Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2004 Nr. 37 vom 22.10.2004 Seite 889 bis 934
Verwaltungsvorschriften zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VV VwVG NRW) Gem. RdErl. d. Finanzministeriums - I C 1 - 0070 – 41.14 - u. d. Innenministeriums – 56/17 - 21.112 - v. 9.10.2004 |
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Normkopf Norm Normfuß |
Verwaltungsvorschriften zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VV VwVG NRW) Gem. RdErl. d. Finanzministeriums - I C 1 - 0070 – 41.14 - u. d. Innenministeriums – 56/17 - 21.112 - v. 9.10.2004
2010
Verwaltungsvorschriften
zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz
(VV VwVG NRW)
Gem.
RdErl. d. Finanzministeriums - I C 1 - 0070 – 41.14 -
u. d. Innenministeriums – 56/17 - 21.112 -
v. 9.10.2004
Auf Grund des § 81 des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW)
in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2003 (GV. NRW. S. 156/SGV. NRW. 2010), wird der Gemeinsame Runderlass des Finanzministeriums – C 1 –00700
–41.14 – und des Innenministeriums –
56/17 - 21.112 - vom 11.3.1963 im Ersten Abschnitt
(Vollstreckung von Geldforderungen) unter Aufhebung der Anlage zu Nr. 37.2 wie
folgt neu gefasst:
Verwaltungsvorschriften
zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz
(VV VwVG NRW)
Inhaltsverzeichnis
Erster Abschnitt:
Vollstreckung von Geldforderungen
Erster Unterabschnitt:
Allgemeine Vorschriften
1
Vollstreckbare Geldforderungen
2
Vollstreckungsbehörden
3
Vollstreckung durch Behörden der Finanz- und Justizverwaltung
4
Vollstreckungsschuldner
5.1
Vermögensermittlung (§ 5)
5.2
Eidesstattliche Versicherung (§ 5 a)
6.1
Voraussetzungen für die Vollstreckung (§ 6)
6.2
Einstellung und Beschränkung der Vollstreckung (§ 6 a)
7
Einwendungen gegen den Anspruch; Erstattungsanspruch
8
Widerspruch gegen die Pfändung
9
Zwangsverfahren gegen Personenvereinigungen
10
Vollstreckungsschuldner nach bürgerlichem Recht
11
Vollziehungsbeamte
12
Auftrag und Ausweis des Vollziehungsbeamten
13
Angabe des Schuldgrundes
14
Befugnisse des Vollziehungsbeamten
15
Zuziehung von Zeugen
16
Nachtzeit, Feiertage
17
Niederschrift
18
Mitteilungen des Vollziehungsbeamten
19
Mahnung
20
Kosten
Zweiter Unterabschnitt:
Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen
1.
Allgemeine Vorschriften
21
Pfändung
22
Pfändungspfandrecht
23
aufgehoben
24
Klage auf bevorzugte Befriedigung
25
Keine Gewährleistung
26
Beschränkung der Zwangsvollstreckung
2.
Zwangsvollstreckung in Sachen
27
Pfändungs- und Vollstreckungsschutz
28
Verfahren bei der Pfändung
29
Pfändung ungetrennter Früchte
30
Öffentliche Versteigerung, gepfändetes Geld
31
Versteigerungstermin
32
Versteigerungsverfahren
33
Gold- und Silbersachen
34
Wertpapiere
35
Früchte auf dem Halm
36
Namenspapiere
37
Andere Verwertung
38
Anschlusspfändung
39
Mehrfache Pfändung
3.
Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte
40
Pfändung einer Geldforderung
41
Pfändung einer Hypothekenforderung
42
Pfändung einer Wechselforderung
43
Pfändung fortlaufender Bezüge
44
Einziehung der Forderung - Herausgabe der Urkunden
45
Erklärungspflicht des Drittschuldners
46
Andere Arten der Verwertung
47
Ansprüche auf Herausgabe oder Leistung von Sachen
48
Pfändungsschutz
49
Mehrfache Pfändung
50
Vollstreckung in andere Vermögensrechte
Dritter Unterabschnitt:
Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen
51
Verfahren
52
Zwangsvollstreckung gegen Rechtsnachfolger
Vierter Unterabschnitt:
Sicherungsverfahren
53
Sicherung von Ansprüchen durch Arrestanordnung
Fünfter Unterabschnitt:
Befriedigung durch Verwertung von Sicherheiten
54
Verwertung von Sicherheiten
Erster Abschnitt:
Vollstreckung von Geldforderungen
Erster Unterabschnitt:
Allgemeine Vorschriften
1
Anwendungsbereich (zu § 1)
Der Beitreibung im
Verwaltungszwangsverfahren unterliegen Geldforderungen unter zwei
Voraussetzungen:
1.1
Es muss sich um Geldforderungen des Landes, einer Gemeinde, eines
Gemeindeverbandes oder einer anderen unter Landesaufsicht stehenden
juristischen Person des öffentlichen Rechts (auch Landesbetriebe und Sondervermögen)
handeln. Zu den Gemeindeverbänden gehören die Kreise, der Kommunalverband
Ruhrgebiet, die Landschaftsverbände und die Zweckverbände, nicht jedoch der
Landesverband Lippe. Wegen der Vollstreckungsrechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften
vgl. Nr. 2.2.2.2.
Durch § 1 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land
Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) besteht die Möglichkeit, dass die so genannten
„Beliehenen" das Verwaltungszwangsverfahren anwenden. Als „Beliehene“
kommen solche Stellen oder Personen in Betracht, denen das Recht verliehen ist,
bestimmte öffentlich-rechtliche Zuständigkeiten wahrzunehmen und hierfür
Gebühren oder Auslagen zu erheben.
1.2
Die beizutreibende Forderung muss öffentlich-rechtlicher Natur sein, oder die
Beitreibung privatrechtlicher Forderungen ist durch Rechtsverordnung des
Innenministeriums im Einvernehmen mit dem Finanzministerium (auf der Grundlage
der Ermächtigung in § 1 Abs. 2 VwVG NRW) im Verwaltungszwangsverfahren für
zulässig erklärt worden (siehe „Verordnung über die Beitreibung
privatrechtlicher Geldforderungen im Verwaltungsvollstreckungsverfahren“ vom
10. März 2003 (SGV. NRW. 2010)).
1.2.1
Öffentlich-rechtliche Geldforderungen werden auf gesetzlicher Grundlage erhoben
(formelles Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung) oder entstehen unmittelbar
ohne Leistungsgebot aufgrund gesetzlicher Verpflichtung. Geldforderungen aus
subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Verträgen (§ 54 Satz 2 VwVfG NRW) und gesetzlich zugelassene schriftliche Erklärungen unterliegen gemäß § 1
Abs. 6 VwVG NRW der Vollstreckung nur, wenn sich der Vollstreckungsschuldner
wegen der Forderung der Verwaltungsvollstreckung unterworfen hat (siehe zum
Vertrag § 61 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW). Abweichend von der Regelung in § 1 Abs.
2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes (VwVG) nimmt das Landesgesetz unbestrittene öffentlich-rechtliche Geldforderungen nicht aus, für die ein
anderer Rechtsweg als der Verwaltungsrechtsweg begründet ist; bundesrechtliche
Regelungen, z.B. § 205 BEG, gehen jedoch vor.
1.2.2
Die für zulässig erklärte Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen
1.2.2.1
Die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen nach § 1 Abs. 2 VwVG NRW ist
ein der zivilprozessualen Geltendmachung vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren.
Die privatrechtliche Rechtsnatur der Geldforderung bleibt bestehen. Die
Durchführung des Verfahrens ist ausgeschlossen oder endet, sobald der
Vollstreckungsschuldner das Bestehen der Forderung dem Grunde oder der Höhe
nach bestreitet. Diesen Einwand kann der Vollstreckungsschuldner bis zum
Abschluss der Verwertung erheben. Nach Abschluss der Verwertung ist der Einwand
ausgeschlossen. Der Vollstreckungsschuldner kann dann nach § 7 Abs. 3 VwVG NRW
vorgehen. Keine Anwendung findet dieses Verfahren nach Abschluss eines
zivilrechtlichen Verfahrens. Auf der Grundlage zivilrechtlicher Titel kann die
Vollstreckung ausschließlich nach der Zivilprozessordnung erfolgen.
1.2.2.2
Die Einwendungen des Vollstreckungsschuldners gegen die Forderung hat dieser
schriftlich oder zur Niederschrift bei der Vollstreckungsbehörde einzulegen.
Der Vollstreckungsbehörde steht keine Befugnis zu, die Berechtigung von
Einwendungen, die sich gegen die Forderung richten, zu prüfen. Die pauschale
Erklärung des Vollstreckungsschuldners, mit der Vollstreckung nicht
einverstanden zu sein, führt nicht zur Einstellung des Verfahrens. Gleiches
gilt für Einwände gegen die Voraussetzungen der Vollstreckung oder das
Vorbringen nachträglicher Vollstreckungshindernisse, die sich nicht auf die Forderung
beziehen, oder Einwände gegen die Art und Weise der Vollstreckungsdurchführung.
Derartige Einwände sind als Widerspruch gegen die Vollstreckung auszulegen, dem
gemäß § 8 AG VwGO NRW keine aufschiebende Wirkung zukommt. Über diesen
Rechtsbehelf ist im Widerspruchsverfahren zu entscheiden.
1.2.2.3
Es besteht keine Verpflichtung zur Beitreibung privatrechtlicher Forderungen im
Verwaltungsvollstreckungsverfahren. Zweckmäßig ist die Vollstreckung
privatrechtlicher Forderungen nur, wenn mit einem Bestreiten der Forderung
durch den Vollstreckungsschuldner nicht gerechnet werden muss. Die Beurteilung
der Zweckmäßigkeit obliegt dem Gläubiger (anordnende Stelle). Zweckmäßig ist
das Verfahren wenn vor der Erlangung eines zivilrechtlichen Titels vorrangige
Pfandrechte gesichert werden sollen. Die Durchführung des Verfahrens kann auch
im Rahmen der Amtshilfe verlangt werden, auch wenn die ersuchte Stelle ihre privatrechtlichen
Forderungen ausschließlich im Zivilprozessweg beitreibt. Bei Amtshilfeersuchen
an Vollstreckungsstellen in anderen Bundesländern ist dies aber nur zulässig,
sofern in diesen Ländern entsprechende Vorschriften zur Beitreibung
privatrechtlicher Forderungen bestehen. Ein drohender Verjährungseintritt der
privatrechtlichen Forderung kann nur dadurch abgewendet werden, dass gemäß §
212 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme (insbesondere
Pfändung) der Neubeginn der Verjährungsfrist herbeigeführt wird. Andernfalls
ist ein Anerkenntnis des Vollstreckungsschuldners nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB,
etwa durch die nachweisbare Vereinbarung von Abschlagszahlungen, herbeizuführen
oder eine Hemmung der Verjährung durch die Zustellung eines Mahnbescheides oder
durch Klageerhebung vor den Zivilgerichten zu bewirken (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BGB).
1.2.2.4
Der Durchführung der Vollstreckung muss eine Zahlungsaufforderung an den
Vollstreckungsschuldner vorausgehen. Die Zahlungsaufforderung ist die an den
Vollstreckungsschuldner gerichtete Aufforderung, seiner Zahlungsverpflichtung
wegen einer bestimmten Forderung nachzukommen. Sie erfolgt unter Bezug auf die
bereits eingetretene Fälligkeit oder auf einen bereits bestimmten zukünftigen
Fälligkeitstermin der Forderung. Die Zahlungsaufforderung kann bereits in der
vertraglichen Grundlage enthalten sein oder in einer Rechnung erfolgen, kann
aber auch Gegenstand eines gesonderten Schreibens sein. Vor Beginn der
Vollstreckung ist der Vollstreckungsschuldner schriftlich oder mündlich über
sein Recht zu belehren, Einwendungen gegen die Forderung zu erheben und
hierdurch die Einstellung der Vollstreckung im Verwaltungswege herbeizuführen.
Die Belehrung sollte auch einen Hinweis auf die Zulässigkeit der Vollstreckung
der fälligen Forderung nach dem VwVG NRW enthalten. Eine schriftliche Belehrung
kann in der Erinnerung oder Mahnung erfolgen. Sie kann wie folgt formuliert
werden:
„Wegen der oben (der in meiner Zahlungsaufforderung vom ...) bezeichneten
Forderung beabsichtige ich bei Nichtzahlung die Beitreibung im
Verwaltungsvollstreckungsverfahren gemäß § 1 Abs. 2 VwVG NRW vom 19. Februar 2003 (SGV. NRW. 2010) i. V. m. der Verordnung über die Beitreibung
privatrechtlicher Geldforderungen vom 10. März 2003 (SGV. NRW. 2010).
Die öffentlich-rechtliche Beitreibung dieser Forderung nach dem VwVG NRW
unterbleibt oder ist einzustellen, wenn Sie bei der Vollstreckungsbehörde (–
Anschrift der Vollstreckungsbehörde -) schriftlich oder zu Protokoll Einwendungen
gegen die Forderung geltend machen. Die Forderung wird in diesem Fall im
Zivilprozessweg geltend gemacht.“
Darüber hinaus müssen die
allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 und § 6 Abs. 3
VwVG NRW vorliegen (Wochenfrist und Mahnung oder Erinnerung).
1.2.2.5
Sollen Ermittlungen über die Vermögensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners
nach § 5 VwVG NRW erfolgen, ist der Vollstreckungsschuldner spätestens eine Woche
vor Beginn dieser Maßnahmen entsprechend Nr. 1.2.2.4 zu belehren. Die Frist
berechnet sich nach § 31 Abs. 1 - 5 VwVfG NRW i. V. m. §§ 187-193 BGB; der Tag
des Zugangs des Schreibens zählt beim Fristbeginn nicht mit.
1.2.2.6
Nach der wirksamen Erhebung von Einwendungen unterbleibt eine noch nicht begonnene
Vollstreckung, eine bereits eingeleitete Vollstreckung wird eingestellt.
Bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen bleiben bestehen. Nach Abschluss
der Vollstreckung erfolgt keine Einstellung mehr. Erworbene Pfandrechte bleiben
wirksam und sind gegenüber späteren Pfändungen anderer Gläubiger rangwahrend.
Die Verwertung erworbener Pfandrechte wird bis zur Erlangung des Vollstreckungstitels
im Zivilrechtsweg ausgesetzt. Der Gläubiger entscheidet nach Information durch
die Vollstreckungsbehörde, ob er innerhalb eines Monates nach der Erhebung der
Einwendungen (Fristberechnung nach § 31 Abs. 1-5 VwVfG NRW i. V. m. §§ 187-193
BGB, der Tag des Zugangs oder der zur Protokollerhebung zählt beim Fristbeginn
nicht mit) einen Mahnbescheid beantragt oder Klage bei einem Zivilgericht einreicht.
Bereits angefallene Kosten der Verwaltungsvollstreckung können nach § 91 ZPO
als vorgerichtliche Kosten geltend gemacht werden. Wird innerhalb der
Monatsfrist kein Mahnbescheid beantragt oder keine Klage erhoben, hebt die
Vollstreckungsbehörde noch bestehende Pfändungsmaßnahmen auf. Eine Aufhebung
hat auch in den Fällen zu erfolgen, in denen die Klage rechtskräftig abgewiesen
wurde.
Liegt ein rechtskräftiger oder vorläufig vollstreckbarer zivilrechtlicher Titel
vor, erfolgt die Verwertung der öffentlich-rechtlich erworbenen Pfandrechte
ausschließlich im Zivilprozessweg (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht).
Entsprechende Verwertungsaufträge an den Gerichtsvollzieher und Anträge an das
Vollstreckungsgericht sind unter Beifügung der Unterlagen über bereits
durchgeführte Pfändungsmaßnahmen zu stellen.
1.2.3
Abweichende Anwendungsbereiche für öffentlich-rechtliche Geldforderungen
Alle Steuern und Steuervergütungen nach § 1 Abs. 1 Abgabenordnung (AO), die
durch Bundesrecht oder Recht der EU geregelt sind und durch Bundes- oder
Landesfinanzbehörden verwaltet werden, unterfallen einschließlich der Vollstreckung
ausschließlich dem Anwendungsbereich der AO.
Für die Realsteuern (Grund- und Gewerbesteuern), deren Verwaltung in NRW den
Gemeinden übertragen ist, gilt nach § 12 des Kommunalabgabengesetzes für das
Land Nordrhein-Westfalen (KAG) grundsätzlich die AO. Für die Vollstreckung und
das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren findet das VwVG NRW Anwendung.
Ausgenommen ist die Anwendbarkeit des § 10 VwVG NRW. Die Inanspruchnahme durch
Haftungs- und Duldungsbescheid ist nach der AO dem Festsetzungs- und
Feststellungsverfahren zugeordnet. § 191 AO geht deshalb im Bereich der
Realsteuern (§ 3 Abs. 2 AO) dem § 10 VwVG NRW vor.
Nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 b KAG gilt § 191 AO entsprechend, weshalb auch für
kommunale Abgaben nach dem KAG die Anwendbarkeit des § 10 des VwVG NRW
ausscheidet.
Für die Vollstreckung kommunaler Abgaben nach dem KAG gilt wegen der nach § 12
Abs. 1 Nr. 6 KAG nur singulären Verweisung auf einzelne Vorschriften der AO im
Übrigen das VwVG NRW. Besonderheiten ergeben sich nach § 12 Abs. 1 Nr. 6 KAG
für die Vollstreckung im Insolvenzverfahren (§ 251 Abs. 2 AO), wegen der
Verzichtbarkeit auf ein Leistungsgebot für Säumniszuschläge und Zinsen nach §
254 Abs. 2 AO und für die Niederschlagung von Ansprüchen (§ 261 AO).
Sofern Bundesgesetze das VwVG für Landesbehörden für „sinngemäß“ oder
„entsprechend“ anwendbar erklären, gilt ebenfalls das VwVG NRW (siehe § 136
FlurbG, § 200 Abs. 2 SGG).
Im Bereich des Sozialversicherungsrechts gilt gemäß § 66 Abs. 3 SGB X für die
Vollstreckung zugunsten der Landes- und Kommunalbehörden aus
Leistungsbescheiden das VwVG NRW; für den Bereich der Kriegsopferversorgung
aber das VwVG des Bundes (§ 66 Abs.2 SGB X). Sozialgerichtliche Titel werden
nach dem VwVG des Bundes vollstreckt (§§ 200, 201 SGG).
Wegen der Vollstreckung von Geldstrafen und anderer Ansprüche nach der
Justizbeitreibungsverordnung vgl. § 1 JBeitrO.
Für die Beitreibung von Bußgeldern und von Verwarnungsgeldern für
Ordnungswidrigkeiten nach Bundes- und Landesrecht gilt das Gesetz über
Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Für die Vollstreckung von Bußgeldentscheidungen
findet gemäß § 90 Abs. 1 OWiG das VwVG NRW Anwendung. Aus den §§ 89 und 95 OWiG
ergeben sich besondere Bestimmungen für die Vollstreckungsvoraussetzungen, die
dem VwVG NRW vorgehen. Der Bußgeldbescheid ist danach nur vollstreckbar, wenn
er rechtskräftig geworden ist. Die Beitreibung kann vor Ablauf von zwei Wochen nach der
Fälligkeit erfolgen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen erkennbar ist, dass
sich der Betroffene der Zahlung entziehen will.
Für die Erzwingungshaft bei Nichtzahlung ist das besondere Verfahren nach § 96
OWiG einzuhalten (siehe auch Nr. 63.3).
2
Vollstreckungsbehörden (zu § 2)
2.1
Das VwVG NRW geht davon aus, dass die Beitreibung von Geldforderungen stets
Aufgabe besonderer Vollstreckungsbehörden ist, und dass die Wahrnehmung dieser
Aufgabe innerhalb der verschiedenen Verwaltungen regelmäßig den Kassen zusteht.
In der kommunalen Verwaltung ist dies die jeweils für das Mahn- und
Vollstreckungsverfahren bestimmte zentrale Stelle (siehe Kommunales
Finanzmanagementgesetz NRW).
Nach dem Stand des Jahres 2003 bestehen in NRW im Bereich der Landes- und
Landtagsverwaltung folgende Kassen, die im Sinne des § 2 Abs. 1 VwVG NRW
Vollstreckungsbehörden sind: Landeshauptkasse, Kasse des Landtags NRW,
Landeskassen bei den Bezirksregierungen, Oberjustizkasse, Hochschulkassen und
Erhebungsstellen der Finanzämter, sowie die Kasse beim Direktor der
Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe.
Landesbetriebe und Sondervermögen des Landes sind nach § 2 Abs. 2 VwVG NRW
durch eine gesetzliche Regelung zu Vollstreckungsbehörden zu bestimmen.
Den kommunalen Anstalten des öffentlichen Rechts nach § 114 a GO NRW steht
keine gesetzlich eingeräumte Befugnis zur Wahrnehmung der Aufgaben der
Vollstreckungsbehörden zu. Sofern in der Anstaltssatzung die Ausübung der
Vollstreckungsbefugnisse vorgesehen werden soll, muss die Anstalt im Wege des §
2 Abs. 2 Satz 2 VwVG NRW durch die Bezirksregierung (unter Einbeziehung des
Innenministeriums) im Einzelfall oder durch Rechtsverordnung als
Vollstreckungsbehörde bestimmt werden (siehe Nr. 2.2.3).
Für die Amtshilfe zwischen Vollstreckungsbehörden gelten die §§ 4 bis 8 VwVfG
NRW.
Das Ersuchen soll alle erforderlichen Angaben enthalten und nach Möglichkeit
die erbetene Maßnahme (Pfändung, Versteigerung oder sonstige Verwertung, Verfahren
zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung usw.) bezeichnen.
Will die ersuchende Behörde bestimmte Vermögenswerte pfänden lassen, muss sie
diese im Amtshilfeersuchen genau angeben. Die Pfändung einer Forderung durch
die ersuchte Behörde ist nicht rechtswidrig, im Hinblick auf die Regelung in §
40 Abs. 3 VwVG NRW (vgl. Nr. 40.12) aber nicht erforderlich.
Die allgemeine Bitte um „Beitreibung“ eines Betrages verpflichtet die ersuchte
Behörde zur zweckmäßigen, im Rahmen der vorhandenen organisatorischen und
personellen Ausstattung möglichen Vollstreckung (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW).
Vollstreckungsmaßnahmen, die einen unverhältnismäßig großen Aufwand erfordern,
können unterbleiben (§ 5 Abs. 3 Nr.2 VwVfG NRW). Über das zweckmäßige Vorgehen
entscheidet die ersuchte Vollstreckungsbehörde.
Sofern die ersuchte Vollstreckungsbehörde über eigene Vollziehungsbeamte
verfügt oder regelmäßig die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung durch
eigene Bedienstete durchführt, entscheidet die ersuchte Vollstreckungsbehörde
im Einzelfall, ob die Beauftragung eines Gerichtsvollziehers zweckmäßig ist.
2.1.1
In der Regel werden Forderungen des Landes von staatlichen
Vollstreckungsbehörden beigetrieben, soweit nicht kommunale Behörden für
staatliche Aufgaben auftragsweise zuständig sind, z. B. die kommunalen
Vollstreckungsbehörden als Funktionsnachfolger der Regierungskassen für die
Kassenaufgaben der unteren Landesbehörden (vgl. § 3 des Gesetzes über die
Eingliederung staatlicher Sonderbehörden in die Kreis- und Stadtverwaltung v.
30. April 1948 - SGV. NRW. 2000 - und den RdErl. des Innenministeriums v.
21.10.2003 - SMBl. NRW. 632 -).
2.1.1.1
Soll aus gerichtlichen Entscheidungen oder Vergleichen, aus Anerkenntnissen oder
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen im sozialgerichtlichen Verfahren vollstreckt
werden, so bestimmt sich die zuständige Vollstreckungsbehörde gemäß § 200 SGG
i.V.m. § 4 des Ausführungsgesetzes v. 8. Dezember 1953 (SGV. NRW. 304) i. V. m.
§ 2 VwVG NRW nach der für den jeweiligen Gläubiger der Forderung geltenden
Zuständigkeitsregelung. Forderungen des Landes als Partei im
Sozialgerichtsverfahren werden also von derjenigen Vollstreckungsbehörde beigetrieben,
die für die das Land vertretende Behörde zuständig ist. Die Beitreibung von
Forderungen des Landes als Träger der Sozialgerichte (z. B. Kostenforderungen)
obliegt der Oberjustizkasse Hamm.
Geldforderungen, die sich im Bereich der Versorgungsverwaltung ergeben, werden
nach § 66 Abs. 2 SGB X i. V. m. § 4 Abs. 2 der VO zur Regelung von
Zuständigkeiten nach dem Sozialgesetzbuch (SGV. NRW. S. 820), für das Land von
derjenigen Gemeinde beigetrieben, in welcher der Vollstreckungsschuldner der
beizutreibenden Forderung seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Geldforderungen der dem Sozialrecht unterfallenden „übrigen Behörden“ im Sinne
des § 66 Abs. 3 SGB X werden nach dem VwVG NRW beigetrieben. Die Zuständigkeit
der Kommunen für die Beitreibung ergibt sich aus den von den Bezirksregierungen
auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 Satz 2 VwVG NRW erlassenen Rechtsverordnungen
zur Bestimmung von Vollstreckungsbehörden (siehe Nr. 2.2.3).
2.1.1.2
Auch Geldforderungen des Bundes und bundesunmittelbarer Körperschaften und
Anstalten des öffentlichen Rechts werden nach dem VwVG NRW von kommunalen
Vollstreckungsbehörden beigetrieben, wenn Bundesgesetze und darauf beruhende
Zuständigkeitsregelungen dies vorsehen (z.B. § 350 b LAG für
öffentlich-rechtliche Geldforderungen des Ausgleichsfonds; § 18 des Gesetzes
über die deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank vom 11. Juli 1989 (BGBl. I S.
