem Erlass vorgesehenen Arbeitsschritte erforderlichen Informationen (zum Beispiel Hochwassergefahrenkarten) sind über die Informationsportale der Landesumweltverwaltung ELWAS (www.elwasweb.nrw.de) beziehungsweise Umweltdaten vor Ort (www.uvo.nrw.de) öffentlich verfügbar.
5
Erstellung eines Konzeptes zum Schutz der Abwasseranlagen vor Hochwasser und
Starkregen (Schutzkonzept)
Sofern aus der Ermittlung des Gefährdungspotentials nach Nummer 4 ein Handlungsbedarf resultiert, sind die daraus resultierenden Maßnahmen in einem Schutzkonzept zusammenzufassen.
Werden von einem Anlagenbetreiber mehrere Anlagen betrieben, kann ein gemeinsames Konzept für alle Anlagen erstellt werden.
Das Schutzkonzept muss darauf ausgerichtet sein, die in Nummer 3 genannten Schutzziele zu erreichen. Die Auswahl der Maßnahmen ist zu begründen.
Die Maßnahmen aus dem Schutzkonzept sind für alle betroffenen Abwasseranlagen in die vorhandene Dienst- und Betriebsanweisung zu integrieren.
6
Regelungen für industrielle und gewerbliche Abwasseranlagen
Für industrielle und gewerbliche Abwasseranlagen wird unterschieden nach:
a) Kläranlagen, deren Funktion aufrechterhalten werden muss, da der Abwasserzustrom nicht unterbrochen werden kann oder soll - hierfür sowie für bestimmte weitere Abwasseranlagen sind Schutzziele unter Nummer 4 in Verbindung mit Anlage 2b definiert - und
b) allen anderen Kläranlagen, bei denen keine gesonderten Anforderungen in diesem Erlass erhoben werden, die Aufrechterhaltung der bestimmungsgemäßen und regelkonformen Funktion im Hochwasserfall liegt in der Eigenverantwortung der Betreiber.
Wenn durch Hochwassereinwirkung das Abwasser nicht mehr den Anforderungen des Einleitungsbescheides entspricht, darf es in der Regel nicht eingeleitet werden.
7
Fristen und Umsetzung
Die Umsetzung der unter den Nummern 2 bis 6 genannten Maßnahmen ist Aufgabe des Anlagenbetreibers. Dabei sind folgende Fristen zu berücksichtigen:
Für Kläranlagen und industrielle Abwasserbehandlungsanlagen, die in einem Überschwemmungsgebiet beziehungsweise vorläufig festgesetzten Überschwemmungsgebiet liegen, ist die Erstellung der Grobanalyse, des Schutzkonzeptes und deren Umsetzung bis zum 31. Dezember 2027 abzuschließen.
Für
alle weiteren Kläranlagen und industrielle Abwasserbehandlungsanlagen –
außerhalb von Überschwemmungsgebieten – ist
a) die Grobanalyse bis spätestens 31. Dezember 2026 aufzustellen,
b) das Schutzkonzept bis zum 31. Dezember 2028 aufzustellen und der
Überwachungsbehörde zu übermitteln und
c) die Umsetzung der Maßnahmen aus dem Schutzkonzept bis spätestens 31.
Dezember 2032 abzuschließen.
Für
alle weiteren Abwasser(behandlungs)anlagen ist
a) die Grobanalyse bis spätestens 31. Dezember 2029 aufzustellen,
b) das Schutzkonzept bis spätestens 31. Dezember 2031 aufzustellen und der
Überwachungsbehörde zu übermitteln und
c) die Umsetzung der Maßnahmen aus dem Schutzkonzept bis spätestens 31.
Dezember 2035 abzuschließen.
In Abstimmung mit der zuständigen Behörde können einzelne Maßnahmen zur Umsetzung der Schutzziele auch nach den festgesetzten Zeiträumen umgesetzt werden, wenn diese in einem nicht beanstandeten Abwasserbeseitigungskonzept des Anlagenbetreibers festgelegt sind und sachliche Gründe für die Verzögerung dargelegt sind. Für die industriellen und gewerblichen Anlagen können in begründeten Einzelfällen die Umsetzungsfristen verlängert werden, wenn die Schutzziele übergangsweise anderweitig sichergestellt werden. Der Anlagenbetreiber muss die Verschiebung begründen und das von der Verschiebung ausgehende Risiko darlegen.
Die Maßnahmen zum Hochwasserschutz sind in die jährliche Fortschreibung des Abwasserbeseitigungskonzeptes mit aufzunehmen.
Dem Betreiber ist nach Prüfung des Schutzkonzeptes das Ergebnis schriftlich mitzuteilen.
Sofern die Anforderungsprofile aus dem Hochwasserschutz und der Starkregenvorsorge angepasst beziehungsweise aktualisiert werden, wie beispielsweise die Definition eines HQ 100 Ereignisses, ist eine Überprüfung der Anforderungen aus diesem Erlass durch den Anlagenbetreiber vorzunehmen.
8
Inkrafttreten
Dieser Erlass tritt mit Wirkung vom 5. Juli 2024 in Kraft und am 31. Dezember 2029 außer Kraft.
- MBl. NRW. 2024 S. 870