1421) i. V. m. mit § 1 der Verordnung über die Bestimmung von Vollstreckungsbehörden
für die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank, Bonn, v. 6. Juli 1971 (SGV. NRW. 760) für Darlehensforderungen aus Bundesmitteln). Hierbei handelt es sich
teilweise um Forderungen, die nur im Innenverhältnis dem Bund zustehen, während
nach außen das Land als Gläubiger auftritt.
2.1.2
Innerhalb der kommunalen Verwaltungen ist für die Durchführung des Verwaltungszwangsverfahrens
die jeweils für das Mahn- und Vollstreckungsverfahren bestimmte zentrale Stelle
ausschließlich zuständig (kommunale Vollstreckungsbehörde).
2.1.2.1
Weder die Vertretung der Gemeinde oder des Gemeindeverbandes noch der Hauptverwaltungsbeamte
haben das Recht, diese Aufgabe im Allgemeinen oder in Einzelfällen dieser Stelle
zu entziehen, sich selbst vorzubehalten oder anderen Dienststellen ihrer
Körperschaft zu übertragen. Das innerdienstliche Weisungsrecht des
Hauptverwaltungsbeamten als Dienstvorgesetzter gegenüber dem Leiter dieser
Stelle wird dadurch nicht berührt (§ 5 Abs. 5 GemKVO).
2.1.2.2
Es entspricht der besonderen Rechtsstellung des Leiters der kommunalen
Vollstreckungsbehörde, dass er in den Fällen, in denen die Vollstreckungsbehörde
selbst über einen Widerspruch gegen ihre Vollstreckungsmaßnahmen zu entscheiden
hat (§ 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), grundsätzlich auch selbständig entscheidet. Er
soll jedoch vorher mit dem Vorgesetzten die Angelegenheit besprechen, wenn der
Widerspruchsbescheid voraussichtlich einen Verwaltungsprozess auslösen wird.
Das Recht des Hauptverwaltungsbeamten, Weisungen für die Entscheidung über
Widersprüche zu erteilen, bleibt unberührt.
2.2
Nach geltendem Recht üben nur wenige Körperschaften und Anstalten des öffentlichen
Rechts die Befugnisse der Vollstreckungsbehörde selbst aus.
2.2.1
Hierzu gehören:
a) die Krankenkassen, wenn ihre geschäftsleitenden Bediensteten nach Bestimmung der obersten Verwaltungsbehörde durch das
zuständige Versicherungsamt als Vollstreckungsbehörde bestellt
worden sind (§ 66 Abs. 3 S. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 3 SGB X; siehe RdErl. d. MGSFF
v. 27.6.2003, SMBl. NRW. 8220),
b) der Entsorgungsverband in Hattingen, der Aggerverband, die Emschergenossenschaft,
der Erftverband, der Niersverband, der Lippeverband, der Ruhrverband und der
Wupperverband. Ihre Geschäftsführer oder -vorstände sind selbst
Vollstreckungsbehörden. Sie können sich zur Durchführung der Vollstreckung der
Gemeinden oder der Gemeindeverbände bedienen (vgl. z.B. § 33 des Gesetzes über
die Gründung des Abfallentsorgungs- und Altlastenverbandes NRW, § 28 Aggerverbandsgesetz).
2.2.2
Für andere Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sind vielfach
kommunale Vollstreckungsbehörden kraft Gesetzes tätig.
2.2.2.1
So sind die Gemeinden gemäß § 3 IHKG Vollstreckungsbehörden für die Industrie-
und Handelskammern, gemäß § 113 HwO für
die Handwerkskammern. Eine entsprechende Aufgabenzuweisung ergibt sich häufig
auch aus der Formulierung, dass Beiträge, Gebühren usw. „wie Gemeindeabgaben“
beizutreiben sind (z.B. §§ 73 u. 89 HwO für die Innungen und
Kreishandwerkerschaften).
Zur Wahrnehmung der Kassenaufgaben für das Land Nordrhein-Westfalen durch die
Kassen der Kreise und kreisfreien Städte siehe RdErl. des Innenministeriums vom
21.10.2003 (SMBl. NRW. 632).
2.2.2.2
Vollstreckungsbehörden für die Kirchen (Kirchengemeinden) und die
Religionsgemeinschaften, welche die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen
Rechts haben, sind, soweit es sich um die Beitreibung von Kirchensteuern
einschl. Kirchgeld handelt, grundsätzlich die Finanzämter (§§ 8 Abs. 1 und 15 Kirchensteuergesetz (KiStG) v. 22. April
1975 - SGV. NRW. 610 -). Kommunale Vollstreckungsbehörden sind nur zuständig
für die Beitreibung der „Kirchensteuer vom Grundbesitz“, die als Zuschlag zu
den Grundsteuermessbeträgen erhoben wird. Dies gilt sowohl, wenn die
Kirchensteuer vom Grundbesitz durch die Gemeinden (GV) verwaltet wird (§ 11
aaO), als auch dann, wenn sie von den Kirchen selbst verwaltet wird, die Gemeinden
(GV) aber die „Maßstabsteuern“ einziehen (§ 12 aaO). In beiden Fällen haben die
Gemeinden (GV) das VwVG NRW anzuwenden. Das ergibt sich, unbeschadet des
Hinweises auf die AO in § 8 KiStG, schon aus der Gegenüberstellung der
„Vorschriften über das Verwaltungszwangsverfahren“ und der „Vorschriften der
Abgabenordnung“ in § 12 aaO.
Sollen andere öffentlich-rechtliche Forderungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften
als Kirchensteuern, z.B. Friedhofsgebühren, beigetrieben werden, so ist nach
Nr. 2.2.3 zu verfahren.
2.2.2.3
Rückständige Rundfunkgebühren, die dem Westdeutschen Rundfunk Köln zustehen,
werden im Verwaltungszwangsverfahren von der für den Wohnsitz oder
Aufenthaltsort des Vollstreckungsschuldners zuständigen kommunalen
Vollstreckungsbehörde beigetrieben.
Der Kostenbetrag, den der WDR Köln an die in Anspruch genommene
Vollstreckungsbehörde zu zahlen hat, ergibt sich aus § 1 der VO über die
Bestimmung von Vollstreckungsbehörden für die Beitreibung rückständiger
Rundfunkgebühren v. 1. Dezember 1992 (SGV. NRW. 2010).
2.2.2.4
In den vorstehenden Fällen wird die kommunale Vollstreckungsbehörde stets in
Erfüllung eigener, ihr gesetzlich zugewiesener Aufgaben tätig. Sie ist „die“
Vollstreckungsbehörde der Handwerkskammer, der Kirchengemeinde usw. und leistet
insoweit nicht etwa Amtshilfe.
2.2.3
Fehlen
entsprechende Vorschriften, so bestimmt die Bezirksregierung gemäß § 2 Abs.
2 Satz 2 VwVG NRW eine Vollstreckungsbehörde,
und zwar für den Einzelfall - entsprechend der gesetzlichen Regelung für vergleichbare Fälle in § 4 Abs. 2
OBG - im Verwaltungswege, als allgemeine Zuständigkeitsregelung für die Dauer jedoch
durch Verordnung.
Zuständig ist die Bezirksregierung, in deren Bezirk die Vollstreckungsmaßnahme
durchgeführt werden soll oder in deren Bezirk der Gläubiger seinen Sitz hat.
Die von der Bezirksregierung bestellte Vollstreckungsbehörde muss außerhalb
ihres Bereichs ggf. die Amtshilfe anderer Vollstreckungsbehörden in Anspruch
nehmen.
Durch inhaltlich aufeinander abgestimmte Verordnungen der Bezirksregierungen
Arnsberg
v. 25. Juli 2003 (ABl. BezR Arnsberg S. 245/246),
Detmold
v. 14. April 1989 (ABl. BezR.
DT S. 120/121), zuletzt geändert durch Verordnung v. 20. Juni 2002 (ABl. BezR.
DT S. 177),
Düsseldorf
v. 22. Oktober 1959 (ABl. Reg. Ddf. S. 377), zuletzt geändert durch Verordnung
v. 8. Juli 2002 (ABl. Reg.
Ddf. S. 265)
Köln
v. 15. Januar 1993 (ABl. BezR Köln S. 25), zuletzt geändert durch Verordnung v.
22. Juli 2002 (ABl. BezR Köln S. 251),
Münster
v. 2. Januar 1985 (ABl. BezR MS 1985 S. 7), zuletzt geändert durch Verordnung
v. 11. September 2002 (ABl. BezR MS 2002 S. 290)
sind für die meisten in Frage
kommenden Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts unter
Landesaufsicht die für den Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Vollstreckungsschuldners
innerhalb des Landes zuständigen Gemeindekassen zu Vollstreckungsbehörden
bestimmt worden. Die dort vorgenommene Bestimmung der Vollstreckungsbehörden
umfasst auch die Anordnung nach § 66 Abs. 3 SGB X zur Vollstreckung
sozialrechtlicher Forderungen. Dagegen ist die kommunale Vollstreckungsbehörde
am Sitz des Gläubigers zuständig, wenn gegen einen Vollstreckungsschuldner
außerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen vollstreckt werden soll.
2.2.4
In den vorgenannten Verordnungen haben die Bezirksregierungen den vom Gläubiger
an die Vollstreckungsbehörde abzuführenden Kostenbetrag (Unkostenbeitrag) je
Beitreibungsersuchen festgesetzt (16,00 Euro, Stand 2003; Anhebung ist geplant
in 2004). Die Verpflichtung des Vollstreckungsgläubigers entsteht mit der
Inanspruchnahme der Vollstreckungsbehörde und wird bei Zugang des
Vollstreckungsauftrages bei der Vollstreckungsbehörde fällig, ohne dass es
einer besonderen Anforderung durch die Vollstreckungsbehörde bedarf. Daneben besteht
ein Anspruch auf Auslagenersatz nach § 20 Abs. 2 VwVG NRW.
2.3
Befugnisse der Vollstreckungsbehörde in der Anordnung, Leitung und Durchführung
des Zwangsverfahrens
2.3.1
Nach § 2 Abs. 3 VwVG NRW stehen die vorgenannten verfahrensrechtlichen
Befugnisse des Gläubigers grundsätzlich auch der Vollstreckungsbehörde zu. Wann
die Vollstreckungsbehörde von diesen Befugnissen selbst Gebrauch macht, wird im
Innenverhältnis von dem Auftrag abhängen, den ihr der Gläubiger erteilt hat und
sich auch nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten bestimmen. Bei einer
routinemäßigen Vollstreckung sind besondere Absprachen mit dem Gläubiger nicht
erforderlich.
Bei Maßnahmen, die von besonderer Tragweite für den Vollstreckungsschuldner und
auch für sein weiteres Verhältnis zum Gläubiger sind, sollte eine Anordnung des
Gläubigers eingeholt werden. Dritten gegenüber handelt die
Vollstreckungsbehörde gemäß § 2 Abs. 3 VwVG NRW immer aus eigenem Recht; eine
Vollmacht des Gläubigers kann ein Dritter - auch ein Gericht - nicht verlangen.
2.3.2
Die Befugnis der Vollstreckungsbehörde zur selbständigen Wahrnehmung der „nach
den Vorschriften dieses Gesetzes“ dem Gläubiger zustehenden
verfahrensrechtlichen Befugnisse erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die
Wahrnehmung materieller Gläubigerrechte. Nach den §§ 5 a Abs. 1 Satz 2 und 21
Abs. 2 VwVG NRW und über die Verweisung in § 27 Satz 1 VwVG NRW auf die
entsprechende Anwendung der §§ 806 b, 813 a ZPO steht der Vollstreckungsbehörde
bzw. den Vollziehungsbeamten aber das Recht zur Vereinbarung von Teilzahlungen
zu. Sofern die Vollstreckungsbehörde regelmäßig für den Gläubiger vollstreckt
und dieser keine abweichende allgemeine oder auf den Einzelfall bezogene
abweichende Anordnung trifft, kann seine erforderliche Zustimmung zu derartigen
Vereinbarungen in den gesetzlichen Regelfällen vermutet werden.
3
Sonderbestimmungen für Finanz- und Justizverwaltung (zu § 3)
3.1
Das VwVG NRW ist dann nicht anzuwenden, wenn eine Geldforderung i. S. d. § 1
VwVG NRW von Vollstreckungsbehörden der Finanzverwaltung oder der Justizverwaltung
beizutreiben ist, sei es auf Grund eigenen Rechts oder sei es im Wege der
Amtshilfe.
3.2
Die Finanzbehörden richten sich nur nach den Vorschriften der AO und zwar auch
dann, wenn sie als Vollstreckungsbehörde für andere Gläubiger tätig werden
(z.B. bei Einziehung der Kirchensteuer
(vgl. Nr. 2.2.2.2) oder der Umlagen für die Landwirtschaftskammer (vgl.
Nr. 4.3.3.1
aE)).
3.3
Die Gerichtskassen als Vollstreckungsbehörden richten sich nach der JBeitrO.
Für die Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung (Gerichtsvollzieher und
Vollziehungsbeamte der Justiz) sind, wenn sie im Verwaltungszwangsverfahren für
andere als Justizbehörden tätig werden, auch die Vorschriften der
Zivilprozessordnung maßgebend; jedoch ersetzt der Auftrag der Vollstreckungsbehörde
den sonst erforderlichen vollstreckbaren Titel.
4
Vollstreckungsschuldner (zu § 4)
Jede Vollstreckungsmaßnahme
richtet sich gegen einen oder mehrere jeweils genau zu bezeichnende
Vollstreckungsschuldner. Das VwVG NRW unterscheidet
a) Selbstschuldner (Nr. 4.1),
b) Haftungsschuldner (Nr. 4.2),
c) Duldungsschuldner (Nr. 4.3).
4.1
Selbstschuldner (§ 4 Abs. 1 Buchstabe a VwVG NRW) haben eine Leistung kraft
Gesetzes oder auf Grund eines Vertrages aus eigenen Mitteln an den Gläubiger zu
bewirken. Außer dem ursprünglichen Vollstreckungsschuldner ist auch der
Gesamtrechtsnachfolger Selbstschuldner, z.B. bei Verschmelzung von
Gesellschaften und bei Erbfolge (§ 45 AO). Die Möglichkeit, die „Haftung“ auf
den Nachlass zu beschränken (§§ 1975 ff. BGB), macht den Erben nicht zum
Haftungsschuldner. Denn Nachlassverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten des
Erben selbst geworden.
4.2
Haftungsschuldner (§ 4 Abs. 1 Buchstabe b VwVG NRW) haben für die Leistung, die
ein anderer schuldet, an seiner Stelle oder neben ihm mit ihrem eigenen
Vermögen, regelmäßig uneingeschränkt, kraft Gesetzes einzustehen.
Ihre Haftung kann beruhen:
4.2.1
auf Vorschriften des öffentlichen Rechts, insbesondere auf Steuergesetzen (z.B.
§§ 69 ff. AO), aber auch auf Sozialversicherungsgesetzen, Kostenordnungen und
dergleichen.
Beispiele: Haftung des Betriebsübernehmers nach § 75 AO für Steuerschulden,
Haftung des Grundstückserwerbers nach § 11 Abs. 2 GrStG, Haftung des
gesetzlichen Vertreters gemäß §§ 69, 34 AO,
4.2.2
auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts, wenn die Haftung kraft Gesetzes
gegeben ist.
Beispiele: Haftung des
Erbschaftskäufers (§ 2382 BGB) für die Nachlassverbindlichkeiten, Haftung
desjenigen, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der
bisherigen Firma fortführt (§ 25 HGB), Haftung der Gesellschafter für Schulden
einer offenen Handelsgesellschaft (§ 128 HGB) und des persönlich haftenden
Gesellschafters in einer Kommanditgesellschaft (§ 161 HGB),
gesamtschuldnerische Steuerhaftung des Kommanditisten nach § 171 HGB, Haftung
des überlebenden Ehegatten für Gesamtgutsverbindlichkeiten (§ 1489 BGB). Die
Bedeutung dieser Fälle ist aber gering, da meistens zugleich auch
öffentlich-rechtliche Haftung auf Grund von Abgabengesetzen gegeben ist (vgl. §
10 Abs. 3 VwVG NRW). Die Einleitung der Zwangsvollstreckung gegen
Haftungsschuldner kraft Gesetzes nach bürgerlichem Recht setzt eine
Entscheidung der Vollstreckungsbehörde nach § 10 VwVG NRW voraus (vgl. Nr. 4.3.2 und Nr. 10).
Die Durchführung des Zwangsverfahrens ist unzulässig gegen einen Dritten, der
sich durch Vertrag zur Begleichung der Verbindlichkeit eines Hauptschuldners
verpflichtet hat, z.B. gegen den Bürgen (vgl. Nr. 10.4).
4.3
Duldungsschuldner sind verpflichtet, die dem Hauptschuldner obliegende Leistung
regelmäßig aus fremden Mitteln zu bewirken, die ihrer Verwaltung unterliegen
(vgl. jedoch Nr. 4.3.3), und notfalls die Vollstreckung in diese Vermögenswerte
zu dulden. Ihre Verpflichtung kann beruhen
4.3.1
auf Vorschriften des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs. 2 und 3 VwVG NRW). In diesen
Fällen wird der Duldungsschuldner neben dem Selbstschuldner durch entsprechend
abgewandelten Leistungsbescheid (Nr. 6.1.2.1)
ausdrücklich in Anspruch zu nehmen sein;
4.3.2
auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
Beispiele:
Eltern (§§ 1626 und 1629 Abs. 2 BGB), Vormund (§ 1793 BGB),
Testamentsvollstrecker (§ 2213 BGB), Nachlassverwalter (§§ 1984, 1985 BGB), Nießbraucher
(§§ 1086, 1089 BGB) hinsichtlich der Abgabenschulden desjenigen, der den
Nießbrauch bestellt hat, § 11 des Anfechtungsgesetzes (AnfG).
Besonderer Bedeutung kommt aber dem bürgerlich-rechtlichen Anspruch aus § 11
AnfG zu, welcher einen Dritten
verpflichtet, das durch eine anfechtbare Rechtshandlung Erlangte dem Gläubiger
zur Verfügung zu stellen.
4.3.3
Besondere Fälle der öffentlich-rechtlichen Duldungspflicht bilden die
öffentlichen Lasten als dingliche Verwertungsrechte, die auf öffentlichem Recht
beruhen (§ 4 Abs. 3 VwVG NRW i. V. m. § 77 Abs. 2 AO) und die Duldungspflicht
des Eigentümers, der ein Grundstück erworben hat, nachdem im
Verwaltungszwangsverfahren eine Sicherungshypothek eingetragen worden ist (§ 52 VwVG NRW). In diesen Fällen muss
der Eigentümer auch wegen solcher rückständiger Leistungen, die er nicht
persönlich zu bewirken hatte, die Vollstreckung in das eigene belastete
Grundvermögen dulden oder ggf. durch freiwillige Leistung aus eigenen Mitteln
abwenden.
4.3.3.1
Als öffentliche Last werden in bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften nur
solche Abgaben ausdrücklich bezeichnet, die in einem inneren Zusammenhang mit
dem Grundstück stehen, insbesondere für Leistungen geschuldet werden, die
seiner dauernden Werterhaltung oder Wertsteigerung dienen (vgl. die Aufzählung
in Art. 1 und 2 des Ausführungsgesetzes zum Reichsgesetz über die Zwangsversteigerung
und die Zwangsverwaltung v. 23. September 1899 (SGV. NRW. 321)).
Beispiele für öffentliche
Lasten: die Grundsteuer (§ 12 GrStG), die Erschließungsbeiträge (§ 134 Abs. 2
BauGB), Kanalanschlussbeiträge und Beiträge für straßenbauliche Maßnahmen (§ 8
KAG), Kehr- und Überprüfungsgebühren, Beiträge der Wasser- und Bodenverbände (§
29 WVG).
4.3.3.2
Bestehen öffentliche Lasten in wiederkehrenden Leistungen, so erstrecken sie
sich wegen des letzten fällig gewordenen Teilbetrages, bei monatlicher Fälligkeit
wegen der letzten beiden Teilbeträge, auch auf die Miet- und
Pachtzinsforderungen (Gesetz über die Pfändung von Miet- und Pachtzinsforderungen
wegen Ansprüchen aus öffentlichen Grundstückslasten v. 9. März 1934 (RGBl. I S.
181)). Der Gläubiger kann durch ihre Pfändung die Unwirksamkeit von
Vorausverfügungen, die sein Recht beeinträchtigen könnten, herbeiführen und
mindestens eine Teilbefriedigung auch erreichen, ohne in das Grundstück selbst
vollstrecken zu müssen.
4.4
In allen Fällen hat die Vollstreckungsbehörde sorgfältig zu prüfen, wer im
Einzelfall als Vollstreckungsschuldner in Anspruch genommen werden kann und wer
zur wirksamen Vollstreckung allein oder neben dem Selbstschuldner in Anspruch genommen
werden muss.
4.4.1
Soweit es zur Vollstreckung in gewisse Vermögensmassen nach den §§ 737 – 749
ZPO vollstreckbarer Titel gegen mehrere Beteiligte bedarf, müssen auch vor
Einleitung des Verwaltungszwangsverfahrens gegen jeden von ihnen
Leistungsbescheide vorliegen und die übrigen Voraussetzungen für die
Vollstreckung (§ 6 VwVG NRW) gegeben sein oder geschaffen werden, unbeschadet
der gesetzlichen Bedingungen nach § 10 VwVG NRW. Dies gilt nicht in den durch §
9 VwVG NRW geregelten Fällen.
4.4.2
Bei Erlass des Leistungsbescheides gegen Haftungs- und Duldungsschuldner ist
darauf zu achten, dass auch der oder die Selbstschuldner darin angegeben werden.
5
Vermögensermittlung (zu § 5) und eidesstattliche Versicherung (zu § 5 a)
5.1
Vermögensermittlung
5.1.1
Durch § 5 VwVG NRW erhält die Vollstreckungsbehörde die ausdrückliche Befugnis,
zur Vorbereitung der Vollstreckung die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
des Vollstreckungsschuldners zu ermitteln. Die Ermittlung erfolgt nach den
Regeln des VwVfG NRW (siehe §§ 24 ff VwVfG NRW). Die Entscheidung zur
Ermittlung liegt im Ermessen der Vollstreckungsbehörde.
Der Hinweis auf § 30 AO stellt klar, dass eine Behörde die aufgrund eines
steuerrechtlichen Verfahrens ermittelten Schuldnerdaten auch dann verwenden
darf, wenn sie neben steuerlichen auch nichtsteuerliche Forderungen zu
vollstrecken hat (Ausnahmeregelung zu § 30 Abs. 4 AO).
5.1.2
Auskunftsrechte gegenüber Dritten
Bei der Ermittlung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse kommt dem Verweis
auf § 93 AO besondere Bedeutung zu. Dritte können dann zur Auskunftserteilung
oder zur Vorlage von Urkunden herangezogen werden, wenn
a) sich der Vollstreckungsschuldner weigert, bei der Ermittlung seiner
wirtschaftlichen Verhältnisse mitzuwirken (z.B. ein mit einer
Vollstreckungsankündigung versendetes Vermögensverzeichnis nicht ausfüllt),
b) der Vollstreckungsschuldner seiner Auskunfts- und Vorlagepflicht nur
unzureichend nachkommt oder
c) die Ermittlung beim Vollstreckungsschuldner keinen Erfolg verspricht (z.B.
Vorliegen eines unvollständigen oder unrichtigen Vermögensverzeichnisses).
Die Vorlage von Urkunden durch einen Dritten soll erst dann
verlangt werden, wenn die Vollstreckungsbehörde Anhaltspunkte dafür hat, dass
die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist.
Zur Auskunftserteilung kann jeder Dritte herangezogen werden, der nach den
Erkenntnissen der Vollstreckungsbehörde über die für die Vollstreckung
benötigten Daten verfügt. Stehen mehrere Dritte zur Auswahl, die der
Vollstreckungsbehörde die erforderliche Auskunft erteilen können, kann sie im
Rahmen ihres Ermessens und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
entscheiden, wen sie zur Auskunftserteilung heranzieht (vgl. BFH 7. Senat, Urteil vom 22.02.2000,
Az: VII R 73/98 - Verfassungsmäßigkeit § 93 AO, Auswahl des Auskunftspflichtigen).
Die Ermittlungsbefugnis wird lediglich durch spezialgesetzliche Regelungen eingeschränkt
(z. B. § 30 AO, § 68 SGB X, § 35 StVG). Datenschutzrechtliche Einschränkungen
ergeben sich nicht, da § 13 Abs. 2 Buchstabe i Datenschutzgesetz
Nordrhein-Westfalen bereits grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, zum Zwecke
der Vollstreckung Auskunftsersuchen an Dritte zu richten. Die Beeinträchtigung
wirtschaftlicher Interessen des Auskunftspflichtigen ist kein Grund, der die
Versagung der Auskunft rechtfertigt.
In dem Auskunftsersuchen ist genau anzugeben, welche Daten über den
Vollstreckungsschuldner benötigt werden. Es dürfen nur solche Daten erfragt
werden, die für die Beitreibung der Forderung erforderlich sind. Aus
datenschutzrechtlichen Gründen sollen in dem Auskunftsersuchen keine Angaben
zum Grund oder zur Höhe der Forderung erfolgen, es sei denn, die Angaben sind
zur Geltendmachung des Auskunftsanspruches dringend erforderlich.
Das Auskunftsersuchen ist ein Verwaltungsakt und kann mit Zwangsmitteln durchgesetzt
werden. Ein Widerspruch gegen das Auskunftsersuchen hat grundsätzlich keine
aufschiebende Wirkung, wegen des Eingriffs in die Rechtssphäre eines Dritten
ist aber bei der Einlegung eines Widerspruchs zu prüfen, ob vorübergehend von
der zwangsweisen Durchsetzung abgesehen wird.
Die vom Auskunftspflichtigen in Rechnung gestellten Kosten sind Kosten des
Zwangsvollstreckungsverfahrens und nach § 77 Abs. 1 VwVG NRW i. V. m. § 11 Nr.
9 KostO NRW vom Vollstreckungsschuldner zu tragen.
Die Anwendung des § 5 VwVG NRW ist auch dann zulässig, wenn eine im Geltungsbereich
des VwVG NRW ansässige Behörde um Amtshilfe ersucht wird. Von der
Ermittlungsbefugnis soll jedoch nur Gebrauch gemacht werden, wenn die
ersuchende Behörde dies ausdrücklich verlangt.
5.2
Eidesstattliche Versicherung (zu § 5 a)
5.2.1
Neben der Möglichkeit, die Wohnung und Behältnisse des Vollstreckungsschuldners
durch einen Vollziehungsbeamten durchsuchen zu lassen (§ 14 VwVG NRW), hat der
Gläubiger im Verwaltungszwangsverfahren nur ein Mittel in der Hand, um
festzustellen, ob der Vollstreckungsschuldner noch pfändbare
Vermögensgegenstände besitzt, in die sich eine Zwangsvollstreckung lohnt: die
Durchführung des Verfahrens zur Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung (e.
V.-Verfahren).
§ 5 a Satz 1 VwVG NRW sieht hinsichtlich der Zuständigkeit für die Abnahme der
e. V. eine Optionslösung vor. Damit wird die Vollsteckungsbehörde ermächtigt,
das Verfahren zur Abnahme der e. V. selbst durchzuführen oder einen
Gerichtsvollzieher zu beauftragen. Die Vollstreckungsbehörde ist nicht verpflichtet,
vorrangig das Verfahren zur Abnahme der e. V. selbst zu betreiben. Sie
entscheidet auf der Grundlage ihrer organisatorischen und personellen
Ausstattung, ob sie selbst e. V.-Verfahren durchführt. Auch wenn sie diese
grundsätzlich selbst durchführt, ist sie berechtigt, im Einzelfall aus
Zweckmäßigkeitsüberlegungen den Gerichtsvollzieher zu beauftragen. Mit der
Möglichkeit, die Zuständigkeit für das e. V.-Verfahren auf die
Vollstreckungsbehörde zu verlagern, wird die Verhandlungsposition gegenüber dem
Vollstreckungsschuldner gestärkt.
5.2.2
Abnahme der eidesstattlichen Versicherung durch den Gerichtsvollzieher
5.2.2.1
Nach § 5 a VwVG NRW wird für das Verfahren durch den Gerichtsvollzieher auf die
Vorschriften der §§ 899 - 915 h ZPO verwiesen.
Ist der Vollstreckungsschuldner eine juristische Person oder ein nicht
rechtsfähiger Verein, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz,
bei geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Personen nach ihrem
Wohnsitz.
5.2.2.2
Antrag
Vor der
Antragstellung hat die Vollstreckungsbehörde zu prüfen, ob der Vollstreckungsschuldner
bereits die e. V. innerhalb der letzten drei Jahre abgegeben hat und ggf. das
Vermögensverzeichnis beim zuständigen Amtsgericht anzufordern.
5.2.2.2.1
Antragsberechtigt sind der Gläubiger und die Vollstreckungsbehörde. Die
Vollstreckungsbehörde, die nach außen keiner Vollmacht des Gläubigers bedarf,
hat jedoch im Hinblick auf die Folgen, welche die Abnahme einer e. V. für die
wirtschaftliche Existenz und das allgemeine Ansehen des Vollsteckungsschuldners
haben kann, von ihrem Antragsrecht nur in Abstimmung mit dem Gläubiger Gebrauch
zu machen. Es muss stets der Gläubigerkörperschaft, beispielsweise einer Innung
oder einer Kammer, überlassen bleiben, ob sie ein Mitglied oder einen
beitragspflichtigen Angehörigen des Berufsstandes etwa wegen rückständiger
Beiträge zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zwingen lässt und damit
Gefahr läuft, das künftige Verhältnis zwischen Gläubiger und
Vollsteckungsschuldner zu belasten.
5.2.2.2.2
In dem Antrag ist die vollstreckbare Forderung genau zu bezeichnen. Der nach §
900 Abs. 1 ZPO dem Antrag beizufügende Vollstreckungstitel wird durch die
schriftliche Erklärung der Vollstreckungsbehörde über die Höhe und den Grund
der Forderung ersetzt. „Sonstige Urkunden“ (§ 900 Abs. 1 ZPO), z. B. Protokolle
über die fruchtlose Pfändung oder Versteigerungsprotokolle, Nachweise über
späteren Vermögenserwerb (§ 903 ZPO), sind ebenfalls vorzulegen, um dem
Gerichtsvollzieher die Entscheidung über die Verpflichtung zur Durchführung des
e. V.-Verfahrens zu ermöglichen.
5.2.2.2.3
Der Antrag auf Durchführung des e. V.-Verfahrens soll nur dann gestellt werden,
wenn ausreichende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass der
Vollstreckungsschuldner pfändbare Vermögenswerte, insbesondere Forderungen,
absichtlich verheimlicht oder dass er sich, obwohl er über laufende Einnahmen
verfügt, seiner Zahlungspflicht entziehen will. Haben Gläubiger oder
Vollstreckungsbehörde die Überzeugung gewonnen, dass der Vollstreckungsschuldner
weder zahlen kann noch pfändbare Vermögenswerte besitzt und ist auch nicht anzunehmen,
dass das pfändbare Vermögen durch Veräußerungen oder Verfügungen verringert
worden ist, so soll von der Einleitung des Verfahrens zur Abnahme einer e. V.
abgesehen und nicht noch unnötigerweise das Ansehen des Vollsteckungsschuldners
geschädigt werden. Der Antrag kann jedoch gestellt werden, um einen wirksamen
Druck auf einen zwar vermögenslosen, aber doch zahlungsfähigen
Vollsteckungsschuldner auszuüben.
Bei der Niederschlagung sind § 59 Abs. 1 Nr. 2 LHO und die dazu ergangenen VV
bzw. § 32 Abs. 2 GemHVO zu beachten.
5.2.3
Abnahme der eidesstattlichen Versicherung durch die Vollstreckungsbehörde
5.2.3.1
Für die Durchführung des e. V.- Verfahrens durch die Vollsteckungsbehörde
verweist § 5 a VwVG NRW auf die Anwendung des § 284 AO und ergänzend auf § 27
Abs. 4 und 5 VwVfG NRW. Im Falle der Verhaftung gilt § 6 a VwVG NRW
entsprechend. Für die Kosten ist § 7 b der KostO NRW anzuwenden.
5.2.3.2
Der Vollstreckungsschuldner kann nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 AO zur
lückenlosen Offenlegung seiner Vermögens- und Einkommensverhältnisse
aufgefordert werden, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und die darin enthaltenen
Angaben an Eides statt zu versichern, wenn die Voraussetzungen des § 6 VwVG NRW
und des § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 1 AO vorliegen. § 6 a VwVG NRW ist
zu beachten.
Die zuständige Vollstreckungsbehörde bestimmt sich nach § 5 a VwVG NRW i. V. m.
§ 284 Abs. 5 AO.
5.2.3.3
Liegen die Voraussetzungen zur Abnahme der e. V. vor, so hat die
Vollstreckungsbehörde zunächst zu prüfen, ob Hinderungsgründe nach § 5 a VwVG
NRW i. V. m. § 284 Abs. 4 AO (Schutzfrist) gegeben sind. Liegen keine
Hinderungsgründe vor, kann der Vollstreckungsschuldner zur Abgabe der e. V.
geladen werden. Das Vorliegen der Voraussetzungen für das e. V.-Verfahren ist
aktenkundig zu machen, da die Vollstreckungsbehörde dafür beweispflichtig ist.
Der Ladung ist das Vermögensverzeichnis beizufügen, das der Vollstreckungsschuldner
richtig und vollständig ausgefüllt zum Termin mitzubringen hat. Die Terminbestimmung
kann mit der Ladung verbunden werden. Die Ladung ist ein Verwaltungsakt, der
mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen werden sollte (vgl. Nr. 5.2.3.9.3).
Ist der Vollstreckungsschuldner eine juristische Person, ist der gesetzliche
Vertreter zu laden.
Die Terminbestimmung kann auch mit einem gesonderten Schreiben erfolgen, das
dem Vollstreckungsschuldner erst übersandt werden sollte, wenn die Ladung
bestandskräftig ist.
Mit der Terminbestimmung sollte der Vollstreckungsschuldner über die Folgen
seines Nichterscheinens zu dem für die Abgabe der e. V. anberaumten Termin
hingewiesen werden.
5.2.3.4
Im Termin zur Abnahme der e. V. ist das vom Vollstreckungsschuldner ausgefüllte
Vermögensverzeichnis auf Richtigkeit und Vollständigkeit von der
Vollstreckungsbehörde zu prüfen und mit ihm zu erörtern. Soweit Ergänzungen
erforderlich sind, sind diese in das Vermögensverzeichnis einzutragen.
Während des Termins ist gemäß § 27 Abs. 5 VwVfG NRW eine Niederschrift
anzufertigen.
Die Abnahme der e. V. liegt im Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Sie kann z.
B. davon absehen, wenn nur noch eine geringfügige Forderung rückständig ist und
die Abnahme der e. V. mit den durch die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis
verbundenen Nachteilen in keinem angemessenen Verhältnis steht.
Entscheidet sich die Vollstreckungsbehörde, das vorliegende
Vermögensverzeichnis an Eides statt versichern zu lassen, so ist der
Vollstreckungsschuldner vorher über die rechtliche Bedeutung zu belehren. Dazu
gehören
- die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts,
- die Dauer der Eintragung,
- das Erlöschen der Eintragung vor Fristablauf bei vorzeitiger Tilgung der
rückständigen Forderung,
- die strafrechtlichen Folgen der e. V. (§§ 156, 163 Abs. 1 StGB).
Die Belehrung über die
strafrechtlichen Folgen hat besondere Bedeutung, wenn nach Ansicht der
Vollstreckungsbehörde das an Eides statt zu versichernde Vermögensverzeichnis
offensichtlich unrichtig oder unvollständig ist. Der Vollstreckungsschuldner
ist auf diese offensichtliche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit besonders
hinzuweisen.
Die Eidesformel, die vom Vollstreckungsschuldner mündlich zu sprechen ist, lautet:
„Ich versichere an Eides Statt, dass ich die von mir im Vermögensverzeichnis
verlangten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig
gemacht habe.“
Weigert sich der Vollstreckungsschuldner, die Angaben im Vermögensverzeichnis
an Eides statt zu versichern, so ist er darüber zu belehren, dass die
Vollstreckungsbehörde die Möglichkeit hat, einen Haftbefehl zu beantragen.
Während des Termins ist gemäß § 27 Abs. 5 VwVfG NRW eine Niederschrift zu
erstellen.
Die Abnahme der e. V. ist unzulässig,
wenn der Vollstreckungsschuldner gegen die Ladung zur Abgabe der e. V.
Widerspruch erhoben hat, über den noch nicht unanfechtbar entschieden ist, es
sei denn, dass der Widerspruch nicht begründet oder bereits früher über diese
Einwendungen unanfechtbar entschieden worden ist.
5.2.3.5
Inhalt des Vermögensverzeichnisses
In dem Vermögensverzeichnis hat der Vollstreckungsschuldner alle Vermögenswerte
anzugeben, die möglicherweise dem Zugriff der Vollstreckung unterliegen. Zu
erklären ist das gesamte Aktivvermögen des Vollstreckungsschuldners, selbst
wenn es bereits für andere Gläubiger abgetreten oder gepfändet ist. Das sind
außer den einzelnen beweglichen und unbeweglichen Gegenständen alle Forderungen
– auch nicht fällige, bedingte und unsichere Forderungen – sowie sonstige Vermögensrechte
i. S. d. § 50 VwVG NRW.
Bei treuhänderischer Übereignung an einen Dritten sind die Ansprüche aus dem
Treuhandverhältnis auf Rückgewähr zu erklären. Gegenstände, die dem
Verpflichteten treuhänderisch übertragen sind, müssen ebenfalls als zu seinem
Vermögen gehörend behandelt werden.
Neben dem beweglichen und unbeweglichen Vermögen sind auch die – im Hinblick
auf die Anfechtungsmöglichkeiten nach § 3 AnfG – in den letzten zwei Jahren
vorgenommenen entgeltlichen Veräußerungen des Vollstreckungsschuldners an eine
nahe stehende Person (§ 138 InsO) sowie die unentgeltlich vorgenommenen
Leistungen in den letzten vier Jahren vor dem ersten zur Abgabe der e. V.
anberaumten Termin anzugeben (§ 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 2 AO).
Gelegenheitsarbeiter sind verpflichtet, die Arbeitgeber der letzten zwölf
Monate und den durchschnittlich täglich erzielten Arbeitslohn anzugeben
(Beschluss des LG Frankenthal v. 24.08.1984).
Vermögenswerte, die kein Vermögensrecht darstellen, bloße Erwerbsmöglichkeiten
(z. B. Kundenkreis, Know-how) und Rechtsverhältnisse, aus denen Forderungen
noch nicht entstanden sind (z. B. Makleraufträge), brauchen ebenso wenig
erklärt zu werden wie wertlose Sachen. Gleiches gilt für offensichtlich der
Pfändung nicht unterworfene Sachen i. S. d. § 811 Nr. 1 und 2 ZPO, es sei denn,
dass eine Austauschpfändung in Betracht kommt.
Die Beurteilung, ob eine Sache unpfändbar ist, obliegt nicht dem
Vollstreckungsschuldner, sondern der Vollstreckungsbehörde.
Aus dem Zweck der e. V. folgt letztlich die Verpflichtung des
Vollstreckungsschuldners, den Ort, wo sich die einzelnen Gegenstände befinden,
näher zu bezeichnen.
5.2.3.6
Zur Abgabe der e. V. verpflichtete Personen
Zur Abgabe der e. V. sind nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 AO verpflichtet:
- der Vollstreckungsschuldner,
folglich auch der Haftungs- und Duldungsschuldner,
- der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, eines Geschäftsunfähigen
oder in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten,
- Personen i. S. d. § 34 Abs. 2 und 3 AO im Rahmen des ihnen zugewiesenen
Aufgabenbereichs,
- Personen i. S. d. § 35 AO im Rahmen ihrer Verfügungsbefugnis.
Wer nicht selbst
Vollstreckungsschuldner ist, sondern eine Vermögensmasse verwaltet, hat die e.
V. mit Beschränkung auf diese Masse abzugeben.
Zur Abgabe der e. V. für eine gesetzlich vertretene natürliche oder juristische
Person ist verpflichtet, wer diese Person im Zeitpunkt des Termins zur Abgabe
der e. V. vertritt. Erfolgt die Niederlegung des Amtes oder die Abberufung des
gesetzlichen Vertreters mit dem Ziel, sich der Verpflichtung zur Abgabe der e.
V. zu entziehen, bleibt der bisherige gesetzliche Vertreter gleichwohl zur
Abgabe der e. V. verpflichtet.
5.2.3.7
Zur Abnahme der e. V. berechtigte Personen
Kraft Gesetzes sind zur Abnahme der e. V. nur der Leiter der
Vollstreckungsbehörde sowie dessen allgemeiner Vertreter befugt. Außerdem sind
andere Angehörige des öffentlichen Dienstes befugt, soweit sie die Befähigung
zum Richteramt haben oder die Voraussetzungen des § 110 Satz 1 des Deutschen
Richtergesetzes erfüllen.
Andere Angehörige des öffentlichen Dienstes können durch den Leiter der
Vollstreckungsbehörde oder dessen allgemeinen Vertreter hierzu allgemein oder
im Einzelfall beauftragt werden. Es ist darauf zu achten, dass die ausgewählte
Person (z. B. der Vollziehungsbeamte) die erforderlichen Kenntnisse über die
Durchführung eines ordnungsgemäßen e. V.-Verfahrens (z. B. durch Fortbildung)
besitzt.
5.2.3.8
Nach der Abnahme der e. V. ist das vollständige Vermögensverzeichnis nebst
Anlagen zeitnah dem zuständigen Amtsgericht zur Eintragung in das
Schuldnerverzeichnis zuzuleiten. Hierbei ist der Zeitpunkt der Abgabe der e. V.
anzugeben. Es ist unzulässig, die e. V. abzunehmen und das Vermögensverzeichnis
nicht an das Amtsgericht weiterzuleiten.
5.2.3.9
Widerspruch
Gegen die Ladung zur Abgabe der e. V. kann der Vollstreckungsschuldner gemäß §
5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 6 Satz 2 AO Widerspruch einlegen. Hierfür
gelten die Regelungen der VWGO für das Widerspruchsverfahren. Der Widerspruch
hat aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt, wenn der
Widerspruch ohne Begründung eingelegt wird oder die Einwendungen bereits in
einem früheren Verfahren unanfechtbar zurückgewiesen worden sind. Die Regelung
des § 284 Abs. 6 Satz 2 AO stellt insoweit eine besondere Regelung i. S. d. §
80 Abs. 2 letzter Satz VwGO dar.
Soweit der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, ist der
Widerspruchsführer mit der Bestätigung über den Eingang seines Widerspruchs
darauf hinzuweisen, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet
und er weiterhin verpflichtet ist, zu dem für die Abgabe der e. V. anberaumten
Termin zu erscheinen. Die Eingangsbestätigung sollte auf die möglichen Folgen
des Nichterscheinens hinweisen.
5.2.3.9.1
Einwendungen,
die den zu vollstreckenden Verwaltungsakt betreffen, sind unter Hinweis auf § 7
Abs. 1 und 2 VwVG NRW zurückzuweisen. Hierzu zählt z. B. der Einwand des
Vollstreckungsschuldners, die Höhe der beizutreibenden Forderung sei
unzutreffend.
Gründe, auf die ein Widerspruch
gestützt werden kann, sind z. B.
- die Vollstreckung hat zur vollständigen Befriedigung geführt,
- es ist noch ausreichend verwertbares Vermögen vorhanden,
- der Vollstreckungsschuldner ist nicht der zur Abgabe der e. V. Verpflichtete,
- die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit (§ 6 VwVG NRW) sind nicht gegeben,
- über einen Antrag auf Vollstreckungsaufschub, Stundung, Erlass oder
Aussetzung der Vollziehung ist bisher nicht entschieden.
Soweit der
Vollstreckungsschuldner geltend macht, er sei aus gesundheitlichen Gründen zur
Abgabe der e. V. nicht in der Lage, sind die folgenden Fallgestaltungen zu unterscheiden:
- Weist der
Vollstreckungsschuldner auf eine plötzlich aufgetretene Erkrankung hin, wendet
er sich in der Regel nicht gegen die ihm auferlegte Verpflichtung zur Abgabe
der e. V., sondern möchte im Allgemeinen nur eine Verlegung des Termins
erreichen. In diesen Fällen bestehen gegen eine kurzfristige, sich an der
voraussichtlichen Krankheitsdauer orientierenden Terminverschiebung keine
Bedenken, wenn der Vollstreckungsschuldner seine Erkrankung z. B. durch Vorlage
eines ärztlichen Attests glaubhaft macht.
Ist dem Vollstreckungsschuldner infolge der Erkrankung lediglich das Erscheinen
bei der Vollstreckungsbehörde nicht möglich, kann die Vollstreckungsbehörde die
e. V. auch in der Wohnung des Vollstreckungsschuldners abnehmen. Weist der
Vollstreckungsschuldner einen entsprechenden Vorschlag der
Vollstreckungsbehörde ohne stichhaltige Begründung zurück, gilt die Abgabe der
e. V. als verweigert, so dass das zuständige Amtsgericht um Anordnung der Haft
ersucht werden kann.
- Hält sich der
Vollstreckungsschuldner infolge seines gesundheitlichen Zustandes für unfähig,
der Offenbarungspflicht als solcher nachzukommen, ist sein Einwand als
Widerspruch zu werten. Bei der Entscheidung hierüber ist zu beachten, dass eine
Befreiung von seiner Verpflichtung nur dann zu rechtfertigen ist, wenn die
Abgabe der e. V. aufgrund schwerwiegender körperlicher oder seelischer
Störungen des Vollstreckungsschuldners eine drohende Gefahr für dessen Leib
oder Leben darstellt. Die Verpflichtung zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses
ist davon grundsätzlich nicht betroffen.
Für die behauptete gesundheitliche Beeinträchtigung ist der Vollstreckungsschuldner
beweispflichtig. Die ärztliche Bescheinigung muss konkrete und nachvollziehbare
Gründe beinhalten. Die Vollstreckungsbehörde kann auch verlangen, dass die
behaupteten Beeinträchtigungen durch ein amtsärztliches Zeugnis nachgewiesen
werden.
Im Übrigen muss die Vollstreckungsbehörde bei der Beurteilung der Frage, ob der
Vollstreckungsschuldner zur Abgabe der e. V. aus gesundheitlichen Gründen
tatsächlich nicht in der Lage ist, alle Umstände des Einzelfalles einfließen
lassen (z. B. Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit, Tätigkeit als
Geschäftsführer).
5.2.3.9.2
Einwendungen nach der Haftanordnung
Soweit der Vollstreckungsschuldner erst bei der Vollziehung des Haftbefehls
gegenüber dem Gerichtsvollzieher (§ 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 8 AO)
geltend macht, aus Krankheits- oder Altersgründen die e. V. nicht leisten zu
können, obliegt es dem Gerichtsvollzieher zu prüfen, ob Haftunfähigkeit vorliegt.
Geht der Gerichtsvollzieher im Einzelfall nach Ansicht der
Vollstreckungsbehörde zu Unrecht von der Haftunfähigkeit des
Vollstreckungsschuldners aus, kann die Vollstreckungsbehörde gegen die
Entscheidung nach § 766 ZPO Erinnerung einlegen. Dabei kann eine amtsärztliche
Untersuchung zur Prüfung der Haftunfähigkeit des Vollstreckungsschuldners
angeregt werden. Die Kosten sind nach § 788 ZPO vom Vollstreckungsschuldner zu
tragen.
5.2.3.9.3
Terminbestimmung nach dem Widerspruch
Die e. V. kann gemäß § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 6 Satz 2 AO erst
abgenommen werden, wenn die Entscheidung über den Widerspruch des
Vollstreckungsschuldners unanfechtbar geworden ist. Die Anordnung der
sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist daher ausgeschlossen.
Bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit ist die Terminbestimmung, nicht aber die
bereits an den Vollstreckungsschuldner ergangene Ladung, aufzuheben.
Die aufschiebende Wirkung eines fristgemäß eingelegte Widerspruchs ist nach dem
Beschluss des BFH vom 25.11.1997 (Az: VII B 188/97) nur davon abhängig, dass
der Widerspruch begründet worden ist und die vorgebrachten Einwendungen nicht
bereits in einem früheren Verfahren unanfechtbar zurückgewiesen worden sind.
Aufgrund der ergangenen Rechtsprechung sollte daher die Ladung mit einer
Rechtsbehelfsbelehrung versehen werden. Enthält der eingelegte Widerspruch
keine Begründung, kommt ihm keine aufschiebende Wirkung zu (§ 5 a VwVG NRW i.
V. m. § 284 Abs. 6 Satz 2 AO).
Macht der Vollstreckungsschuldner im Rahmen eines Widerspruchs Einwendungen
geltend, deren Gründe erst nach der Unanfechtbarkeit der früheren Entscheidung entstanden
sind (z. B. zwischenzeitliche Abgabe der e. V. gegenüber einem anderen
Gläubiger), so haben diese Einwendungen aufschiebende Wirkung.
5.2.3.9.4
Widerspruch im Amtshilfeverfahren
Wird die Vollstreckungsbehörde aufgrund eines Amtshilfeersuchens für eine
andere Vollstreckungsbehörde tätig, so ist bei den Einwendungen des
Vollstreckungsschuldners zu unterscheiden, ob diese sich gegen die
Terminbestimmung richten, oder gegen die Anordnung zur Abgabe der e. V. Den
Einwendungen gegen die Terminbestimmung kann die ersuchte Behörde z. B. durch
eine Verlegung des Termins entsprechen. Richten sich die Einwendungen gegen die
Anordnung zur Abgabe der e. V., entscheidet die Vollstreckungsbehörde, die die
Anordnung erlassen hat, über die Einwendungen.
5.2.3.10
Erzwingung zur Aufstellung des Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der e. V.
Verlangt die Vollstreckungsbehörde als Maßnahme des § 5 VwVG NRW nur die
Vorlage eines Vermögensverzeichnisses, nicht aber zugleich die e. V., so kann
sie die Vorlage des Vermögensverzeichnisses nach den §§ 57 ff. VwVG NRW
erzwingen.
Betreibt die Vollstreckungsbehörde das Verfahren nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. §
284 AO und ist der Vollstreckungsschuldner ohne ausreichende Entschuldigung dem
anberaumten Termin ferngeblieben oder verweigert er ohne Grund die Vorlage des
Vermögensverzeichnisses oder die Abgabe der e. V., kann die
Vollstreckungsbehörde das zuständige Amtsgericht um Erlass eines Haftbefehls
zur Erzwingung der e. V. ersuchen (vgl. § 284 Abs. 8 AO).
Gegen die Zurückweisung des Ersuchens kann die Vollstreckungsbehörde die Beschwerde
nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 9 AO i. V. m. den §§ 567 bis 577 ZPO
erheben; sie ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der gerichtlichen
Entscheidung einzulegen.
Der Vollstreckungsschuldner kann nach § 793 ZPO gegen die Haftanordnung
sofortige Beschwerde einlegen, sobald er von der Haftanordnung Kenntnis erlangt
hat oder davon hätte Kenntnis erlangen müssen.
Der Antrag der Vollstreckungsbehörde an das Amtsgericht auf Erlass eines
Haftbefehls zur Erzwingung der e. V. gemäß § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 8
Satz 1 AO ist in Bezug auf den Vollstreckungsschuldner ein mit dem Widerspruch
anfechtbarer Verwaltungsakt. Er ist daher auch dem Vollstreckungsschuldner
gemäß § 41 VwVfG NRW bekannt zu geben.
Sobald der Vollstreckungsbehörde der beantragte Haftbefehl vorliegt, ist dessen
Vollstreckung unverzüglich bei der Gerichtsvollzieherverteilungsstelle des
zuständigen Amtsgerichts zu beantragen. Eine Aufstellung über die Höhe und den
Grund der rückständigen Forderungen ist beizufügen, damit der
Vollstreckungsschuldner durch vollständige Tilgung der Forderungen die
Verhaftung abwenden kann.
Die e. V. kann nach der erfolgten Verhaftung durch die Vollstreckungsbehörde
abgenommen werden. Ist die Vollstreckungsbehörde nicht erreichbar oder findet
die Verhaftung nicht am Sitz der Vollstreckungsbehörde statt, führt der
Gerichtsvollzieher die Abnahme der e. V. durch.
5.2.3.11
Nachbesserung eines im e. V.-Verfahren aufgestellten Vermögensverzeichnisses
Nach Abgabe der e. V. kommt der Vollstreckungsschuldner in den Genuss einer
dreijährigen Schutzfrist (§ 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 4 AO), innerhalb
der er nur unter besonderen Voraussetzungen zur erneuten Abgabe der e. V.
geladen werden kann. Von der Ladung zur Abgabe einer erneuten e. V. ist die
Nachbesserung eines unvollständigen Vermögensverzeichnisses zu unterscheiden.
Zur Nachbesserung kann ein Schuldner aufgefordert werden, wenn das
Vermögensverzeichnis formell fehlerhaft ist (z. B. Adresse des Arbeitgebers
fehlt, Einkommensbeträge sind ohne Zeitraum angegeben, Auslassungen in den
Antwortspalten). Das Nachbesserungsverfahren ist eine Fortführung des alten e.
V.-Verfahrens und von der Stelle durchzuführen, die das formell fehlerhafte e.
V.-Verfahren durchgeführt hat.
Materielle Unrichtigkeiten im Vermögensverzeichnis können lediglich
strafrechtlich geahndet werden.
5.2.3.12
Abschriften des Vermögensverzeichnisses für andere Gläubiger
Nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 Abs. 7 Satz 1 AO hat die
Vollstreckungsbehörde die persönlichen Daten des Vollstreckungsschuldners sowie
den Tag der Abgabe der e. V. dem Amtsgericht zur Aufnahme in das
Schuldnerverzeichnis mitzuteilen und eine beglaubigte Abschrift des vollständigen
Vermögensverzeichnisses zu übersenden. Die nach § 284 Abs. 7 Satz 2 AO entsprechend
anzuwendenden Vorschriften der §§ 915 a ff. ZPO rechtfertigen es nicht, Dritten
Abschriften des Vermögensverzeichnisses zu übersenden. Dies liegt ausschließlich
in der Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts.
5.2.4
Strafanzeige wegen einer falschen Versicherung an Eides statt
Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides statt zuständigen Behörde
eine solche Versicherung vorsätzlich falsch abgibt, wird mit Freiheitsstrafe
bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft (§ 156 StGB). Wird die
Tat fahrlässig begangen, so tritt Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder
Geldstrafe ein (§ 163 StGB).
Personen, die das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die
wegen mangelnder Verstandesreife oder Verstandesschwäche vom Wesen oder von der
Bedeutung eines Eides keine genügenden Vorstellungen haben, sind nicht
eidesmündig und können folglich nicht Täter einer Straftat nach den §§ 156, 163
StGB sein.
Falsch ist die Versicherung, wenn das, was ausgesagt oder bekundet wird, mit
den tatsächlichen Verhältnissen objektiv nicht übereinstimmt. Die Strafbarkeit
nach den §§ 156, 163 StGB richtet sich nach den Grenzen der Aussage- und
Wahrheitspflicht des § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 AO. Weitergehende Angaben
sind im Falle der Unrichtigkeit daher nicht tatbestandsgemäß.
Wird festgestellt, dass eine zur Abgabe der e. V. verpflichtete Person im
Verfahren nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 284 AO vor der Vollstreckungsbehörde
oder vor dem zuständigen Amtsgericht tatbestandsmäßig i. S. d. §§ 156 oder 163
StGB gehandelt hat, kann eine Strafanzeige bei der Strafverfolgungsbehörde
erstattet werden. Datenschutzrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen.
6
Voraussetzungen für die Vollstreckung (zu § 6) und Einstellung und Beschränkung
der Vollstreckung (zu § 6 a)
6.1
Voraussetzungen für die Vollstreckung (zu § 6)
6.1.1
Die Vollstreckungsbehörde ist gehalten, vor der Anordnung von
Vollstreckungsmaßnahmen - dazu gehört auch die Einleitung des e.V.-Verfahrens
nach § 5 a VwVG NRW – die Feststellung zu treffen, ob die in § 6 VwVG NRW
genannten Voraussetzungen vorliegen. Eine derartige Prüfung ist besonders dann
sehr sorgfältig vorzunehmen, wenn die Vollstreckungsbehörde nicht gleichzeitig
Gläubiger ist.
Die Vollstreckung aus einem nicht mehr anfechtbaren Verwaltungsakt ist wegen
Nichtigkeit der ihm zugrunde gelegten materiellen Norm nur unzulässig, wenn
diese Norm von einem Verfassungsgericht für nichtig erklärt worden ist (OVG
Münster v. 9.12.1964, Az: III A 3/64).
Wird dagegen die Nichtigkeit einer Satzung durch ein Verwaltungsgericht
festgestellt, nachdem der Heranziehungsbescheid unanfechtbar geworden ist, so
wird dadurch die Vollstreckung aus diesem Heranziehungsbescheid nicht
unzulässig (OVG Münster vom 20.1.1965, Az: III A 604/64).
6.1.2
Der Leistungsbescheid ist, wenn und soweit er eine öffentlich-rechtliche Geldforderung
zum Gegenstand hat, Verwaltungsakt. Er wird mit der Bekanntgabe an den
Vollstreckungsschuldner wirksam und kann mit Widerspruch und anschließender
Klage beim Verwaltungsgericht angefochten werden. Bei der Beitreibung zugelassener privatrechtlicher Forderungen
tritt an die Stelle des Leistungsbescheides die Zahlungsaufforderung. Die
Zahlungsaufforderung muss ebenso wie der Leistungsbescheid inhaltlich
hinreichend bestimmt sein (§ 37 VwVfG NRW) (siehe Nr. 6.1.2.1).
6.1.2.1
Der Leistungsbescheid muss die ausdrückliche Aufforderung an den
Vollstreckungsschuldner enthalten, die geschuldete, der Höhe und dem Grunde
nach genau zu bezeichnende Leistung bei einer ebenfalls genau zu bezeichnenden
Zahlstelle zu bewirken. Gegenüber einem Duldungsschuldner (§ 4 Abs. 2 und § 10 VwVG NRW) muss er die Aufforderung enthalten, zur Vermeidung der
Zwangsvollstreckung in die näher bezeichnete Vermögensmasse die Begleichung der
Schuld zu veranlassen. Der Leistungsbescheid muss auch erkennen lassen, ob die
Leistung bereits fällig ist oder wann sie fällig wird.
6.1.2.2
In den folgenden drei Fällen bedarf es keines ausdrücklichen Leistungsbescheids
des Gläubigers:
a) Selbstberechnungserklärung (Nr. 6.1.2.2.1),
b) Beitragsnachweisung (Nr. 6.1.2.2.2),
c) Beitreibung von Nebenforderungen (Nr. 6.1.2.2.3).
6.1.2.2.1
Verschiedene Abgaben werden zwar nach deren Regelung in Gesetzen oder
Ortssatzungen zu bestimmten Terminen fällig, sind aber ihrer Höhe nach vom
Erklärungspflichtigen selbst einzuschätzen. In diesen Fällen steht die vom
Pflichtigen an die Steuerbehörde abzugebende Selbstberechnungserklärung (jetzt:
Steueranmeldung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 a und b KAG i. V. m. § 150 Abs. 1 Satz
3 und § 167 AO), mit welcher der Pflichtige auch die Höhe seiner Verpflichtung
anerkannt hat, dem Leistungsbescheid gleich (§ 6 Abs. 2 Buchstabe a VwVG NRW).
Die Annahme der Selbstberechnungserklärung durch den Gläubiger wird also wie
ein belastender Verwaltungsakt behandelt. Da sie als Erklärung des Pflichtigen
keine Rechtsbehelfsbelehrung des Gläubigers enthalten kann, ist sie, falls der
Pflichtige nachträglich einen Fehler feststellen sollte, noch innerhalb eines
Jahres durch Widerspruch anfechtbar (§ 58 Abs. 2 i. V. m. § 70 Abs. 2 VwGO).
6.1.2.2.2
In gleicher Weise wird der Leistungsbescheid ersetzt durch die Beitragsnachweisung,
die der Arbeitgeber nach den Satzungen zahlreicher Krankenversicherungsträger
gegenüber der Krankenkasse hinsichtlich der Beiträge zur Sozialversicherung und
zur Arbeitslosenversicherung abzugeben hat (§ 6 Abs. 2 Buchstabe b VwVG NRW).
Eines Leistungsbescheides der Krankenkasse bedarf es nur noch in den Fällen, in
denen der Grundlohn als Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge
nach Lohnstufen festgesetzt wird und in den Fällen der Beitragsnachweisung, in
denen sich bei einer späteren Überprüfung des Betriebes herausstellt, dass die
Beitragsnachweisung unrichtig war und höhere Beiträge geschuldet werden.
Hinsichtlich der Anfechtung der Nachweisung durch den Arbeitgeber gilt Nr.
6.1.2.2.1 entsprechend.
6.1.2.2.3
Nebenforderungen (Säumniszuschläge, Kosten, u. U. Zinsen - vgl. Nr. 6.1.2.3)
können ohne besonderen Leistungsbescheid beigetrieben werden, wenn im
Leistungsbescheid über die Hauptforderung oder in der Mahnung wenigstens dem
Grunde nach, bei Säumniszuschlägen und Zinsen üblicherweise unter Angabe eines
Vomhundertsatzes, auf sie hingewiesen worden ist. Der Vollstreckungsschuldner
muss jedenfalls über seine Verpflichtung zur Erfüllung von Nebenforderungen dem
Grunde und dem Umfang nach vor Beginn der Vollstreckung unterrichtet werden.
Das gilt sowohl, wenn sie zusammen mit der Hauptforderung, als auch dann, wenn
sie selbständig beigetrieben werden sollen, etwa weil der
Vollsteckungsschuldner inzwischen die Hauptforderung unter Ablehnung aller
Nebenforderungen beglichen hat. In diesem Fall wird ihre Beitreibung auch durch
den Verzicht auf Schonfrist und Mahnung erleichtert (§ 6 Abs. 4 VwVG NRW).
Bedarf es in besonderen Fällen, etwa wegen Unübersichtlichkeit der Verpflichtungen,
doch eines Leistungsbescheids über Nebenforderungen, so erlässt ihn regelmäßig
die Vollstreckungsbehörde.
6.1.2.3
Zinsen, insbesondere Verzugszinsen und Stundungszinsen, dürfen für öffentlich-rechtliche
Forderungen jedenfalls dann berechnet werden, wenn eine Rechtsvorschrift das
ausdrücklich vorschreibt oder zulässt (z. B. § 12 Abs. 1 Nr. 5 b und Abs. 3 KAG
i. V. m. §§ 233 bis 239 AO, § 135 BauGB, § 59 LHO, § 32 Abs. 1 GemHVO, § 59
Abs. 3 VwVG NRW). Freiwillig vereinbarte Stundungszinsen können im
Verwaltungsverfahren beigetrieben werden, wenn es sich um eine zulässige
öffentlich-rechtliche Vereinbarung handelt (§ 61 VwVfG NRW).
6.1.3
Durch die in § 6 Abs. 1 Nr. 3 VwVG NRW vorgeschriebene Einhaltung einer
Schonfrist von einer Woche wird nicht etwa der - vielfach gesetzlich bestimmte
- Fälligkeitstermin hinausgeschoben, sondern lediglich der Beginn der
Vollstreckung im Interesse des
Vollstreckungsschuldners verzögert. Der Vollsteckungsschuldner, der
diese Schonfrist und die nach § 19 VwVG NRW einzuhaltende Mahnfrist ausnutzt,
muss regelmäßig die üblichen Verzugsfolgen tragen. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 b KAG
i. V. m. § 240 Abs. 3 AO wird aber bei einer Säumnis bis zu fünf Tagen ein
Säumniszuschlag grundsätzlich nicht erhoben (siehe auch § 18 Abs. 4 GebG NW).
6.1.3.1
Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob eine vor Ablauf der Schonfrist
getroffene Vollstreckungsmaßnahme unwirksam oder zwar formell wirksam (so dass
die Beseitigung der Pfandsiegelmarke strafbar wäre), aber materiell schwebend
unwirksam ist und erst mit Ablauf der
Wochenfrist rechtswirksam wird. Einigkeit besteht aber darüber, dass die
Heilung von Mängeln der Zwangsvollstreckung jedenfalls für die Zukunft möglich
ist, sofern das Fehlende vor verwaltungsgerichtlicher Aufhebung der
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nachgeholt werden kann (OVG Münster, Beschluss v.
15.7.1964, Az: II B 380/64).
6.1.3.2
Die Schonfrist braucht nur eingehalten zu werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben
ist. Etwas anderes ist z.B. vorgeschrieben in § 6 Abs. 4, § 43 Abs. 3 und § 53
VwVG NRW. Danach kann ohne Einhaltung der Schonfrist und auch ohne Mahnung
a) die Vollstreckung von Zwangsgeldern und Kosten der Ersatzvornahme betrieben
werden. Das entspricht dem Wesen der Zwangsmittel als Beugemittel zur
fristgerechten Durchsetzung eines bestimmten Verhaltens des Pflichtigen;
b) selbständig die Vollstreckung wegen Nebenforderungen betrieben werden (vgl.
Nr. 6.1.2.2.3);
c) im Sicherungsverfahren nach § 53 VwVG NRW der Arrestantrag unter den dort genannten
Voraussetzungen sofort, sogar schon ehe der Anspruch zahlenmäßig feststeht, gestellt
oder selbst verfügt werden. In Vollziehung des Arrestes kann auch vor Ablauf
der Wochenfrist gepfändet werden (vgl. Nr. 53.1.1).
6.1.4
Die Mahnung des Vollstreckungsschuldners nach § 19 VwVG NRW braucht sich nicht
mehr an die Schonfrist anzuschließen, sie kann vielmehr bereits am 1. Tage der
Schonfrist ausgesprochen werden. Die Mahnfrist deckt sich dann weitgehend mit
der Schonfrist. Im günstigsten Fall kann also bereits am 8. oder 9. Tage nach
Fälligkeit der Leistung mit der Vollstreckung begonnen werden.
6.1.5
Mit der Zwangsvollstreckung kann unter Einhaltung der Schonfrist und ggf. der
Mahnfrist bereits begonnen werden, ehe der Leistungsbescheid unanfechtbar
geworden ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten haben
Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Nur
in anderen Fällen bedarf es u. U. der Anordnung der sofortigen Vollziehung
gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO durch diejenige Stelle, die den Leistungsbescheid
erlassen hat, um im Falle des Widerspruchs die Vollstreckung fortsetzen zu
können.
6.1.6
Im Falle der nachträglichen Stundung durch den Gläubiger bedarf es keines neuen
Leistungsbescheides, um nach Ablauf der Stundungsfrist ohne neue Mahnung und
Schonfrist mit der Vollstreckung beginnen oder fortfahren zu können.
6.1.7
Auch wenn die formalen Voraussetzungen des § 6 VwVG NRW gegeben sind, sollte
die Vollstreckungsbehörde erst prüfen, ob ein Vollstreckungsverfahren geboten
ist, z.B. auch, um die Verjährung zu unterbrechen, oder ob einer der
nachstehend unter Nr. 6.1.7.1 Buchstabe a und b genannten Gründe es vertretbar
erscheinen lässt, davon Abstand zu nehmen (vgl. jedoch Nr. 6.1.8). Diese
Prüfung ist, soweit erforderlich, im Benehmen mit dem Gläubiger im Verlauf des
Zwangsverfahrens zu wiederholen, sobald sich neue Gesichtspunkte ergeben.
6.1.7.1
Von Vollstreckungsmaßnahmen ist im Allgemeinen - im Falle des Buchstaben a
wenigstens kurzfristig - Abstand zu nehmen, wenn
a) auf Grund vom Vollstreckungsschuldner vorgelegter Unterlagen, z.B. über
einen aussichtsreichen Schriftwechsel mit dem Gläubiger, mit Tilgung der Schuld
durch Zahlung, Aufrechnung oder Erlass, in nächster Zeit zu rechnen ist;
b) die Beitreibung aussichtslos erscheint wegen Zahlungsunfähigkeit des
Vollstreckungsschuldners oder wegen vorgehender Rechte anderer Gläubiger an den
zu pfändenden Vermögenswerten.
6.1.7.2
Gegebenenfalls ist bei der zuständigen Stelle die Stundung, die Niederschlagung
oder der Erlass herbeizuführen (vgl. § 16 Abs. 2 GemKVO). Die Bestimmungen des
§ 59 LHO und der dazu ergangenen VV, des § 12 Abs. 1 Nr. 5 a KAG i. V. m §§ 222
und 227 AO sowie des § 32 GemHVO sind zu beachten. Wegen der Vereinbarung von
Teilzahlungen durch die Vollstreckungsbehörde oder deren Vollziehungsbeamte
siehe Nr. 2.3.2.
6.1.8
Sind die Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Beitreibung der Geldforderung
jedoch gegeben, so ist die Vollstreckungsbehörde auch verpflichtet, das
Zwangsverfahren ohne Verzögerung einzuleiten und zweckmäßig durchzuführen. Sie
ist im Allgemeinen ohne Genehmigung des Gläubigers nicht berechtigt, gegenüber
sachlich gebotenen Vollstreckungsmaßnahmen Aufschub zu gewähren, sofern dies
nicht im Rahmen von Teilzahlungsvereinbarungen nach § 806 b ZPO erfolgt (siehe
Nr. 2.3.2) oder die Voraussetzungen des § 26 VwVG NRW gegeben sind (vgl. Nr. 26.4).
6.2
Einstellung und Beschränkung der Vollstreckung (zu § 6 a)
6.2.1
§ 6 a Abs. 1 VwVG NRW nennt die Tatbestände, die zur Einstellung oder
Beschränkung der Vollstreckung führen. Um eine Einstellung der Vollstreckung
handelt es sich, wenn der gesamte Anspruch, der in dem zu vollstreckenden
Leistungsbescheid festgelegt ist, nicht weiter vollstreckt wird. Eine
Beschränkung der Vollstreckung liegt vor, wenn der Anspruch zum Teil nicht mehr
vollstreckt wird. In beiden Fällen bleiben bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen
grundsätzlich bestehen, da die Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung
nur für die Zukunft wirkt. Lediglich in den Fällen des § 6 a Abs. 2 Satz 1 VwVG
NRW sind bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben. Ist die Forderung
nach § 6 a Abs. 1 Buchstabe d VwVG NRW gestundet worden, hat die
Vollstreckungsbehörde lediglich die Verwertung des erworbenen Pfandrechtes
auszusetzen. Das erworbene Pfandrecht bleibt als Sicherungsmaßnahme bis zur
Tilgung der vollständigen Forderung bestehen.
6.2.2
Die Vollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken, sobald die
Vollziehbarkeit des Leistungsbescheides gehemmt ist (§ 6 a Abs. 1 Buchstabe a VwVG NRW). Dies ist der Fall, wenn die Vollziehung des Verwaltungsaktes
ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt
ist. Leistungsbescheide sind, auch ohne dass bereits deren Bestandskraft
eingetreten ist oder sie dem Gesetz nach oder aufgrund behördlicher Anordnung
sofort vollziehbar sind, nach Eintritt der Fälligkeit und Ablauf der
Wochenfrist gemäß § 6 Abs.1 Nr. 3 VwVG NRW vollstreckbar. Die Einlegung eines
Widerspruchs kann in diesen Fällen bereits die Hemmung der Vollstreckbarkeit
herbeiführen. Bei bestandskräftigen oder bei auf Grund gesetzlicher oder auf
Grund behördlicher Anordnung sofort vollziehbaren Leistungsbescheiden tritt
hingegen eine Hemmung der Vollziehbarkeit nur bei behördlicher oder gerichtlicher
Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 4 und 5 VwGO ein.
6.2.3
Anforderung von öffentlichen Abgaben i. S. v. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO
Öffentlich-rechtliche Geldforderungen, die dem Anwendungsbereich des § 80 Abs.
2 Satz 1 Nr. 1 VwGO unterfallen, können wegen der dort angeordneten sofortigen
Vollziehbarkeit auch dann noch beigetrieben werden, wenn gegen den
Leistungsbescheid Widerspruch eingelegt wurde.
Der Anwendungsbereich, der dem Begriff der „öffentlichen Abgaben“ in § 80 Abs.
2 Nr. 1 VwGO unterfällt, ist umstritten. Die historische Auslegung spricht
nicht für eine Auslegung, nach der nur Steuern, Gebühren und Beiträge erfasst
sind. Vielmehr können auch Abgaben in den Anwendungsbereich fallen (vgl. VGH
Kassel, Beschluss v. 28.6.1983, Az: 5 TH 20/83). Der Anwendungsbereich des § 80
Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezieht sich somit auf solche Geldleistungen, die zur Deckung
des allgemeinen Finanzbedarfes des Staates oder der sonstigen zur
Aufgabenerfüllung berechtigten Körperschaften bestimmt sind. Abgaben sind dann
erfasst, wenn die Erzielung von Einnahmen zumindest gesetzgeberischer
Nebenzweck ist (vgl. VGH Kassel aaO). Abgaben sind demnach darauf zu
überprüfen, ob der Zweck ihrer Erhebung einer Steuer, einer Gebühr oder einem
Beitrag vergleichbar ist, auch wenn mit der Abgabe im Übrigen andere Ziele,
etwa eine Verhaltenslenkung verfolgt werden. Verfolgt eine Abgabe hingegen
primär andere Zwecke und ist die allgemeine Finanzierung der Aufgabenerfüllung
nur ein Reflex der Abgabenerhebung, liegt keine öffentliche Abgabe i. S. d. §
80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vor.
6.2.4
Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit für öffentlich-rechtliche
Geldforderungen nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO
Wie sich aus der Wertung des § 80 Abs.1 Nr. 1 VwGO ergibt, reicht das
allgemeine fiskalische Interesse an der Refinanzierung von staatlichen
Vorleistungen alleine nicht aus, um für öffentlich-rechtliche Forderungen, die
nicht dem Anwendungsbereich des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO unterfallen, ohne
Hinzutreten besonderer zusätzlicher Gründe eine Anordnung der sofortigen
Vollziehung zu rechtfertigen.
Im Einzelfall kann aber bei Hinzutreten besonderer Umstände, insbesondere zur
Abwehr konkreter rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme von Rechtsbehelfen, die
nachträgliche Anordnung der sofortigen Vollziehung in Betracht kommen.
Wird gegen die Anforderung eines nicht unerheblichen Geldbetrages Widerspruch
eingelegt, der offensichtlich unbegründet ist, kann bei allgemein schlechter
Haushaltslage der erhebenden Körperschaft oder bei besonders hohem
Refinanzierungsaufwand für den der Forderung zugrunde liegenden Aufgabenbereich
eine nachträgliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2
Nr. 4 VwGO durch die verfügende Behörde oder durch die Widerspruchsbehörde
ermessensgerecht sein.
6.2.5
Die Vollstreckung ist ferner einzuschränken oder zu beschränken, wenn der Verwaltungsakt,
aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wurde (§ 6 a Abs. 1 Buchstabe b VwVG NRW).
Der Verwaltungsakt kann aufgehoben oder geändert werden durch die erlassende
Behörde selbst, durch die Widerspruchsbehörde oder durch ein Gericht. Ein
Verwaltungsakt ist durch einen Widerspruchsbescheid erst geändert, durch einen
Abhilfebescheid geändert oder aufgehoben oder durch ein Gerichtsurteil geändert
oder aufgehoben, wenn die Entscheidung bestandskräftig oder rechtskräftig
geworden ist. Kann der Vollstreckungsschuldner eine aufhebende oder abändernde
Entscheidung vorweisen, hat sich der Vollziehungsbeamte bei der Vollstreckungsbehörde
zu versichern, ob diese Entscheidung unanfechtbar ist oder der Gläubiger beabsichtigt,
einen noch möglichen Rechtsbehelf einzulegen.
Bei noch schwebenden Rechtsbehelfsverfahren kann eine Aussetzung der
Vollziehung gegen Sicherheitsleistung in Betracht kommen.
6.2.6
Dass die Vollstreckungsvoraussetzungen durch Erlöschen der Zahlungspflicht ganz
oder teilweise weggefallen seien (§ 6 a Buchstabe c VwVG NRW), kann der
Vollstreckungsschuldner nur durch Nachweis der Zahlung an die für die
Einziehung zuständige Stelle oder durch den Nachweis, dass ihm die Schuld
erlassen ist, geltend machen. Hat der Vollziehungsbeamte Zweifel an der
Behauptung des Vollstreckungsschuldners oder den vorgelegten Nachweisen, soll
er sich zunächst unverzüglich (telefonisch) mit der Vollstreckungsbehörde in
Verbindung setzen, ehe er von der Vollstreckung absieht. Der Vollziehungsbeamte
hat den Pfändungsauftrag mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen und der
Vollstreckungsbehörde zurückzugeben. Begonnene Pfändungen sind nicht
fortzusetzen, bei nachgewiesener Teilzahlung jedoch nur entsprechend zu
beschränken, obwohl der Pfändungsauftrag noch in voller Höhe besteht. Bereits
getroffene Vollstreckungsmaßnahmen darf der Vollziehungsbeamte nur rückgängig
machen, wenn der Vollstreckungsschuldner ihm eine entsprechende Verfügung der
Vollstreckungsbehörde vorweist; anderenfalls hat der Vollziehungsbeamte die
schriftliche Weisung der Vollstreckungsbehörde auf Grund seines Vermerks
abzuwarten.
6.2.7
Eine nicht von der Vollstreckungsbehörde ausgestellte Stundung (§ 6 a Buchstabe d VwVG NRW) ist für den Vollziehungsbeamten nur maßgebend, wenn sie einwandfrei
von der für die Einziehung zuständigen Dienststelle des Gläubigers schriftlich
bestätigt ist. In Zweifelsfällen hat der Beamte bei der Vollstreckungsbehörde
nachzufragen. Diese selbst ist zur Stundung regelmäßig (Zulassung von Ausnahmen
nach § 16 Abs. 1 Satz 4 GemKVO durch den Bürgermeister möglich) nicht befugt,
kann aber im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 2 Satz 2 VwVG NRW, des § 27 VwVG
NRW i. V. m. § 813 a ZPO, des § 5 a Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW i. V. m. § 806 b ZPO
und im Rahmen des Vollstreckungsschutzes nach § 27 VwVG NRW Teilzahlungen
vereinbaren (siehe auch Nr. 2.3.2 - vgl. auch § 16 Abs. 1 Satz 3 GemKVO). Sie
kann darüber hinaus in eigener Verantwortung die Vollstreckung zumindest kurzfristig
aussetzen, wenn etwa der Vollstreckungsschuldner ihr glaubhaft gemacht hat,
dass die Voraussetzungen für Stundung, Niederschlagung oder Erlass der
Forderung vorliegen und eine entsprechende Entscheidung des Gläubigers in Kürze
zu erwarten ist, oder wenn sie vor weiteren Maßnahmen sich zunächst mit dem
Gläubiger in Verbindung setzen will (vgl. z. B. § 16 Abs. 2 GemKVO).
6.2.8
Zahlung an den Vollziehungsbeamten
Der Vollstreckungsschuldner kann jederzeit, nicht erst beim Pfändungsversuch an
Ort und Stelle, den beizutreibenden Betrag an den Vollziehungsbeamten zahlen.
Dieser ist auch ohne besondere schriftliche Ermächtigung, die sich aber
regelmäßig aus seinem Vollstreckungsauftrag ergibt, zur Annahme von Zahlungen
des Vollstreckungsschuldners bis zur Höhe des beizutreibenden Betrages - dazu
gehören auch Säumniszuschläge, Zinsen und Kosten - verpflichtet. Diese Zahlung
gilt als freiwillige Leistung, und zwar auch dann, wenn sie bewirkt wird,
nachdem sich der Vollziehungsbeamte in Ausführung des Pfändungsauftrages an Ort
und Stelle begeben hat und die volle Pfändungsgebühr nach § 4 Abs. 2 KostO NRW
bereits fällig geworden ist. Zahlt der Vollstreckungsschuldner freiwillig einen
Teilbetrag und sind mehrere Forderungen rückständig, kann er i. S. d. Nr. 43 VV
zu § 70 LHO bestimmen, welche Forderung durch seine Zahlung getilgt werden
soll. Das gleiche gilt bei Leistung an die Vollstreckungsbehörde oder den Gläubiger
vor der Pfändung einer Sache oder Forderung.
6.2.8.1
Eine zur Tilgung der ganzen Forderung (einschließlich Nebenleistungen) nicht
ausreichende Zahlung nach der Pfändung (§ 40 VwVG NRW) ist wie jeder
beigetriebene Betrag zunächst auf etwaige Geldstrafen, Ordnungsstrafen, Geldbußen
oder Zwangsgelder, sodann auf die Kosten (Gebühren und Auslagen) und auf die
Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge und zuletzt auf die Hauptschuld
zu verrechnen (Nr. 43 VV zu § 70 LHO; anders: § 12 Abs. 1 Nr. 5 a KAG i. V. m §
225 AO).
6.2.8.2
Als Teilzahlung ist auch eine Zahlung zu behandeln, welche die Kosten ungedeckt
lässt. Es steht im Ermessen der Vollstreckungsbehörde, ob und wieweit in einem
solchen Falle und auch sonst, wenn nur ein geringer Restbetrag offen bleibt,
die Vollstreckung weitergeführt, beschränkt oder ausgesetzt wird.
7
Einwendungen gegen den Anspruch; Erstattungsanspruch (zu § 7)
7.1
Die Durchführung des Zwangsverfahrens wird durch Einwendungen des Vollstreckungsschuldners
gegen die Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides nicht gehindert. Dies betrifft
nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung auch Einwendungen gegen den
Leistungsbescheid, die nach Eintritt der Bestandskraft entstanden sind. Die
teilweise auf Grund der früheren Rechtslage vertretene Rechtsprechung der
Verwaltungsgerichte, die hier eine Anfechtungsklage für möglich hielten, gilt
in NRW seit der Neufassung von § 7 VwVG NRW nicht mehr. Derartige Einwendungen
kann der Vollstreckungsschuldner nur außerhalb des Zwangsverfahrens mit den
jeweils gebotenen Rechtsbehelfen gegen den Leistungsbescheid erheben. Nach
Eintritt der Bestandskraft des Leistungsbescheides entstandene Einwendungen
können nur über eine Abänderung oder Aufhebung dieses Bescheides im Wiederaufnahmeverfahren
nach §§ 48 oder 51 VwVfG NRW geltend gemacht und anschließend im Erstattungsverfahren
gemäß § 7 Abs. 3 und 4 VwVG NRW die Rückzahlung verlangt werden.
7.2
Nach § 7 Abs. 2 VwVG NRW besteht zugunsten des Vollstreckungsschuldners bei
Einwendungen, die nicht durch einen Rechtsbehelf auf Rücknahme des
Heranziehungsbescheides oder durch die Anfechtung der Vollstreckungsmaßnahme geltend
gemacht werden können, (z. B. der Einwand des nachträglichen Erlöschens der
Forderung, einer späteren Fälligkeit durch Stundung), ein
vollstreckungsrechtlicher Anspruch auf Aufhebung oder Beschränkung
der Befugnis
des Gläubigers, aus dem bisher vollsteckbaren Leistungsbescheid bei dem Vollstreckungsschuldner
eine zwangsweise Befriedigung seiner Ansprüche zu suchen. Der Vollstreckungsschuldner
ist nicht darauf verwiesen, in diesen Fällen zunächst die Vollstreckung zu
dulden, um erst anschließend bei einer rechtswidrigen Vollstreckung einen
Erstattungsanspruch geltend zu machen.
Einwendungen gegen den Bestand der Forderung oder deren
Vollstreckbarkeit, die von der Vollstreckungsbehörde nicht zu beachten sind,
sind bei der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, geltend zu machen.
Diese prüft zunächst verfahrensbegleitend, ob sie, in Abwägung der möglichen
Erfolgsaussichten der Einwendungen mit dem öffentlichen Interesse an der
Beitreibung der Forderung, die Vollstreckung vorläufig aussetzt oder
beschränkt. Der Behörde steht hierbei ein Ermessensspielraum zu; ein
eigenständiger Anspruch auf eine Entscheidung besteht nicht. Mit der
Entscheidung zur Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung können Entscheidungen zur
Aufhebung bereits durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen getroffen werden.
Berücksichtigung finden nur Einwendungen gegen die Forderung selbst, sofern
diese nicht im Verfahren gegen den Leistungsbescheid geltend gemacht werden
konnten. Derartige Einwendungen sind insbesondere: streitige Erfüllung,
streitiger Erlass oder streitige Stundung, Verjährung, Aufrechnung,
Haftungsbeschränkungen, Anfechtung und Rücktritt bei gemäß § 61 Abs. 2 VwVfG
NRW vollstreckbaren öffentlich-rechtlichen Verträgen oder Vergleichsregelungen.
Sofern es sich hingegen um Einwendungen im Sinne von § 6 a VwVG NRW handelt,
sind diese von der Vollstreckungsbehörde von Amts wegen als
Zulässigkeitsvoraussetzungen des Vollsteckungsverfahrens zu beachten. Deren
Nichtbeachtung macht die einzelne Vollstreckungsmaßnahme rechtswidrig und kann
im Wege der Anfechtung gegen diese geltend gemacht werden.
Im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 2 VwVG NRW dürfte eine Feststellungsklage,
die vom OVG Münster in Anbetracht einer bislang fehlenden vollstreckungsrechtlichen
Regelung für zulässig gehalten wurde, zukünftig mangels Rechtsschutzbedürfnisses
nicht mehr zulässig sein. Vielmehr ist nach der Neuregelung zunächst eine
Entscheidung des Gläubigers herbeizuführen und im Falle der Ablehnung des Antrages
auf Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung Widerspruch einzulegen und
bei dessen Zurückweisung eine Verpflichtungsklage anzustrengen; einstweiliger
gerichtlicher Rechtschutz kann über § 123 VwGO erreicht werden.
7.3
Über den Anspruch auf Erstattung eines nach Meinung des Pflichtigen zu Unrecht
geleisteten Betrages entscheidet der Gläubiger, zu dessen Gunsten der Betrag
vorläufig geleistet oder beigetrieben worden ist. Der Anspruch auf Erstattung
ist rechtzeitig geltend gemacht, wenn der Antrag innerhalb der in § 7 Abs. 4
VwVG NRW bestimmten Ausschlussfrist beim Gläubiger oder der
Vollstreckungsbehörde gestellt wird. Der Bescheid des Gläubigers, der den Erstattungsanspruch
ganz oder teilweise ablehnt, kann mit dem Widerspruch angefochten werden und
unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung. Er sollte deshalb nicht
nur eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, sondern auch ausreichend begründet
sein.
7.4
Mit den ihm nach den §§ 2014 und 2015 BGB zustehenden Einreden (Dreimonats- und
Aufgebotseinrede) kann der Erbe - gegebenenfalls der Testamentsvollstrecker,
Nachlassverwalter oder Nachlasspfleger - nur erreichen, dass die Vollstreckung
in den Nachlass für die Dauer der dort bestimmten Fristen auf solche Maßnahmen
beschränkt wird, die zur Vollziehung eines Arrestes zulässig sind (vgl. §§ 782,
783 ZPO). Abgesehen davon, dass diese Einredemöglichkeiten schon nach den
Vorschriften der §§ 2016 und 2017 i.V.m. § 1971 BGB erheblich eingeschränkt
sind, berühren sie das Verwaltungszwangsverfahren in den Nachlass auch insoweit
nicht, als es sich um die Beitreibung von Forderungen handelt, die nach Beginn
des der Vollstreckungsmaßnahme vorausgegangenen Kalenderjahres fällig geworden
sind.
Als Vollstreckungsmaßnahme gilt schon der schriftliche Vollstreckungsauftrag an
den Vollziehungsbeamten (§ 12 VwVG NRW), ferner die Pfändungsverfügung nach §
40 VwVG NRW, ein Vollstreckungsantrag an das Gericht oder Grundbuchamt nach §
51 VwVG NRW, der Arrestantrag (§ 53 VwVG NRW), und die Vollstreckungsanmeldung
im Insolvenzverfahren.
8
Widerspruch gegen die Pfändung (zu § 8)
8.1
Auch der Widerspruch des Dritten und die Einwendungen einer durch gesetzliche
oder behördliche Veräußerungsverbote geschützten Person (§ 772 ZPO), eines
Nacherben (§ 773 ZPO) oder des Ehegatten eines Gewerbetreibenden im Falle der
Vollstreckung in das Gesamtgut (§ 774 ZPO) können den Fortgang der
Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres hindern.
Zu den „die Veräußerung hindernden Rechten“ gehören alle materiellen Rechte,
die dem Dritten die Befugnis geben, die Verwendung des Gegenstandes zur
Befriedigung des Gläubigers zu verhindern. Nach den Vorschriften des
bürgerlichen Rechts kommen hier in Frage: Eigentum, Erbbaurecht und andere
dingliche Rechte; schuldrechtliche Herausgabeansprüche auf Grund Vermietung ,
Leihe, Hinterlegung usw., dagegen nicht „Verschaffungsansprüche“ aus Kauf,
Vermächtnis usw. auf Überlassung solcher Sachen, die nicht aus dem Vermögen des
Dritten stammen.
8.2
Als Dritter ist jeder zu behandeln, der nicht als Gläubiger oder
Vollstreckungsschuldner am Zwangsverfahren unmittelbar beteiligt ist. Als
Dritter gilt auch ein Duldungspflichtiger insoweit, als ihm persönlich gehörende
Gegenstände von der zulässigen Zwangsvollstreckung in das seiner Verwaltung
unterliegende Vermögen betroffen sind.
8.3
Erhebt ein Dritter Widerspruch bei der Vollstreckungsbehörde, so kann diese den
gepfändeten Gegenstand freigeben, wenn der Dritte sein Recht ausreichend
nachweist oder wenn andere, von dritten Personen nicht in Anspruch genommene Gegenstände
gepfändet werden können, die hinreichend Sicherheit gewähren. In nicht
zweifelsfreien Fällen sollte die Vollstreckungsbehörde vorsorglich eine Entscheidung
des Gläubigers herbeiführen, um einen offensichtlich für sie und den Gläubiger
aussichtslosen Rechtsstreit zu vermeiden.
8.4
Lehnt der Gläubiger die Freigabe ab, so kann der Dritte, abgesehen von der
Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde, nur Widerspruchsklage erheben.
8.4.1
Nach Erhebung der Klage hat die Vollstreckungsbehörde sich nach den auf Grund
der §§ 769 und 770 ZPO ergehenden Anordnungen des Prozessgerichts und etwaigen
Ersuchen des Gläubigers zu richten, im Übrigen aber das Zwangsverfahren
fortzusetzen. Jedoch ist sie zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen dem
Dritten gegenüber verpflichtet, alle Maßnahmen zu unterlassen oder
hinauszuschieben, die seine Rechte endgültig beeinträchtigen. Darunter fällt
insbesondere die Verwertung der gepfändeten Gegenstände.
8.4.2
Gegenstand der Klage ist nicht das sachliche Recht des Dritten, sondern nur der
Ausspruch der Unzulässigkeit oder der Einstellung der Vollstreckung in den streitigen
Gegenstand. Die Klage ist grundsätzlich gegen den Gläubiger, der möglicherweise
im Prozess durch die Vollstreckungsbehörde vertreten wird, nicht gegen den
Vollstreckungsschuldner und auch nicht gegen die Vollstreckungsbehörde zu richten.
§ 8 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW betrifft nur den Fall, dass der Vollstreckungsschuldner
vom Dritten gleichzeitig mit einer materiellrechtlichen Klage, z.B. aus § 985
BGB, auf Herausgabe in Anspruch genommen wird.
8.4.3
Die Widerspruchsklage ist nur zulässig, wenn die Pfändung schon begonnen hat,
die Zwangsvollstreckung aber noch nicht beendet ist. Wird ihr stattgegeben,
muss die unzulässige Vollstreckungsmaßnahme von der Vollstreckungsbehörde alsbald
aufgehoben werden.
9
Zwangsverfahren gegen Personenvereinigungen (zu § 9)
Das Zwangsverfahren gegen
Personenvereinigungen ist in manchen Punkten abweichend von der
zivilprozessualen Vollstreckung geregelt.
9.1
In das Vermögen einer Personenvereinigung oder eines „ähnlichen Gebildes“ kann
und muss selbständig vollstreckt werden, wenn
a) ein zweckgebundenes, aus dem übrigen Vermögen der Mitglieder
(Gesellschafter) herausgelöstes Sondervermögen (Gesamthandvermögen) vorhanden
ist,
b) die Personenvereinigung als solche leistungspflichtig ist.
9.2
Der Leistungsbescheid und die Vollstreckungsmaßnahme müssen unmittelbar gegen
die Personenvereinigung als solche gerichtet werden. Ob und wieweit daneben
auch Vertreter, Mitglieder, Gesellschafter usw. als unmittelbar haftende
Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden können, bestimmt sich nach materiellem
Recht.
9.3
Als solche leistungspflichtig sind zunächst alle juristischen Personen des
öffentlichen und privaten Rechts, also rechtsfähige Personenvereinigungen,
insbesondere eingetragene Vereine und Genossenschaften, Aktiengesellschaften,
Gesellschaften m.b.H. usw., Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und
rechtsfähige Zweckvermögen, vor allem Stiftungen und Anstalten in
entsprechender Rechtsform.
9.4
Auch gegen nicht rechtsfähige Vereine, Gesellschaften oder Gemeinschaften nach
bürgerlichem Recht, offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften,
ferner gegen durch Sammlung entstandene Vermögen und ähnliche Gebilde kann
unter den oben (Nr. 9.1) angegebenen Voraussetzungen unmittelbar vollstreckt
werden, wenn diese Vereinigungen und Gebilde nach materiellem öffentlichem
Recht die beizutreibende Geldleistung selbständig, allein oder neben ihren
Mitgliedern usw. schulden. Das ist für jeden Fall der Heranziehung besonders zu
prüfen und unter Umständen, z.B. nach den verschiedenen Steuergesetzen, für
dieselbe Personenvereinigung von Fall zu Fall durchaus unterschiedlich zu
beurteilen.
10
Vollstreckungsschuldner nach bürgerlichem Recht (zu § 10)
10.1
Bürgerlich-rechtliche Haftung kraft Gesetzes
10.1.1
Die Anwendbarkeit von § 10 VwVG NRW ist für Steuern und kommunale Abgaben nach
dem KAG ausgeschlossen, hierfür ist nach § 191 AO vorzugehen (siehe Nr. 1.2.3).
Es verbleiben öffentlich-rechtliche Forderungen (Gebührenforderungen nach der
AVerwGebO NRW, Kosten aus Ersatzvornahmen, Zwangs-, Buß- und Ordnungsgelder
etc. - z. B. Ablöseforderung für Stellplatzverpflichtung nach der BauO NRW) und
nach § 1 VwVG NRW beizutreibende privatrechtliche Forderungen, für die nicht
das KAG, die AO oder ausdrücklich andere Vorschriften gelten.
Die OFD-Münster hat zum Haftungsrecht nach der AO ein Haftungshandbuch
entwickelt, das neben Hilfestellungen zum Haftungsrecht der AO auch Mustertexte
und Berechnungsbeispiele enthält. Das Haftungshandbuch besteht aus diversen
Word-Dateien, hat zurzeit eine Größe von ca. 3 MB (Stückelungswünsche bitte angeben)
und kann ausschließlich per E-Mail angefordert werden bei: hannelore.pump@ofd-ms.fin-nrw.de
10.1.2
Das Verwaltungszwangsverfahren ist auch zulässig gegen Personen, die kraft
Gesetzes, jedoch ausschließlich nach Vorschriften des bürgerlichen Rechts (Nr.
4.2.2 und Nr. 4.3.2) für die Verbindlichkeit des Hauptschuldners haften oder
die Vollstreckung in eigenes oder ihrer Verwaltung unterliegendes fremdes
Vermögen dulden müssen. Zwar ist die Zahlungspflicht, die hinsichtlich einer
öffentlich-rechtlichen Schuld des Hauptschuldners unter gewissen Voraussetzungen
z.B. den Erben, den Erbschaftskäufer, den Erwerber des Nießbrauchs oder die
Eltern trifft, eine öffentlich-rechtliche, aber sie ist an das Bestehen eines
bürgerlich-rechtlichen Haftungsverhältnisses als entscheidendes
Tatbestandsmerkmal geknüpft.
In manchen Fällen ist die gleichzeitige Vollstreckung gegen solche Personen Voraussetzung
für eine wirksame Vollstreckung gegen den Hauptschuldner, allgemein oder
hinsichtlich bestimmter Vermögensmassen (vgl. Nr. 4.4).
10.1.3
Gelangt die Vollstreckungsbehörde zu der Überzeugung, dass die Vollstreckung
gegen einen Dritten zulässig (Nr. 10.1.1)
und im vorliegenden Fall auch geboten ist, so hat sie das Zwangsverfahren auf
ihn auszudehnen, ggf. unter Beschränkung auf eine bestimmte Vermögensmasse.
10.2
Vorverfahren
Die Inanspruchnahme des Haftungs- oder Duldungsschuldners kraft ausschließlich
bürgerlichen Rechts setzt die Durchführung des in § 10 VwVG NRW geregelten
besonderen Vorverfahrens voraus. Darin hat der Betroffene einen besonders
ausgestalteten Anspruch auf rechtliches Gehör. Die Verletzung dieses Anspruchs
kann auf Grund der Verweisung auf den Zivilrechtsweg nicht im
Widerspruchsverfahren geheilt werden, da ein Widerspruchsverfahren nur bei
einer Verweisung auf den Verwaltungsrechtsweg in Betracht kommt.
10.2.1
Die Vollstreckungsbehörde hat dem Dritten die beabsichtigte Inanspruchnahme auf
Haftung oder Duldung unter genauer Bezeichnung des Anspruchs gegen den
Hauptschuldner dem Grund und der Höhe nach anzukündigen und ihn zur
Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist aufzufordern. Die wesentlichen
Haftungs- oder Duldungsgründe sind mitzuteilen. Die Frist soll mindestens zwei
Wochen betragen, wenn nicht Gefahr im Verzuge ist. Es handelt sich um ein
Anhörungsverfahren vor dem Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes, das nach
den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Verfahrensgrundsätzen durchzuführen ist.
Der förmlichen Ankündigung bedarf es nicht, wenn der Betroffene bereits ohne
eine solche seine Verpflichtung anerkannt hat. Mit dem Anhörungsverfahren im
Rahmen der Ankündigung ermittelt die Vollstreckungsbehörde den
entscheidungserheblichen Sachverhalt für das Haftungs- oder Duldungsverfahren.
Der potenzielle Haftungs- oder Duldungsschuldner kann sich innerhalb der
gesetzten Frist zu den von der Vollstreckungsbehörde vorgetragenen Tatbeständen
äußern. Erhebt der zur Erklärung aufgeforderte Dritte Einwendungen gegen die
Rechtmäßigkeit des gegenüber dem Hauptschuldner verfügten Leistungsbescheides
oder bestreitet er seine Verpflichtung zur Haftung oder Duldung oder erhebt er
andere, in Absatz 2 näher bezeichnete Einwendungen, so entscheidet die
Vollstreckungsbehörde. Die Einwendungen hat die Vollstreckungsbehörde beim
Erlass des Duldungs- oder Haftungsbescheides zu würdigen. Entweder erkennt sie
die Einwendungen an und sieht insoweit von der Inanspruchnahme des Dritten ab
oder sie weist die Einwendungen in ihrem Haftungs- oder Duldungsbescheid zurück,
der unmittelbar der Nachprüfung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit
unterliegt (vgl. Nr. 10.3). Da die Entscheidung eine Ausschlussfrist in Lauf
setzt, soll sie zugestellt werden. Mängel der Anhörung oder der Begründung
können nachträglich nur über § 48 VwVfG NRW korrigiert werden.
Die Vollstreckungsbehörde sollte zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen des
Gläubigers diesen - oder seine zur Vertretung in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten berufene Dienststelle - spätestens im Rahmen des
Widerspruchverfahrens über die beabsichtigte Entscheidung informieren und ihm
Gelegenheit zur Äußerung geben. Die Entscheidung des Gläubigers ist für die
Vollstreckungsbehörde bindend. Die Vollstreckungsbehörde sollte zur Vermeidung
von Schadenersatzansprüchen des Gläubigers diesen in nicht ganz zweifelsfreien
Fällen auch dann verständigen, wenn sie die Einwendungen des Dritten anerkennen
und von sich aus auf eine Inanspruchnahme als Haftungs- oder Duldungsschuldner
verzichten will.
10.2.2
Zwischen der Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners (Nr. 10.2.2.1) und der Inanspruchnahme
eines Duldungsschuldners (Nr. 10.2.2.2) ist zu unterscheiden.
10.2.2.1
Erkennt der auf Haftung in Anspruch genommene Dritte seine Verpflichtung an
oder äußert er sich innerhalb der Erklärungsfrist nicht, dann erlässt die
Vollstreckungsbehörde den Haftungsbescheid. Der Bescheid muss hinsichtlich der
Höhe und der Begründung des Anspruchs mit der Ankündigung übereinstimmen und im
Übrigen den Besonderheiten der Haftungspflicht angepasst sein.
10.2.2.2
Ein Duldungsbescheid hat einen doppelten Inhalt:
a) eine verbindliche Feststellung der Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides gegen
den Vollstreckungsschuldner auch gegenüber dem auf Duldung in Anspruch
genommenen Dritten,
b) die Aufforderung an den Dritten, die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner
in Bezug auf bestimmte, sich in seinem Vermögen
befindliche Sachen zu dulden, Geld herauszugeben, Wertersatz zu leisten oder
auf die Ausübung von Rechten zu verzichten.
10.3
Klage vor den ordentlichen Gerichten
10.3.1
Gegenstand des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht ist die Nachprüfung der
vom Kläger bestrittenen bürgerlich-rechtlichen Haftungs- oder Duldungspflicht.
Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides gegen den
Vollstreckungsschuldner kommt nur dann nicht in Betracht, wenn der Dritte
infolge seiner Beiladung ein verwaltungsgerichtliches Urteil gegen sich gelten
lassen muss.
10.3.2
Die für die Erhebung der Klage in § 10 Abs. 2 Satz 3 VwVG NRW vorgesehene
Ausschlussfrist von einem Monat beginnt mit der Zustellung der Entscheidung an
den Betroffenen. Durch die Erhebung der Klage werden Vollstreckungsmaßnahmen
gegen den Kläger, vorbehaltlich der in § 6 VwVG NRW genannten Voraussetzungen,
nicht gehindert. Doch wird die Vollstreckungsbehörde im Hinblick auf die dem Prozessgericht
in § 10 Abs. 2 Satz 4 VwVG NRW eingeräumten Befugnisse zur Einstellung der
Zwangsvollstreckung und zur Aufhebung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen
pflichtgemäß zu prüfen haben, ob solche Maßnahmen nach der Klageerhebung sinnvoll
sind.
10.3.3
Gibt das Gericht der Klage statt, müssen Leistungsbescheid und etwaige
Vollstreckungsmaßnahmen aufgehoben werden. Beigetriebene Geldbeträge sind zu erstatten.
10.4
Haftung kraft Vertrages
Ein Dritter, der sich durch Vertrag (Bürgschaft oder Schuldübernahme) zur Erfüllung
der Verbindlichkeiten des Hauptschuldners verpflichtet hat, kann auch dann nur
im ordentlichen Rechtswege und nicht im Verwaltungszwangsverfahren in Anspruch
genommen werden, wenn es sich um eine Steuerschuld oder um eine andere öffentlich-rechtliche
Verbindlichkeit handelt.
10.5
Duldungsbescheide auf der Grundlage des Anfechtungsgesetzes
Den Vollstreckungsbehörden obliegt die Feststellung entgeltlicher Verfügungen
des Vollstreckungsschuldners in einem zurückliegenden Zeitraum von bis zu zwei
Jahren mit einer dem Vollstreckungsschuldner nahe stehenden Person im Sinne von
§ 138 Insolvenzordnung (InsO), sowie die Feststellung aller unentgeltlicher
Verfügungen des Vollstreckungsschuldners innerhalb der letzten vier Jahre, die
zu einer vollstreckungsrechtlich relevanten Verringerung des Schuldnervermögens
geführt haben und möglicherweise nach dem AnfG anfechtbar sind. Bedienstete,
welche die e. V. abnehmen, haben sich mit den Anfechtungstatbeständen der §§ 3
bis 6 AnfG vertraut zu machen. Im e. V.-Verfahren sind derartige
Anfechtungstatbestände (§§ 3und 4 AnfG) bei der Aufstellung des
Vermögensverzeichnisses zu berücksichtigen. Bei begründetem Verdacht einer
vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung können auch Verfügungen innerhalb der
letzten 10 Jahre angefochten werden. Im Gegensatz zur AO sind für die Anordnung
einer Haftungs- oder Duldungsverfügung nach § 10 VwVG NRW die Vollstreckungsbehörden
zuständig.
Die Geltendmachung kann im Wege des Duldungsbescheides nach § 10 VwVG NRW oder
durch unmittelbare Duldungsklage beim zuständigen Zivilgericht nach § 13 AnfG
erfolgen.
Eine unmittelbare Klageerhebung kommt nur in Betracht, wenn der Sachverhalt für
eine erfolgreiche Klagedurchführung abschließend festgestellt ist. Andernfalls
ist das Vorgehen durch Duldungsbescheid vorzuziehen. Denn in dem vorangehenden
Anhörungsverfahren kann der in Anspruch genommene Dritte sich äußern. Zudem
stehen hier der Vollstreckungsbehörde noch alle Ermittlungsrechte des
Vollstreckungsverfahrens, insbesondere des § 5 VwVG NRW, zur Verfügung.
Die Anordnung richtet sich im Regelfall auf die Duldung der
öffentlich-rechtlichen Vollstreckung in Bezug auf
bestimmte Vermögensgegenstände, die der Vollstreckungsschuldner durch
anfechtbare Verfügung aus seinem Vermögen abgegeben hat. Bei der Verfügung über
Geld richtet sich die Anordnung unmittelbar auf Zahlung, bei der Abtretung von
Forderungen, die vom Dritten bereits eingezogen wurden, auf Wertersatz, sonst
auch hier auf Duldung der Vollstreckung. Bei Belastungen von beweglichen Sachen
und Grundstücken wird angeordnet, dass der Dritte verpflichtet ist, von diesem
Recht gegenüber dem Gläubiger keinen Gebrauch zu machen.
11
Vollziehungsbeamte (zu § 11)
11.1
Aufgabenbereich und Rechtsstellung
Die Vollstreckungsbehörde ist auf die ihr durch das VwVG NRW ausdrücklich
zugewiesenen Aufgaben in der Anordnung, Leitung und Überwachung des
Verwaltungszwangsverfahrens beschränkt. Sie muss die angeordneten
Vollstreckungsmaßnahmen (z.B. Sachpfändung, Wegnahme von Urkunden, meist auch
Versteigerung) nach § 11 Abs. 1 VwVG NRW durch Vollziehungsbeamte ausführen
lassen (vgl. Nr. 11.3.3). Bei der Ausübung der Befugnisse nach §
14 VwVG NRW ist der Vollziehungsbeamte Vollzugsdienstkraft i. S. d. § 68 Abs. 1
Nr. 1 VwVG NRW.
11.1.1
Grundsätzlich vollzieht jede Vollstreckungsbehörde ihre Maßnahmen auch durch
eigene Vollziehungsbeamte. Soweit der Umfang der anfallenden
Vollstreckungsaufgaben es rechtfertigt, sollen dies in aller Regel
hauptamtliche, ausschließlich mit Vollziehungsaufgaben betraute Dienstkräfte
sein.
Bei geringerem Arbeitsanfall soll in erster Linie der nicht voll ausgelastete
Vollziehungsbeamte auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung zugleich
unmittelbar - also nicht etwa im Rahmen der Amtshilfe - als Vollziehungsbeamter
einer oder mehrerer anderer Vollstreckungsbehörden eingesetzt werden. Er
handelt jeweils nach den Weisungen der für den einzelnen Vollstreckungsfall
zuständigen Behörde, bleibt jedoch Bediensteter seiner Anstellungsbehörde. Die
anderen an dieser Vereinbarung beteiligten Behörden haben der Anstellungsbehörde
die anteiligen Personalkosten zu erstatten.
11.1.2
Kommt diese in jedem Falle vorzuziehende Lösung nicht in Frage, dann lässt sich
auch der Einsatz hauptamtlicher Dienstkräfte vertreten, die neben ihrer Tätigkeit
als Vollziehungsbeamte noch andere Aufgaben ihrer Behörde erledigen. Eine
gleichzeitige Wahrnehmung von Aufgaben der Vollstreckungsbehörde ist unzulässig
(siehe Nr. 11.3.3). Auch auf Zeit, z. B. in Vertretung erkrankter oder
beurlaubter Vollziehungsbeamten, können solche Dienstkräfte, wenn sie
entsprechend vereidigt sind, als Vollziehungsbeamte eingesetzt werden.
11.1.3
Die Tätigkeit eines Vollziehungsbeamten erfordert nicht nur umfassende Kenntnis
des Vollstreckungsrechts, sondern in besonderem Maße wirtschaftliches und
menschliches Verständnis, Takt, Entschlusskraft und Durchsetzungsvermögen,
Umsicht und solche charakterlichen Eigenschaften, die eine unparteiische
Amtsführung gewährleisten. Dieses ist bei der Auswahl der Kräfte zu beachten.
11.1.4
Der Vollziehungsbeamte handelt in Ausübung öffentlicher Gewalt. Diese sollte
grundsätzlich Berufsbeamten anvertraut werden. Jedoch ermöglicht es die Fassung
des § 11 VwVG NRW, auch Angestellte zu dieser Aufgabe heranzuziehen. Hiervon
sollte aber, wenn die Personallage der Behörden eine andere Lösung gestattet,
nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden. (Bestellung von Angestellten der
Krankenkassen nach § 66 Abs. 3 S. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 3 SGB X). Angestellte
werden durch Bestellung zu Vollziehungsbeamten zwar nicht Beamte im
staatsrechtlichen Sinne, sie stehen aber unter dem gleichen strafrechtlichen
Schutz wie diese (§ 113 StGB) und unterliegen auch im Übrigen denselben
Strafbestimmungen wie Beamte (insbesondere §§ 113 Abs. 3, 203 Abs. 2, 331 ff. StGB).
11.2
Vereidigung
Die Vereidigung des Vollziehungsbeamten ist Voraussetzung für die
Rechtsgültigkeit der von ihm durchgeführten Maßnahmen. Sie ist durch seinen
Dienstherrn nach den geltenden allgemeinen Vorschriften zu veranlassen. Haben
Beamte bereits anlässlich ihrer Anstellung einen allgemeinen Diensteid
geleistet, so bedarf es einer nochmaligen Vereidigung nicht. Angestellte sind
jedoch stets besonders zu vereidigen, auch wenn sie nur vorübergehend (vgl. Nr.
11.1.2) zu Vollziehungsbeamten bestellt werden
sollen. Als Eidesformel genügt, soweit vom Dienstherrn nichts anderes bestimmt
wird:
„Ich schwöre, dass ich die Pflichten eines Vollziehungsbeamten der Gemeinde
...... gewissenhaft erfüllen werde.“
Wird ein Bediensteter für mehrere Vollstreckungsbehörden unmittelbar, nicht nur
in Ausführung einzelner Amtshilfeersuchen, als Vollziehungsbeamter tätig (vgl.
Nr. 11.1.1), so muss er von jeder Behörde vereidigt werden, sofern er nicht
bereits bei der erstmaligen Vereidigung durch seinen Dienstherrn unter
entsprechender Ergänzung der Eidesformel zugleich auch auf seine Pflichten
gegenüber den sonst beteiligten Gemeinden (GV) vereidigt werden kann. Über die
Vereidigung ist eine durch den Vollziehungsbeamten zu unterzeichnende
Niederschrift aufzunehmen und zu seinen Personalakten zu nehmen.
11.3
Verhältnis zur Vollstreckungsbehörde
11.3.1
Der Vollziehungsbeamte handelt niemals kraft eigenen Rechts. Er wird nur im
Namen der Vollstreckungsbehörde und nur im Rahmen der ihm ausdrücklich
erteilten Aufträge tätig. Er ist nicht Organ, sondern Gehilfe der
Vollstreckungsbehörde. Im Sinne der Rechtsmittelvorschriften sind seine
Amtshandlungen stets Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde. Für etwaige
Amtspflicht-Verletzungen haftet nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG die
Anstellungsbehörde.
11.3.2
Die Unterstellung des Vollziehungsbeamten unter die Vollstreckungsbehörde, d.h.
seine Weisungsgebundenheit, ist eine rein fachliche. Persönlich und disziplinarisch
untersteht er der Anstellungsbehörde, die mit der Vollstreckungsbehörde nicht
identisch sein muss.
11.3.3
Das Gesetz weist bestimmte Handlungen ausdrücklich der Vollstreckungsbehörde
als solcher zu. Dazu zählen zum Beispiel: der Antrag auf richterliche Anordnung
der Wohnungsdurchsuchung (§ 14 Abs. 4 Satz 2), die Zulassungsverfügung
betreffend die Austauschpfändung (§ 27 VwVG NRW i.V.m. § 811 a ZPO), die
Versteigerungsanordnung (vgl. § 30). Derartige Handlungen kann die
Vollstreckungsbehörde nicht durch einen Vollziehungsbeamten ausführen lassen.
Das Gesetz grenzt die Befugnisse des Vollziehungsbeamten klar ab gegenüber den
entscheidenden und anordnenden Befugnissen der Vollstreckungsbehörde.
Zu den Befugnissen des Vollziehungsbeamten gehören insbesondere:
- Das Betreten und Durchsuchen der Wohnung des Vollstreckungsschuldners (§ 14 VwVG NRW),
- die Sachpfändung (§ 28 VwVG NRW),
- die Versteigerung (§ 30 VwVG NRW),
- die Wegnahme des Hypothekenbriefes (§ 41 VwVG NRW) und
- die Wegnahme von Wertpapieren (§ 42 VwVG NRW).
Das Gesetz fordert andererseits vielfach das Zusammenwirken beider. Darin liegt
eine weitgehende Gewähr für die Vermeidung rechtswidriger Akte. Es ist daher
unzulässig, dass etwa bei kleinen Gemeinden Aufgaben der Vollstreckungsbehörde
und Befugnisse des Vollziehungsbeamten von demselben Bediensteten wahrgenommen
werden.
11.4
Vollstreckung durch Gerichtsvollzieher
Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Gerichtsvollziehern durch das Land und
andere Gläubiger (§ 11 Abs. 3 VwVG NRW) ist in der Verwaltungsverordnung des
Justizministeriums über die Inanspruchnahme von Gerichtsvollziehern nach dem
VwVG für das Land NRW v. 29.4.1996 (SMBl. NRW. 2010) geregelt.
Die Gerichtsvollzieher sind bei Durchführung von derartigen
Vollstreckungsaufträgen im Verwaltungszwangsverfahren zwar an sachliche
Weisungen der auftraggebenden Vollstreckungsbehörde gebunden, wenden aber die
zivilprozessualen Vollstreckungsvorschriften an. Der schriftliche, mit
Dienstsiegel versehene Auftrag der Vollstreckungsbehörde tritt dabei an die
Stelle des sonst erforderlichen „vollstreckbaren Titels“.
12
Auftrag und Ausweis des Vollziehungsbeamten (zu § 12)
12.1
Vollstreckungsauftrag
12.1.1
Der Vollstreckungsschuldner braucht eine Vollstreckungshandlung nur zu dulden,
wenn und soweit sich der Vollziehungsbeamte durch einen Vollstreckungsauftrag
ausweist. Der Auftrag ist von der Vollstreckungsbehörde unbeschadet ergänzender
mündlicher Weisungen stets schriftlich zu erteilen. Keines schriftlichen
Auftrages bedarf es, wenn der Vollziehungsbeamte nur Zustellungen bewirken oder
andere Handlungen vornehmen will, die sich nicht als Vollstreckungsmaßnahme
darstellen.
12.1.2
Zur rechtmäßigen Ausübung seines Amtes (§ 113 StGB) wird der Vollziehungsbeamte
nur ermächtigt durch einen Auftrag seiner Vollstreckungsbehörde. Bei Ausführung
eines Vollstreckungsersuchens ist der Auftrag daher nicht von der ersuchenden,
sondern von der ersuchten Behörde zu erteilen.
12.1.3
Der Vollstreckungsauftrag soll enthalten:
1. die Bezeichnung des Vollstreckungsschuldners (Postanschrift), ggf. Angaben
über Duldungsschuldner (keine Sammelaufträge gegen mehrere
Vollstreckungsschuldner), bei juristischen Personen muss auch der gesetzliche
Vertreter (z.B. Geschäftsführer) angegeben werden,
2. die Angabe der beizutreibenden Haupt- und Nebenforderungen (§ 6 Abs. 4 Buchstabe b VwVG NRW),
3. wenn nötig, die zu treffenden Vollstreckungsmaßnahmen (z.B. Wegnahme
bestimmter Urkunden) und bei Zwangsvollstreckung gegen Duldungsschuldner auch
die Bezeichnung der Vermögensmasse, in die vollstreckt werden soll,
4. die Ermächtigung des Vollziehungsbeamten, die geschuldeten Leistungen gegen
Empfangsbescheinigung anzunehmen. Der Vollstreckungsauftrag muss die
geschuldeten Leistungen der Höhe und dem Grunde nach unter Angabe des
Gläubigers enthalten (vgl. § 13 VwVG NRW),
5. sofern zweckmäßig, die Aufforderung, die wirtschaftlichen Verhältnisse des
Vollstreckungsschuldners im wesentlichen Umfange zu ermitteln und aufzunehmen.
Hinweis zu
vorstehender Nr. 5:
Es hat sich in der Regel als zweckdienlich erwiesen, wenn der Vollziehungsbeamte
vor der Durchführung der eigentlichen Sachpfändung bzw. der Erstellung des
Unpfändbarkeitsprotokolls die wesentlichen Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners ermittelt. Diese umfassen
zumindest den Familienstand, die Wohnverhältnisse (Mietwohnung, eigenes Haus,
Miet- oder Untermieteinnahmen), die Einkommensverhältnisse (Arbeitseinkommen,
Arbeitslosengeld/-hilfe, Rente, Kindergeld, Wohngeld, Sozialhilfe, Einkommen
aus selbstständiger Tätigkeit), sonstiges Vermögen (Bausparvertrag, Kontenguthaben,
eigenes Fahrzeug (Brief), Lebensversicherung, Forderungen aus Verkauf,
Werklohn, Dienstvertrag oder Einkommensteuererklärung), bereits abgegebene
eidesstattliche Versicherungen (vor welchem AG, Zeitpunkt) und bestehende
Unterhaltsverpflichtungen.
12.1.4
Der Vollstreckungsauftrag soll dem Vollziehungsbeamten nicht vor Ablauf der in
§ 6 Abs. 1 Nr. 3 VwVG NRW vorgesehenen Wochenfrist ausgehändigt werden.
12.1.5
Der Vollstreckungsauftrag ist dem Vollstreckungsschuldner oder der in seinem Haushalt
angetroffenen Personen (§ 15 VwVG NRW) unaufgefordert vorzuzeigen.
12.2
Dienstausweis
Der Vollziehungsbeamte muss bei der Ausübung seiner Tätigkeit auf Verlangen
jederzeit einen mit Lichtbild und Dienstsiegel versehenen Ausweis der
Vollstreckungsbehörde vorzeigen, der ihn zur Vornahme von
Vollstreckungshandlungen allgemein ermächtigt (Dienstausweis für
Vollziehungsbeamte). Ein anderer „behördlicher Ausweis“, z.B. ein
Personalausweis oder ein allgemeiner Dienstausweis für Behördenangehörige,
genügt nicht.
13
Angabe des Schuldgrundes (zu § 13)
Damit der
Vollstreckungsschuldner erkennen kann, welche Ansprüche der Zwangsvollstreckung
zu Grunde liegen, muss im Vollstreckungsauftrag und in der Pfändungsverfügung
die zu vollstreckende Forderung (Schuldgrund) genannt werden (vgl. auch Nr. 12.1.3 und Nr. 40.2.2 Buchstabe a).
14
Befugnisse der Vollziehungsbeamten (zu § 14)
14.1
Der Vollziehungsbeamte ist befugt, die Wohnung und die Behältnisse des
Vollstreckungsschuldners zu durchsuchen, wenn dieser oder in seiner Abwesenheit
ein erwachsener Hausgenosse der Durchsuchung nicht widerspricht; dies ist im
Protokoll zu vermerken.
Zur Wohnung gehören alle Räumlichkeiten, die den häuslichen oder beruflichen
Zwecken ihres Inhabers dienen, insbesondere die eigentliche Wohnung, ferner
Arbeits-, Betriebs- und andere Geschäftsräume, dazugehörige Nebenräume sowie
das angrenzende befriedete Besitztum (Hofraum, Hausgarten). Widerspricht eine
der in Satz 1 genannten Personen der Durchsuchung der Wohnung bedarf es - außer
bei Gefahr im Verzug - gemäß Artikel 13 Abs. 2 GG einer richterlichen
Anordnung.
Gestattet der Angetroffene die Durchsuchung nicht, so ist er vom
Vollziehungsbeamten nach den Gründen zu befragen, die er gegen eine
Durchsuchung geltend machen will. Seine Erklärungen sind ihrem wesentlichen
Inhalt nach im Protokoll festzuhalten. Der Vollziehungsbeamte belehrt den
Vollstreckungsschuldner zugleich, dass dieser aufgrund der Durchsuchungsverweigerung
zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 1 Nr. 3 AO verpflichtet
ist, sobald ein entsprechender Auftrag vorliegt. Die Belehrung vermerkt er im
Protokoll.
14.1.1
Durchsuchungsanordnungen können nicht im Voraus beantragt
werden, sondern erst dann, wenn der Vollstreckungsschuldner seine Einwilligung
zur Durchsuchung verweigert hat, die Durchsuchung also gegen seinen Willen
stattfinden muss oder der Vollstreckungsschuldner wiederholt in seiner Wohnung
trotz Ankündigung nicht angetroffen wird.
14.1.2
Zuständig für die Anordnung der Durchsuchung ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk
die Durchsuchung stattfinden soll (§ 14 Abs. 4 VwVG NRW). Das Stellen des
Antrages auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung gehört zum
Aufgabenbereich der Vollstreckungsbehörde. Der Antrag soll auf die Anordnung
der Durchsuchung zum Zwecke der Pfändung und zum Zwecke der Abholung evtl.
gepfändeter Sachen gerichtet sein. Dem Antrag soll eine Erklärung darüber
beigefügt werden, dass die beizutreibende Forderung vollstreckbar ist und dass
die Durchsuchung geboten erscheint, z.B. weil die Möglichkeit besteht, dass
sich in den zu durchsuchenden Räumen der Vollstreckung unterliegende
Vermögensgegenstände befinden und die Durchsuchung zu einer Befriedigung des
Gläubigers zumindest beiträgt.
14.1.3
Die richterliche Anordnung einer Durchsuchung entfaltet auch Wirkung gegenüber
einem Gewahrsamsinhaber der Wohnung, der seine Einwilligung in die Durchsuchung
verweigert hat.
Ist dieser mit dem Betreten der Wohnung und ihrer Begehung durch den
Vollziehungsbeamten zum Zwecke der Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen
einverstanden, liegt keine Durchsuchung vor, für die eine richterliche
Anordnung notwendig ist.
14.1.4
Hat der Vollziehungsbeamte mit Einwilligung des Vollstreckungsschuldners die
Wohnung betreten, so hat der Vollziehungsbeamte zunächst durch Befragen
festzustellen, ob der Vollstreckungsschuldner mit einer weiteren Durchsuchung
der Wohnung zum Zwecke der Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen einverstanden
ist.
Die Einwilligung muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch
durch das stillschweigende Verhalten des Vollstreckungsschuldners erfolgen. Die
stillschweigende Einwilligung liegt zum Beispiel dann vor, wenn der
Vollstreckungsschuldner als Inhaber der Wohnung die Räume dem
Vollziehungsbeamten zur Durchsuchung zugänglich macht.
Erteilt der Vollstreckungsschuldner keine Einwilligung zur Durchsuchung der
Wohnung oder widerruft er die erteilte Einwilligung, so ist die
Vollstreckungshandlung abzubrechen. Auch dem Vollziehungsbeamten sichtbar
gewordene, weitere zur Pfändung geeignete Gegenstände dürfen in diesem Fall
nicht (mehr) gepfändet werden.
14.1.5
Keiner Einwilligung bedarf es bei „Gefahr für den Erfolg der Durchsuchung“.
Der Begriff ist eng auszulegen. Die richterliche Anordnung einer Durchsuchung
muss die Regel, die nichtrichterliche die Ausnahme darstellen. Die Annahme
einer Gefahr für den Durchsuchungserfolg muss mit Tatsachen begründet werden,
die auf den Einzelfall bezogen sind. Reine Spekulationen, hypothetische
Erwägungen oder lediglich auf Alltagserfahrung gestützte, vom Einzelfall
unabhängige Vermutungen reichen nicht aus. Eine Gefahr ist in aller Regel dann
anzunehmen, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte damit zu rechnen ist, dass
zur Pfändung geeignete Gegenstände kurzfristig beiseite geschafft werden und
die vorherige Einholung einer richterlichen Durchsuchungsanordnung dem Vorschub
leisten würde. Derartige Anhaltspunkte können sich aus Bemerkungen des
Vollstreckungsschuldners oder zu seiner Wohngemeinschaft gehörenden Personen,
aus der Beobachtung von Nachbarn oder aus der Feststellung bereits vom
Vollstreckungsschuldner eingeleiteter Maßnahmen zur Entfernung von Pfandgut
(Umzug) ergeben. Ist die Annahme von Gefahr im Verzug aufgrund derartiger
Indizien gerechtfertigt, so ist die Vollstreckungsmaßnahme fortzusetzen. Einer
richterlichen Durchsuchungsanordnung bedarf es dann nicht.
14.1.6
In § 14 Abs. 2 VwVG NRW wird die bei so genanntem Drittgewahrsam an der Wohnung
auftretende Problematik durch eine grundsätzliche Duldungspflicht der Mitbewohner
geregelt, sofern der Vollstreckungsschuldner in die Wohnungsdurchsuchung
eingewilligt hat oder eine richterliche Durchsuchungsanordnung ergangen ist.
Unbillige Härten gegenüber Mitbewohnern, wie z.B. Zwangsvollstreckung trotz
schwerer, akuter Erkrankung eines Mitbewohners, können für den
Vollziehungsbeamten erst an Ort und Stelle erkennbar werden. Unbillige Härten
sind zu vermeiden (Abs. 2 Satz 2). Härten für Mitbewohner, die bei Erlass der
richterlichen Durchsuchungsanordnung gewürdigt und nicht als hinderlich
angesehen wurden, können vom Vollziehungsbeamten oder Gerichtsvollzieher jedoch
nicht erneut berücksichtigt werden.
14.2
Umfang der Befugnis
§ 14 VwVG NRW gibt auf Grund richterlicher Durchsuchungsanordnung und bei
Gefahr im Verzug das Recht, die Wohnung und Behältnisse des
Vollstreckungsschuldners zu durchsuchen und notfalls Türen und Behältnisse
öffnen zu lassen
(Nr. 14.3). Bestreitet der
Vollstreckungsschuldner oder ein Familienangehöriger dieses Recht, oder leistet
jemand darüber hinaus noch in anderer Weise Widerstand (Nr. 14.4), dann stellen
sich die oben genannten Maßnahmen ebenso wie jede Gewaltanwendung zur Brechung
des Widerstandes rechtlich als tatsächliche Ausübung unmittelbaren Zwanges dar.
§ 14 VwVG NRW bildet i. V. m. mit § 66 Abs. 1 Nr. 1, § 68 Abs. 1 Nr. 1 VwVG NRW
hierfür die notwendige und ausreichende Rechtsgrundlage. Hinzu kommt das in §
15 VwVG NRW geregelte „weitere Erfordernis“ der Zuziehung von Zeugen (vgl. Nr. 14.3.2 und Nr. 15.1). Der Vollziehungsbeamte
darf von seinen Zwangsbefugnissen erst Gebrauch machen, wenn er diese Maßnahmen
dem Vollstreckungsschuldner oder einer sonst anwesenden „Ersatzperson“ (Nr.
15.1) angedroht hat. Das ergibt sich aus § 69 VwVG NRW.
Der Vollziehungsbeamte darf im Übrigen nie weiter gehen, als „dies der Zweck
der Vollstreckung fordert“. Er hat also nicht nur auf die Belange des
Gläubigers, sondern auch auf diejenigen des Vollstreckungsschuldners angemessen
Rücksicht zu nehmen und insbesondere § 58 Abs. 2 und 3 VwVG NRW zu beachten.
Überschreitet er insoweit seine Befugnisse, so handelt er nicht mehr „in
rechtmäßiger Ausübung seines Amtes“. Ein etwaiger Widerstand des
Vollstreckungsschuldners gegen sein unangemessenes Vorgehen wäre dann nicht
nach § 113 StGB strafbar.
14.3
Wohnung und Behältnisse
14.3.1
Der Begriff der „Wohnung“ in Artikel 13 GG ist weit auszulegen (vgl. Nr. 14.1).
Räume, die einem Untermieter überlassen sind, gehören dagegen regelmäßig nicht
zur Wohnung des Vollstreckungsschuldners (vgl. § 28 Abs. 4 VwVG NRW).
14.3.2
Behältnisse sind alle fest eingebauten Gelasse oder losen Gegenstände, die der
Aufbewahrung von Sachen dienen (Schränke, Truhen, Kisten, Kasten, Schubladen,
Dosen, Fässer, Kannen usw.), aber auch Kleidungsstücke mit Taschen, die der
Vollstreckungsschuldner am Leibe trägt. Zur Durchsuchung der Kleidung
weiblicher Personen soll eine weibliche Hilfsperson zugezogen werden.
14.3.3
Verschlossene Türen und feste Behältnisse darf der Vollziehungsbeamte nicht
rücksichtslos aufbrechen. Er soll sie vielmehr ordnungsgemäß, etwa durch einen
sachkundigen Handwerker, öffnen lassen, wenn er nicht Gefahr laufen will, eine
Schadenshaftung seiner Behörde gegenüber dem Vollsteckungsschuldner zu
begründen.
14.4
Widerstand
14.4.1
Widerstand ist jedes Verhalten des Vollstreckungsschuldners oder eines anwesenden
Dritten, durch das die Vollstreckungshandlung verhindert oder erschwert wird.
Auch die ernstzunehmende mündliche Bedrohung des Vollziehungsbeamten kann
bereits Widerstand sein.
14.4.2
Die Befugnis, Widerstand mit allen geeigneten Mitteln, mit Ausnahme der Anwendung
von Waffen, gewaltsam zu brechen, steht dem Vollziehungsbeamten nicht nur
gegenüber dem Vollstreckungsschuldner, sondern gegenüber jedem Beteiligten oder
Unbeteiligten zu, der seine rechtmäßigen Vollstreckungshandlungen zu hindern
versucht. Er darf aber auch dann, wenn er mit dem Widerstand allein fertig
werden könnte, nur in Gegenwart der in § 15 VwVG NRW ausdrücklich vorgesehenen
Zeugen Gewalt anwenden. Er muss deshalb bei Widerstand seine Vollstreckungshandlung
unterbrechen, bis die Zeugen anwesend sind. Ist etwa nach früheren Erfahrungen
bei diesem Vollstreckungsschuldner schon mit Widerstand zu rechnen, so sollte
der Vollziehungsbeamte geeignete Zeugen, am besten einen Polizeibeamten,
vorsorglich mitbringen. Zugezogene Zeugen machen sich auch bei Widerspruch des
Wohnungsberechtigten keines Hausfriedensbruches schuldig.
Der Vollziehungsbeamte soll in Gegenwart der Zeugen ausdrücklich auch auf die
strafrechtlichen Folgen weiteren Widerstandes hinweisen, ehe er die angedrohte
Gewalt anwendet.
14.5
Vollzugshilfe der Polizei
14.5.1
Der Vollziehungsbeamte kann auch zu seiner Unterstützung polizeiliche Hilfe
erbitten. Ob er diese unmittelbar erbittet oder erst die auftraggebende Vollstreckungsbehörde
einschaltet, wird von den Umständen des Einzelfalles abhängen. Im Übrigen soll
der Unterschied im Wortlaut zu § 287 AO (Polizeibeamte) und zu § 758 ZPO
(polizeiliche Vollzugsorgane) nicht besagen, dass sich der Vollziehungsbeamte
im Verwaltungszwangsverfahren nur an die Polizeibehörde als solche und nicht
auch an den nächsten erreichbaren Polizeibeamten wenden kann.
14.5.2
Weder die Polizeibehörde noch der ersuchte Polizeibeamte haben die
Rechtmäßigkeit der Amtshandlung, zu der die polizeiliche Hilfe erbeten wird,
nachzuprüfen. Die Polizei hat jedoch die Vordringlichkeit der beantragten
Hilfeleistung gegenüber anderen ihr obliegenden Dienstgeschäften in eigener
Verantwortung zu beurteilen.
14.6
Vollstreckung gegen Soldaten
14.6.1
Grundsätzlich werden sowohl die zivilprozessuale Zwangsvollstreckung als auch
das Verwaltungszwangsverfahren gegen Soldaten nach den allgemeinen Vorschriften
durchgeführt. Das gilt uneingeschränkt für Vollstreckungsmaßnahmen gegen
Soldaten, die sich nicht im Dienst befinden, sondern außerhalb militärischer
Unterkünfte.
Soll jedoch gegen einen Soldaten im Dienst oder innerhalb einer
Truppenunterkunft (Kaserne, Truppenübungsplatz, mil. Dienststelle, Schiff u.
ä.) vollstreckt werden, muss der Vollziehungsbeamte in geeigneter Weise auf die
dienstlichen Belange der Bundeswehr Rücksicht nehmen. Es sind daher die
Grundsätze zu beachten, die der Bundesminister für Verteidigung in seinem
Erlass über Zustellungen, Ladungen, Vorführungen und Zwangsvollstreckungen in
der Bundeswehr v. 23.7.1998 (VMBl. S. 246) getroffen hat, um von Seiten der Bundeswehr den Vollziehungsbeamten
ihre Aufgaben zu erleichtern.
15
Zuziehung von Zeugen (zu § 15)
15.1
Eine Vollstreckung in Abwesenheit des Vollstreckungsschuldners soll möglichst
vermieden werden. Zeugen sind daher außer im Falle des Widerstandes (vgl. Nr.
14.4.2) auch dann zuzuziehen, wenn eine Vollstreckungshandlung in Abwesenheit
des Vollstreckungsschuldners und der angegebenen Ersatzperson durchgeführt
werden soll. Der Kreis dieser Personen ist möglichst weit zu fassen. Es gehören
dazu alle mit dem Vollstreckungsschuldner in wirtschaftlicher Lebensgemeinschaft
stehenden Personen. Andererseits genügt nicht etwa schon die Anwesenheit eines
Jugendlichen, der die Tragweite der beabsichtigten Vollstreckungshandlung noch
nicht erfassen kann, um die gesetzlich vorgeschriebene Heranziehung von Zeugen
entbehrlich zu machen.
15.2
Wegen einer etwaigen Entschädigung der Zeugen ist entsprechend Nr. 27.2.4 zu
verfahren.
16
Vollstreckung zur Nachtzeit und an Feiertagen (zu § 16)
Da bereits eine Zustellung zur
Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen nach Verwaltungszustellungsgesetz der schriftlichen Erlaubnis des
Behördenvorstandes bedarf, soll erst recht
der Vollziehungsbeamte eine Vollstreckungshandlung in dieser Zeit nur mit
Erlaubnis des Leiters der Vollstreckungsbehörde vornehmen.
Die Vollstreckung an Sonn- und Feiertagen wird, abgesehen von Fällen drohender
Vermögensverschiebung, wohl nur in Frage kommen bei solchen
Vollstreckungsschuldnern, die an diesen Tagen ihr Geschäft offen halten oder
sonst ihrer Arbeit nachgehen und deshalb über Tageseinnahmen verfügen. Die
Feiertage ergeben sich aus § 2 Feiertagsgesetz NRW (SGV. NRW. 113).
17
Niederschrift (zu § 17)
17.1
Jede Niederschrift, die den Erfordernissen des § 17 VwVG NRW entspricht, hat
die Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde i. S. d. § 348 StGB und des § 415
ZPO.
17.2
Mehrere inhaltlich gleichartige Vollstreckungsaufträge, die sich gegen
denselben Vollstreckungsschuldner richten, können bei gleichzeitiger Ausführung
ebenso wie mehrere zusammenhängende Vollstreckungshandlungen in einer
gemeinsamen Niederschrift erfasst werden. Im Übrigen ist über jede
Vollstreckungshandlung eine besondere Niederschrift anzufertigen.
17.2.1
Vollstreckungshandlungen sind insbesondere:
1. Die Annahme von Zahlungen und anderen Leistungen (jedoch keine Niederschrift
im Falle der Nr. 17.2.2),
2. die Durchsuchung von Räumen und Behältnissen (§ 14 VwVG NRW),
3. die Pfändung (§§ 21, 28 ff. VwVG NRW) und Anschlusspfändung (§ 38 VwVG NRW),
4. die - auch nachträgliche - Wegschaffung gepfändeter Sachen aus dem Gewahrsam
des Vollstreckungsschuldners, z.B. bei Gefahr der Pfandverschleppung,
5. die Wegnahme und die Entgegennahme herauszugebender Sachen, besonders
Urkunden,
6. die Niederlegung einer Zahlungsaufforderung bei Abwesenheit des
Vollstreckungsschuldners,
7. die Versteigerung und die freihändige Veräußerung von Pfandsachen.
Die Aufhebung der Pfändung und
die Rückgabe von Pfandstücken gegen Quittung kann auf dem Pfändungsprotokoll
bescheinigt werden. Im Falle der vorstehenden Nr. 5 und bei Annahme von
Teilzahlungen ohne gleichzeitige Pfändung genügt ein Vermerk auf dem Vollstreckungsauftrag.
17.2.2
Zahlt der Vollstreckungsschuldner auf bloße Aufforderung des Vollziehungsbeamten
an diesen ohne Vorbehalt oder Bedingung den geschuldeten Betrag, so genügt
anstelle der Niederschrift eine für die Vollstreckungsbehörde bestimmte
Ausfertigung der Quittung.
17.3
Die Niederschrift soll in unmittelbarem Anschluss an die Vollstreckungshandlung
an Ort und Stelle angefertigt werden. Ihr Inhalt richtet sich nach § 17 Abs. 2
VwVG NRW. Darüber hinaus sind ggf. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Gefahr
im Verzuge in der Niederschrift festzuhalten. Im Übrigen bestimmt sich der
Inhalt der Niederschrift im Einzelnen,
insbesondere zu § 17 Abs. 2 Nr. 2 VwVG NRW, nach den Besonderheiten des
Anlasses. Sie muss jedenfalls so vollständig sein, dass die
Vollstreckungsbehörde stets in der Lage ist, die ordnungsgemäße Durchführung
des Vollstreckungsverfahrens zu beurteilen und notfalls gegen spätere
Einwendungen zu beweisen. Die Nutzung einheitlicher Vordrucke für die verschiedenen
Zwecke bleibt den Vollstreckungsbehörden überlassen; in diesem Falle ist aber
das sorgfältige und vollständige Ausfüllen aller Vordruckteile besonders
wichtig.
18
Mitteilungen des Vollziehungsbeamten (zu § 18)
18.1
Zu den mündlich zu erlassenden Aufforderungen gehören u. a. die Aufforderungen
zur freiwilligen Leistung und zur Öffnung der Behältnisse (§ 14 Abs. 2 VwVG NRW).
18.2
Können diese Aufforderungen und andere Mitteilungen nicht mündlich ergehen, so
hat der Vollziehungsbeamte das in der Niederschrift zu vermerken und eine
Abschrift formlos dem zu übersenden, dem die Mitteilung mündlich hätte gemacht
werden müssen. Der Zustellung bedarf es nicht.
19
Mahnung (zu § 19)
19.1
Wesen und Inhalt der Mahnung
19.1.1
Mit der Mahnung wird der Vollstreckungsschuldner aufgefordert, einen
bestimmten, durch Leistungsbescheid bereits angeforderten fälligen Geldbetrag
einschließlich der Kosten der Mahnung bis zum Ablauf der Mahnfrist (regelmäßig
1 Woche) zur Vermeidung des Verwaltungszwangsverfahrens an die angegebene Kasse
zu zahlen. Gemäß § 6 Abs. 3 VwVG NRW kann die Mahnung schon am ersten Tag der
Schonfrist ausgesprochen werden (vgl. Nr. 6.1.4).
19.1.2
Die Mahnung ist nicht Vollstreckungshandlung, auch nicht notwendige Voraussetzung
der Vollstreckung im Sinne des § 6 Abs. 1 VwVG NRW. Sie soll jedoch gemäß §§ 6
Abs. 3 und 19 VwVG NRW der Vollstreckung regelmäßig vorausgehen, wenn keine
Hinderungsgründe (Nr. 19.1.3) entgegenstehen. Zu mahnen ist stets derjenige,
der als Vollstreckungsschuldner in Anspruch genommen werden soll und von dem
ein Tätigwerden durch Leistung erwartet werden kann. Das kann außer dem
Selbstschuldner ein Haftungsschuldner, der nach § 4 Abs. 2 VwVG NRW die
Pflichten eines Vollstreckungsschuldners hat, oder auch ein Duldungsschuldner
sein, der die Leistung selbst aus fremden Mitteln zu bewirken hat.
19.1.3
Die Mahnung darf über die in § 6 Abs. 4 VwVG NRW vorgesehenen Fälle hinaus
unterbleiben,
a) wenn zu befürchten ist, dass der Erfolg der Zwangsvollstreckung durch die
mit der Mahnung verbundene Verzögerung oder durch die damit beabsichtigte
Warnung des Vollstreckungsschuldners in Frage gestellt wird,
b) wenn die Mahnung infolge eines in der Person des Vollstreckungsschuldners liegenden
Hindernisses nicht ausgeführt werden kann, z.B. weil der
Vollstreckungsschuldner verzogen und seine neue Anschrift nicht bekannt ist,
c) wenn die Mahnung infolge offenkundiger Mittellosigkeit des
Vollstreckungsschuldners zwecklos erscheint,
d) wenn die Kosten der Mahnung außer Verhältnis zu dem geschuldeten Betrag stehen,
e) wenn Geldbußen oder Ordnungsstrafen beigetrieben werden sollen,
f) im Falle der Dauerpfändung gemäß § 43 Abs. 3 VwVG NRW,
g) wenn gemäß § 19 Satz 3 VwVG NRW an die Zahlung erinnert wurde.
19.2
Zuständigkeit und Voraussetzungen für die Mahnung
19.2.1
Die Mahnung ist Sache derjenigen Stelle, die für die Einziehung des Betrages
zuständig ist.
19.2.2
Die Vollstreckungsbehörde hat von sich aus zu mahnen, wenn sie vor Einleitung
von Vollstreckungsmaßnahmen feststellt, dass der Vollstreckungsschuldner bisher
von der zuständigen Stelle noch nicht gemahnt worden ist.
19.3
Formen der Mahnung
Die Mahnung erfolgt in der Regel schriftlich. Neben den inhaltlichen
Anforderungen (vgl. Nr. 19.3.1) sind keine Formerfordernisse zu beachten. Eine
Unterschrift ist nicht Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit – vgl. insoweit §
37 VwVfG NRW. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die schriftliche Mahnung
ersetzt werden durch die öffentliche Erinnerung an fällige Zahlungen (Nr.
19.3.3).
19.3.1
Die Mahnung soll die zu bewirkenden Geldleistungen bezeichnen und dem Empfänger
für den Fall der Nichtzahlung binnen einer Woche die Beitreibung im
Zwangsverfahren durch die Vollstreckungsbehörde androhen.
19.3.2
Die Mahnung wird in der Regel ohne förmliche Zustellung als einfacher Brief an
die Anschrift des Vollstreckungsschuldners verschickt. Der Zeitpunkt der
Absendung ist bei den Vorgängen der mahnenden Stelle zu vermerken.
19.3.3
Das Innenministerium als oberste Aufsichtsbehörde lässt mit dieser
Verwaltungsvorschrift zu, dass an die Zahlung aller von den Gemeinden
einzuziehenden Abgaben (einschließlich Nebenleistungen), die periodisch zu
leisten sind, statt der Mahnung allgemein öffentlich erinnert wird, wenn und soweit
die Pflichtigen rechtzeitig durch einen persönlichen Leistungsbescheid unter
Hinweis auf die Fälligkeitstermine und die fälligen Beträge zur Zahlung aufgefordert
worden sind.
Die öffentliche Erinnerung gilt nicht als Mahnung gegenüber
Vollstreckungsschuldnern, die außerhalb des Bezirks der erinnernden Behörde
wohnen. Das gilt sowohl für Selbstschuldner wie für Haftungs- und
Duldungsschuldner.
19.4
Die Mahnung gilt als bewirkt
a) im Falle der Nr. 19.3.2 am dritten Tage nach dem Tag der Aufgabe zur Post.
(vgl. § 41 Abs. 2 VwVfG NRW) Es gilt § 31 Abs. 3 VwVfG NRW, § 193 BGB kommt für
diese Fristberechnung nicht in Betracht,
b) im Falle der Nr. 19.3.3 mit Ablauf des Tages, an dem die Erinnerung in dem
für amtliche Veröffentlichungen des Gläubigers bzw. der Vollstreckungsbehörde
bestimmten Publikationsorgan oder in sonst ortsüblicher Weise bekannt gemacht
worden ist.
Dies gilt auch dann, wenn im
Falle des Buchstaben a der Mahnbrief als unzustellbar
zurückkommt.
19.5
Zahlungserinnerung vor Fälligkeit
Durch die Ergänzung des § 19 VwVG NRW kann die Vollstreckungsbehörde entweder
nach Ablauf der Zahlungsfrist eine Mahnung oder schon vor Ablauf der
Zahlungsfrist eine Zahlungserinnerung versenden. Versendet die
Vollstreckungsbehörde eine Zahlungserinnerung, so entfällt zwar die Mahngebühr,
der Vollstreckungsschuldner wird jedoch frühzeitig an die Zahlung erinnert.
20
Kosten (zu § 20)
20.1
Die Kosten, die der Vollstreckungsbehörde zustehen und grundsätzlich vom
Vollstreckungsschuldner zu tragen sind, gliedern sich in Gebühren für die
Mahnung und für einzelne Vollstreckungshandlungen sowie in Schreibgebühren und
in erstattungspflichtige Auslagen. Ihre Höhe und ihre Voraussetzungen ergeben
sich aus der KostO NRW (SGV. NRW. 2010).
20.2
Soweit nicht andere Bestimmungen maßgebend sind, werden nach § 13 Abs. 2 KostO
NRW aus den vom Vollstreckungsschuldner beigetriebenen Beträgen vor dem
Hauptanspruch zunächst die in Ansatz gebrachten Gebühren und sodann die übrigen
Kosten der Zwangsvollstreckung (etwaige Geldstrafen, Ordnungsstrafen, Geldbußen
oder Zwangsgelder, Verspätungszuschläge, Zinsen oder Säumniszuschläge)
entnommen. Im Falle der Amtshilfe (§§ 4 bis 8 VwVfG NRW) werden zunächst die
Kosten der ersuchten Behörde gedeckt (§ 13 Abs. 4 KostO NRW). Für die
Reihenfolge der Tilgung bei Abgaben nach dem KAG und der in § 2 Abs. 3 KAG
erwähnten Abgaben gilt § 225 AO 1977 i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 5 a KAG.
20.3
§ 20 Abs. 2 VwVG NRW zieht die rechtlichen Folgerungen aus der bereits in Nr.
2.2.2.4 erörterten Tatsache, dass Vollstreckungsbehörden, die nicht auf
Ersuchen einer anderen Vollstreckungsbehörde, sondern kraft Rechtsvorschrift in
Erfüllung eigener Aufgaben für „ihren“ Gläubiger tätig werden, regelmäßig keine
Amtshilfe leisten. Kammern, Innungen, landwirtschaftliche Sozialversicherungen,
unter gewissen Voraussetzungen auch sonstige Sozialversicherungsträger usw.,
müssen im Falle der Uneinbringlichkeit der Kosten, unbeschadet des ohnehin nach
näherer Bestimmung der Bezirksregierungen zu zahlenden Unkostenbetrages (vgl.
Nr. 2.2.3), an ihre Vollstreckungsbehörde nicht nur die baren Auslagen, sondern
auch die fälligen Gebühren anstelle des Vollstreckungsschuldners entrichten
(vgl. dazu auch § 13 Abs. 4 KostO NRW).
20.4
Kostenpflicht bei Amtshilfe
Die Kostenregelung des § 20 Abs. 2 VwVG NRW gilt nicht für das Verhältnis
zwischen ersuchender und ersuchter Vollstreckungsbehörde im Falle der
Amtshilfe. Sie gilt ferner nicht in den Fällen, in denen ausnahmsweise eine
Vollstreckungsbehörde auch für einen Gläubiger ohne eigene Vollstreckungsstelle
nicht in Erfüllung einer ihr durch Gesetz oder Rechtsverordnung zugewiesenen
Aufgabe, sondern im Rahmen eines echten Amtshilfeersuchens tätig wird. Die
Kostenregelung in Absatz 2 gilt, wie sich aus dem Sinnzusammenhang ergibt, jedoch
dann, wenn eine Vollstreckungsbehörde berechtigt wäre, einen Gerichtsvollzieher
in Anspruch zu nehmen (Nr. 11.4), aus besonderen Gründen es aber vorzieht, sich
der Amtshilfe einer anderen Vollstreckungsbehörde zu bedienen.
20.5
Kostenpflicht bei länderübergreifender Vollstreckungshilfe
§ 20 Abs. 3 VwVG NRW sieht eine besondere Kostenregelung im Falle der Amtshilfe
für eine Vollstreckungsbehörde mit Sitz in einem anderen Bundesland vor. Die
Kostenpflicht entsteht, wenn in dem betreffenden Bundesland eine für
nordrhein-westfälische Vollstreckungsbehörden nachteilige Kostenregelung gilt
(zum Beispiel in Bayern) und die Kosten im Einzelfall 25 Euro übersteigen. Die
nordrhein-westfälische Regelung trägt dem Gebot der Gegenseitigkeit Rechnung.
Die meisten Bundesländer verfahren jedoch nach § 8 VwVfG und fordern demnach
keine volle Kostenerstattung, so dass Absatz 3 keine Anwendung findet.
Zweiter Unterabschnitt:
Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen
1.
Allgemeine Vorschriften
21
Pfändung (zu § 21)
21.1
Die Vollstreckungsbehörde hat im Rahmen ihres Ermessens zu prüfen, ob und in
welchem Umfange zur Befriedigung des Gläubigers die Beschlagnahmung unbeweglichen
Vermögens (§ 51 VwVG NRW) geboten oder die Zwangsvollstreckung in bewegliches
Vermögen, also die Pfändung von Sachen (§§ 27 – 39 VwVG NRW), Forderungen (§§
40 – 49 VwVG NRW) und anderen Vermögensrechten (§ 50 VwVG NRW) angemessen und
erfolgversprechend ist. Zulässig ist es auch, wegen einer Forderung mehrere
Pfändungsmaßnahmen zu ergreifen und daneben noch die Zwangsvollstreckung in
Liegenschaften zu betreiben, wenn die Höhe der beizutreibenden Forderung das
rechtfertigt.
21.2
Wenn die Vollstreckungsbehörde oder der Vollziehungsbeamte die Wahl zwischen
mehreren Pfändungsmaßnahmen hat, ist regelmäßig diejenige Art der Pfändung zu
wählen, die voraussichtlich am sichersten und leichtesten zur Deckung der beizutreibenden
Forderung führen wird (Geeignetheit der Maßnahme). Sind mehrere Maßnahmen in
gleicher Weise geeignet, ist diejenige auszuwählen, die für den
Vollstreckungsschuldner offensichtlich die geringere Belastung darstellt. Auf
etwaige Wünsche des Vollstreckungsschuldners ist dabei Rücksicht zu nehmen. Daraus
ergeben sich folgende Grundsätze:
21.2.1
In erster Linie sind bares Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten zu pfänden. Die
Pfändung von Vieh und von Früchten auf dem Halm kommt regelmäßig erst an
letzter Stelle in Frage. § 29 VwVG NRW ist zu beachten.
21.2.2
Nicht zu pfänden sind solche Sachen,
a) deren Pfändbarkeit insbesondere auf Grund von Einwendungen des
Vollstreckungsschuldners zweifelhaft erscheint, oder
b) hinsichtlich derer ein Dritter persönlich oder nach Angabe des Vollstreckungsschuldners
irgendwelche Ansprüche erhebt, die im Falle ihrer Begründung der Verwendung des
Erlöses zugunsten des Gläubigers entgegenstehen würden, oder
c) die offensichtlich bereits von anderen Vollziehungsbeamten oder
Gerichtsvollziehern gepfändet worden sind,
wenn die Pfändung anderer Sachen
möglich ist und hinreichend Sicherung gewährt. Sind andere pfändbare Sachen
oder Vermögensrechte jedoch nicht vorhanden, so kann der Vollziehungsbeamte
nach Ermessen die genannten Sachen dennoch pfänden, im Falle des Buchstaben c
durch Anschlusspfändung (§§ 38, 39 VwVG NRW). Die Vollstreckungsbehörde hat
dann jedoch auf Grund des über die näheren Umstände in das Pfändungsprotokoll
aufzunehmenden Vermerkes alsbald im Falle des Buchstaben a über die Pfändbarkeit
der Sachen eine Entscheidung zu treffen und diese dem Vollstreckungsschuldner
mitzuteilen, gegebenenfalls die unzulässigen Vollstreckungsmaßnahmen
aufzuheben. Im Falle des Buchstaben b hat sie im Benehmen mit dem Gläubiger zu
prüfen, ob die gepfändeten Sachen freizugeben sind. Bis zu dieser Entscheidung
ist von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich der gepfändeten Sachen
abzusehen, sofern die angemeldeten Ansprüche glaubhaft erscheinen (vgl. Nr.
8.3).
21.2.3
Unzulässig ist die Pfändung solcher Gegenstände, die Zubehör eines Grundstücks
sind und dem Grundstückseigentümer gehören, da sie nach § 865 ZPO i. V. m. §
1120 BGB der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen. Zum
Zubehör gehören alle beweglichen Sachen, die, ohne Bestandteile des Grundstücks
zu sein, seinem wirtschaftlichen Zweck zu dienen bestimmt, wenn auch nicht
dafür notwendig sind und zu ihm noch in einem entsprechenden räumlichen
Verhältnis stehen (§§ 97, 98 BGB; vgl. Nr. 27.1.2.1). Andere Gegenstände, auf die sich nach den
§§ 1120 - 1122 BGB die auf dem Grundstück lastenden Hypotheken erstrecken,
können nur gepfändet werden, solange sie nicht durch Zwangsvollstreckung in das
Grundstück beschlagnahmt worden sind.
Schließlich sind die Pfändungsverbote der §§ 811 bis 813 b ZPO zu beachten
(vgl. § 27 VwVG NRW).
21.3
§ 21 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW enthält das Verbot der Überpfändung (Nr. 21.3.1), Satz 3 das Verbot der zwecklosen
Pfändung (Nr. 21.3.2). Die Verletzung dieser Ordnungsvorschriften hat zwar
nicht die Unwirksamkeit der Pfändung zur Folge, kann u. U. aber als Amtspflichtverletzung
einen Schadensersatzanspruch gegen die Vollstreckungsbehörde aus § 839 BGB
begründen.
21.3.1
Zur Vermeidung der Überpfändung hat der Vollziehungsbeamte den Betrag, der bei
der Versteigerung einer Sache voraussichtlich erzielt werden wird, zu schätzen
(Schätzungswert). Wenn mehrere Personen als Gesamtschuldner für den beizutreibenden
Anspruch haften, darf bei jedem Vollstreckungsschuldner für den ganzen Anspruch
gepfändet werden, da jeder für die ganze Schuld haftet, soweit sie nicht von
einem der Mithaftenden beglichen wird. Ist nur ein pfändbarer Gegenstand
vorhanden, dessen Wert den zu vollstreckenden Anspruch erheblich übersteigt
(z.B. ein Flügel, eine wertvolle Geige, ein Kunstgegenstand), so darf er dennoch
gepfändet werden.
21.3.2
Das Verbot der zwecklosen Pfändung soll nicht nur den Vollsteckungsschuldner
vor Schaden, sondern auch den Gläubiger vor unnötigen Kosten schützen (vgl. §
20 Abs. 2 VwVG NRW). Sachen, deren Pfändung an sich zulässig ist, sind dann
nicht zu pfänden, wenn zu erwarten ist, dass ihre Versteigerung oder ihr
freihändiger Verkauf einen Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung
nicht erbringen wird. Sachen, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im
Haushalt des Vollstreckungsschuldners gebraucht werden, sollen, auch wenn sie
an sich der Pfändung unterliegen, dann nicht gepfändet werden, wenn ihre
Verwertung sich praktisch als eine Verschleuderung darstellen würde (§ 27 VwVG
NRW i. V. m. § 812 ZPO; Nr. 27.1.1).
Ergibt sich erst nach der Pfändung, dass von der Verwertung der Pfandstücke ein
Überschuss über die Kosten nicht zu erwarten ist, so soll die Verwertung
unterbleiben.
21.3.3
Vereinbarung von Teilzahlungen durch den Vollziehungsbeamten
§ 21 Abs. 2 VwVG NRW zielt auf die gütliche und zügige Erledigung des
Verfahrens ab. Er normiert keine neue Verpflichtung des Vollziehungsbeamten,
sondern stellt eine Ermächtigung zu geeigneten Maßnahmen, insbesondere zur
Aufforderung des Vollstreckungsschuldners zu freiwilliger Leistung mit Hinweis
auf nachteilige Folgen des zwangsweisen Handelns dar. Der Vollziehungsbeamte
handelt dabei nach eigenem Ermessen. Zügige Erledigung bedeutet, dass die
gebotenen Möglichkeiten im Rahmen des Vollstreckungsversuchs ausgeschöpft werden
sollen. Absatz 2 eröffnet dem Vollziehungsbeamten die Möglichkeit, Teilbeträge
einzuziehen, falls er pfändbare Gegenstände nicht vorfindet und der
Vollstreckungsschuldner glaubhaft versichert, die Schuld kurzfristig in
Teilbeträgen zu tilgen. Insbesondere in den Fällen, in denen die
Vollstreckungsbehörde für andere Körperschaften des öffentlichen Rechts
vollstreckt, führt die Regelung des § 21 Absatz 2 zu einer
Verfahrensbeschleunigung. Es obliegt der Ermessensentscheidung des
Vollziehungsbeamten, ob er Teilzahlungen vereinbart. Soweit der Gläubiger in
seinem Vollstreckungsauftrag nicht ausdrücklich die Vereinbarung von
Teilzahlungen durch den Vollziehungsbeamten ausschließt, kann das
Einverständnis des Gläubigers vorausgesetzt werden (§ 21 Abs. 2 Satz 2 VwVG NRW).
22
Pfändungspfandrecht (zu § 22)
22.1
Das öffentlich-rechtliche Pfändungspfandrecht entsteht bei der
- Pfändung von Sachen mit der Inbesitznahme (§ 28 VwVG NRW),
- bei der Pfändung von Forderungen mit der Zustellung der Pfändungsverfügung an
den Drittschuldner (§ 40 Satz 3 VwVG NRW),
- bei der Pfändung hypothekarisch gesicherter Forderungen mit der Wegnahme des
Hypothekenbriefes bzw. mit der Eintragung der Pfändung im Grundbuch (§ 41 Abs. 1 VwVG NRW).
Es gibt dem Gläubiger in
gleicher Weise wie ein vertraglich bestelltes Pfandrecht (§§ 1204 ff. BGB) das
Recht auf Befriedigung seiner Ansprüche aus dem Pfandgegenstand im Wege hoheitlicher
Vollstreckung.
22.2
Vorschriften des bürgerlichen Rechts sind im Allgemeinen
auf das Pfändungspfandrecht nicht anzuwenden, da sie die Entstehung des
Pfandrechts durch Rechtsgeschäft voraussetzen (z. B. gutgläubiger Erwerb nach
§§ 1207, 1208 BGB).
22.3
Der Rang des Pfändungspfandrechts gegenüber anderen Pfandrechten bestimmt sich
nach dem Zeitpunkt seiner Entstehung. Wegen der Wirkung einer vor Ablauf der
Schonfrist vorgenommenen Pfändung vgl. Nr. 6.1.3.1.
Durch späteren Vertrag kann ein vorgehendes Pfandrecht begründet werden, wenn
es in gutem Glauben an das Nichtbestehen des älteren Pfändungspfandrechts erworben
wird (§ 1208 BGB, § 366 Abs. 2 HGB); der gute Glauben ist jedoch
ausgeschlossen, wenn die Pfändung erkennbar war.
22.4
Da der Pfändungsgläubiger dem Faustpfandgläubiger gleichgestellt wird,
bestimmen sich seine Rechte im Insolvenzverfahren des Vollstreckungsschuldners
nach den §§ 50, 51 InsO.
22.5
Das Pfändungspfandrecht erlischt
a) mit der Ablieferung der verwerteten Pfandsachen an den Erwerber gegen Bezahlung,
(§ 32 VwVG NRW i. V. m. § 817 ZPO),
b) bei Forderungen und anderen Vermögensrechten mit der Einziehung zugunsten
des Pfändungsgläubigers,
c) mit der Aufhebung der Pfändung durch die Vollstreckungsbehörde
(Entstrickung),
d) durch die Entfernung der Pfandzeichen mit Einwilligung des Gläubigers,
e) durch ausdrücklichen Verzicht des Gläubigers auf sein Pfandrecht, auch wenn
die Aufhebung der Pfändung nach Buchstabe c nicht verfügt wird,
f) durch Untergang der Pfandsache,
g) durch gutgläubigen Eigentumserwerb an der Pfandsache.
22.6
Das Pfändungspfandrecht erlischt nicht
a) durch unfreiwilligen Besitzverlust,
b) durch unberechtigtes Entfernen, durch Beschädigen oder durch Abfallen der
Pfandzeichen.
22.7
Das Erlöschen des durch Pfändung gesicherten Anspruchs bewirkt im Übrigen nicht
selbsttätig die Entstrickung der Pfandsache. Dazu bedarf es vielmehr der ausdrücklichen
Aufhebung der Pfändung (vgl. auch Nr. 22.5 Buchstabe c).
23
Abwendung der Pfändung
(ehemals § 23 - aufgehoben)
§ 23 ist durch Gesetz vom 28. 12. 2002 (GV. NRW. 2003, S. 24) aufgehoben worden.
Zum Thema siehe jetzt Nr. 6.2 zu § 6 a VwVG NRW
24
Klage auf bevorzugte Befriedigung (zu § 24)
24.1
Verhältnis zwischen den §§ 24 und § 8 VwVG NRW
§ 8 VwVG NRW gibt dem Dritten - das kann auch der mittelbare oder unmittelbare
Besitzer sein - das Recht, mit der Behauptung, der Gegenstand der
Zwangsvollstreckung gehöre nicht zum Vermögen des Vollstreckungsschuldners, im
Wege der Widerspruchsklage die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung geltend
zu machen. Dies gilt sowohl für die Mobiliarvollstreckung wie für die
Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen. Demgegenüber kann nach § 24
VwVG NRW ein Dritter, der behauptet, an einer zu pfändenden oder gepfändeten
beweglichen Sache, die er nicht besitzt, ein Pfand- oder Vorzugsrecht zu haben,
zwar die Pfändung und Verwertung nicht verhindern, wohl aber nach Maßgabe
seines vorgehenden Ranges bevorzugte Befriedigung aus dem Erlös verlangen.
Dieses mindere Recht steht auch dem besitzenden Pfandberechtigten zu, der von
seinem Recht nach § 8 VwVG NRW keinen Gebrauch macht, und ist von der
Vollstreckungsbehörde entsprechend zu berücksichtigen.
24.2
Pfand- und Vorzugsrechte
Folgende Rechte kommen unter der Voraussetzung, dass sie dem Recht des
Pfändungsgläubigers im Range vorgehen (vgl. Nr. 22.3), in Frage:
24.2.1
Gesetzliche Pfandrechte, z.B. das Pfandrecht des Vermieters, des Verpächters
und Pächters, des Unternehmers beim Werkvertrag, des Gastwirtes (§§ 559, 585,
590, 647, 704 BGB), ferner das Pfandrecht des Kommissionärs, des Spediteurs,
des Lagerhalters, des Frachtführers (§§ 397, 441, 464, 475 b HGB) und das
Früchtepfandrecht des Lieferers von Düngemitteln und Saatgut (§ 2 Abs. 4 des
Gesetzes zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung (DüngMSaatG) v.
19. Januar 1949).
24.2.2
Vertragspfandrechte, also das Faustpfandrecht gemäß § 1205 BGB, jedoch nur für
den Fall, dass der Pfandgläubiger den unmittelbaren Besitz verloren oder
aufgegeben hat, ohne dass zugleich das Pfandrecht erloschen ist (z. B.
unfreiwilliger Verlust oder bei Ausleihe an einen Dritten oder wenn der Pfandgläubiger
nur den mittelbaren Besitz hat und die Pfandsache beim unmittelbaren Besitzer
gepfändet wird; §§ 1205 Abs. 2, 1206 BGB), ferner das besitzlose Pfandrecht am
Inventar eines landwirtschaftlichen Pachtgrundstückes nach § 1 PachtkredG und
das Recht der Realgläubiger an den beweglichen Sachen, auf die sich die
Hypothek erstreckt (§ 1120 BGB);
24.2.3
Pfändungspfandrechte, jedoch nur dann, wenn der Besitz an der Pfandsache gegen
den Willen oder ohne Wissen des Gläubigers, also ohne Verlust des Pfandrechts,
verlorengegangen ist (vgl. Nr. 22.6). Hat der erste Pfändungsgläubiger aber
noch den Besitz an der Pfandsache, kommt nur die Anschlusspfändung in Frage.
24.3
Geltendmachung des Anspruchs
24.3.1
Solange der pfandberechtigte Dritte keine Einwendungen gegen die Pfändung
erhebt, ist die Vollstreckung so durchzuführen, als
bestünde das Recht nicht. Dies gilt auch dann, wenn die Vollstreckungsbehörde
oder der Vollziehungsbeamte Kenntnis vom angeblichen Bestehen eines solchen
Rechtes hat. Die Vollstreckungsbehörde hat jedoch darauf zu achten, dass die
Beteiligten keinen ungerechtfertigten Schaden erleiden.
24.3.2
Macht der pfandberechtigte Dritte während der Zwangsvollstreckung seine Rechte
nach § 24 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW geltend, so verfährt die Vollstreckungsbehörde
sinngemäß nach Nr. 8.3. Sie wird es im Interesse des Gläubigers auf eine Klage
des Dritten nur ankommen lassen, wenn seine Einwendungen offensichtlich
unberechtigt sind.
24.3.3
Klagt der Dritte, ohne sich vorher mit der Vollstreckungsbehörde ins Benehmen
gesetzt zu haben, muss er damit rechnen, zur Kostentragung verurteilt zu werden.
Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung kann der Dritte mit seiner Klage nach §
24 VwVG NRW nicht mehr durchdringen. Ihm bleibt allenfalls noch ein Anspruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Gläubiger, an den der Erlös aus der
Zwangsvollstreckung abgeführt worden ist.
24.3.4
Anders als bei der Widerspruchsklage nach § 8 VwVG NRW sind in diesem Verfahren
gerichtliche Anordnungen gemäß §§ 769 und 770 ZPO nicht vorgesehen. Auch auf
Hinterlegung des Erlöses (§ 805 Abs. 4 ZPO) hat der Kläger keinen Anspruch. Da
es jedoch zu den Amtspflichten des Gläubigers oder der ihn vertretenden
Vollstreckungsbehörde gehört, dafür zu sorgen, dass keinem der Beteiligten ein
unwiederbringlicher Schaden entsteht, soll - wenn die Verwertung der
Pfandgegenstände nicht ausgesetzt ist - über den Erlös der streitigen Rechte
nicht endgültig verfügt werden.
24.3.5
Ein Recht auf bevorzugte Befriedigung aus dem Erlös, d.h. aus dem nach Abzug
der Vollstreckungskosten verbleibenden Reinerlös, hat der Dritte auch dann,
wenn seine Forderung noch nicht fällig ist. In diesem Falle kann er
Befriedigung jedoch nur in der Höhe verlangen, die sich in sinngemäßer
Anwendung der §§ 1133, 1217 BGB nach Abzug eines Zwischenzinses ergibt.
25
Keine Gewährleistung (zu § 25)
25.1
Erwerb im Zwangsverfahren ist sowohl der Erwerb in öffentlicher Versteigerung
(§§ 30 ff. VwVG NRW) als auch der Erwerb aus freihändigem Verkauf oder aus
jeder anderen Verwertung (§§ 33, 34, 37 VwVG NRW). Der Ausschluss der
Gewährleistungspflicht setzt aber voraus, dass für den Erwerber erkennbar war,
dass er eine gepfändete Sache im Wege der Pfandverwertung erwirbt.
25.2
Weder der Gläubiger noch der Vollstreckungsschuldner haften für Mängel im Recht
(§ 435 BGB) oder für Mängel der Sache (§§ 459 ff. BGB), und zwar auch dann
nicht, wenn dem Erwerber die Gewährleistung zugesichert worden sein sollte.
Der Vollziehungsbeamte bleibt aber verpflichtet, gepfändete Sachen vor der Veräußerung
auf Vollständigkeit und einwandfreie Beschaffenheit zu prüfen (vgl. Nr. 31.2.4).
Unberührt bleiben Schadensersatzansprüche des Erwerbers gegen den Gläubiger
oder den Vollstreckungsschuldner wegen unerlaubter Handlung und gegen die
Anstellungsbehörde wegen Amtspflichtverletzung des Vollziehungsbeamten (Nr. 11.3.1).
26
Beschränkung der Zwangsvollstreckung (zu § 26)
26.1
Abweichung von der Zivilprozessordnung
Das Gesetz übernimmt mit dieser Vorschrift nahezu wörtlich die
Schutzvorschriften des § 765 a ZPO, jedoch mit der bezeichnenden Abweichung,
dass es aus der Kann-Vorschrift eine Muss-Vorschrift macht. Aus der
Ermächtigung für das Vollstreckungsgericht, seine Mitwirkung bei der
missbräuchlichen Ausnutzung gesetzlich zulässiger Vollstreckungsmöglichkeiten
zu versagen, wird eine Verpflichtung der Vollstreckungsbehörde, auf
Vollstreckungsmaßnahmen zu verzichten, die mit den guten Sitten nicht vereinbar
sind.
26.2
Voraussetzungen für die Anwendung
26.2.1
Der Vollstreckungsschuldner hat einen gesetzlichen Anspruch auf
Vollstreckungsschutz im Rahmen des § 26 VwVG NRW nur dann, wenn die
Vollstreckungsmaßnahmen wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeuten, die
mit den guten Sitten unvereinbar ist. Er muss sich in der Regel aber mit allen
Härten abfinden, die Vollstreckungsmaßnahmen unvermeidbar mit sich zu bringen
pflegen.
Ganz besondere Umstände in diesem Sinne können sich ergeben
26.2.1.1
aus der gewählten Art der Vollstreckung, z.B. aus der Betreibung des Verfahrens
zur Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung gegen einen seit jeher
vermögenslosen Vollstreckungsschuldner wegen eines geringfügigen Anspruchs oder
aus einer wirtschaftlich offensichtlich zwecklosen Pfändung, deren geringer
Nutzen für den Gläubiger in keinem Verhältnis zu dem Schaden für den
Vollstreckungsschuldner steht;
26.2.1.2
aus der Zeit der Vollstreckungshandlung, z.B. aus der sofortigen, einer Verschleuderung
gleichkommenden Verwertung an sich guter Aktien während eines offensichtlich
nur vorübergehenden Tiefstandes der Börsenkurse oder aus der Pfändung in einem
Trauerhause oder aus rücksichtsloser Inanspruchnahme aller an sich pfändbaren
Einkommensteile eines schwer erkrankten Vollstreckungsschuldners, der gerade
jetzt zu erhöhten Aufwendungen gezwungen ist.
26.2.2
Die Härte muss derart sein, dass sie mit den guten Sitten unvereinbar ist, d.h.
dass sie dem Anstandsgefühl aller „billig und gerecht Denkenden“ widerspricht.
Das trifft zu bei allen Vollstreckungen, die den Vollstreckungsschuldner
schädigen, ohne dem Gläubiger über die Deckung der Kosten hinaus einen
nennenswerten Nutzen zu bringen, und insbesondere bei allen Maßnahmen, die das
Leben oder die Gesundheit des Vollstreckungsschuldners oder seiner Angehörigen
unmittelbar gefährden können.
26.2.3
Neben den Interessen des Vollstreckungsschuldners muss auch das Schutzbedürfnis
des Gläubigers voll gewürdigt werden. Für die daraus sich ergebende
Interessenabwägung müssen aber im Verwaltungszwangsverfahren andere Maßstäbe
gelten als im zivilgerichtlichen Vollstreckungsverfahren. Dort ist häufig der
Gläubiger nicht weniger Not leidend als der Vollstreckungsschuldner, und mit
der Nichtbeitreibung seiner Außenstände können seine wirtschaftlichen
Existenzvoraussetzungen ernstlich gefährdet sein (vgl. auch Nr. 26.4).
26.3
Verfahren
26.3.1
Im Allgemeinen kann die Vollstreckungsbehörde bei Anordnung einer
Vollstreckungsmaßnahme noch nicht übersehen, ob und warum diese sich als
unzumutbare Härte für den Vollstreckungsschuldner oder seine Familie auswirken
könnte. Deshalb soll jeder begründete Hinweis des betroffenen
Vollstreckungsschuldners und jede entsprechende Feststellung des
Vollziehungsbeamten ihr Gelegenheit zur Überprüfung ihrer Maßnahmen unter
diesen Gesichtspunkten geben.
26.3.2
Zum selbständigen Aufschub einer Vollstreckungsmaßnahme ist der Vollziehungsbeamte
nach § 26 Abs. 2 VwVG NRW nur befugt, soweit er den Auftrag hat, die Herausgabe
von Sachen zu erwirken. Dabei kann es sich um die Herausgabe eines
Hypothekenbriefes, Sparkassenbuches, Pfandscheines und anderer Urkunden, die
über eine Geldforderung des Gläubigers ausgestellt oder für ihren Nachweis
wichtig sind (§§ 41 Abs. 1, 42, 44 Abs. 2 VwVG NRW), um die Verwirklichung
gepfändeter Herausgabeansprüche (§ 47 VwVG NRW) oder um die Herausgabe einer Sache
bei Pfändung eines Nutzungsrechts (§ 50 Abs. 4 VwVG NRW) handeln. Der
Vollziehungsbeamte muss jedoch eine endgültige Entscheidung der
Vollstreckungsbehörde alsbald herbeiführen.
26.3.3
Die Vollstreckungsbehörde kann ihre Entscheidung jederzeit abändern, wenn die
veränderten Verhältnisse, z.B. die Genesung des zunächst schwer kranken
Vollstreckungsschuldners, die Verbesserung oder Verschlechterung seiner
wirtschaftlichen Verhältnisse, eine andere Beurteilung geboten erscheinen
lassen.
26.4
Allgemeiner Grundsatz des Vollstreckungsschutzes
Die Möglichkeiten der Vollstreckungsbehörde, den besonderen Interessen des
Vollstreckungsschuldners und des Gläubigers je nach den Umständen des
Einzelfalles im Rahmen des Ermessens Rechnung zu tragen, erschöpfen sich nicht
in der Mussvorschrift des § 26 VwVG NRW. Aus Gründen der Billigkeit und der
Zweckmäßigkeit (vgl. Nr. 21.3.1 und Nr. 21.3.2) kann die Vollstreckungsbehörde auch
in anderen Fällen durch Anweisung an den
Vollziehungsbeamten, durch Antrag an das Gericht oder durch Ersuchen an die um
Amtshilfe ersuchte Behörde die Einstellung oder Beschränkung der
Zwangsvollstreckung oder die Aufhebung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen
veranlassen. Die im Vergleich zum Zivilprozess ganz andere Stellung des -
jedenfalls nicht notleidenden - Gläubigers im Verwaltungszwangsverfahren
rechtfertigt durchaus die Beachtung des allgemeinen Grundsatzes, dass Vollstreckungsmaßnahmen
unterbleiben sollen, wenn dies im Interesse des nicht böswilligen Vollstreckungsschuldners
dringend geboten ist und dem Gläubiger nach Lage der Verhältnisse zugemutet werden
kann.
Betrifft die Vollstreckungsmaßnahme ein Tier, so hat die Vollstreckungsbehörde
bei ihrer Entscheidung auch die Verantwortung des Menschen für das Tier zu
beachten.
2.
Zwangsvollstreckung in Sachen
27
Pfändungs- und Vollstreckungsschutz (zu § 27)
27.1
Pfändungsverbote
27.1.1
§ 811 ZPO enthält den Katalog der unpfändbaren Sachen, die dem
Vollstreckungsschuldner zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts für
sich und seine Familie, zur Fortsetzung seiner beruflichen Tätigkeit oder aus
Gründen der Pietät unbedingt belassen werden müssen.
Darüber hinaus soll der Vollziehungsbeamte auch Gegenstände, die zum gewöhnlichen,
wenn auch nicht gemäß § 811 Nr. 1 ZPO unentbehrlichen, Hausrat gehören, dann
nicht pfänden, wenn der zu erwartende Erlös, z.B. bei alten und abgenutzten Möbeln,
in keinem Verhältnis zu dem tatsächlichen Wert steht, den diese Gegenstände im
Haushalt des Vollstreckungsschuldners noch haben (§ 812 ZPO; vgl. auch Nr. 21.3.2).
27.1.2
Unzulässig ist auch die Pfändung von Zubehörstücken eines Grundstücks, solange
sie im Eigentum des Grundstückseigentümers stehen, also gemäß §§ 1120 - 1122
BGB für eine Hypothek haften (§ 865 Abs. 1 und 2 Satz 1 ZPO i. V. m. § 51 Abs.
1 Satz 1 VwVG NRW).
27.1.2.1
Was Zubehör ist, bestimmt sich nach den §§ 97 und 98 BGB (vgl. Nr. 21.2.3). Bei einem gewerblich genutzten Gebäude
sind das insbesondere die zu dem Betrieb bestimmten Maschinen und Geräte, bei
einem landwirtschaftlichen Betrieb das für den wirtschaftlichen Zweck des
Betriebes bestimmte Vieh und Gerät und der vorhandene, im Betrieb gewonnene
Dünger. Vom Grundstück getrennte landwirtschaftliche Erzeugnisse sind nur
insoweit Zubehör, als sie zur Fortführung der Wirtschaft nicht nur bestimmt,
sondern bis zur nächsten Ernte gleicher oder ähnlicher Erzeugnisse auch
notwendig sind.
27.1.2.2
Zubehörstücke sind zunächst nur unpfändbar, wenn sie dem Eigentümer des
Grundstücks gehören, weil sie nur dann auch für eine Hypothek haften. Auf
Zubehörstücke eines landwirtschaftlichen Betriebes, die nicht dem Eigentümer,
sondern etwa dem Pächter gehören, erstreckt sich die Hypothek nicht, sie sind
also im Zwangsverfahren gegen den Pächter grundsätzlich pfändbar. Unpfändbar
sind sie nur insoweit, als sie für den Wirtschaftsbetrieb erforderlich, also
unentbehrlich sind (§ 811 Nr. 4 ZPO). Gerät und Vieh des Pächters, das zum
Wirtschaftsbetrieb zwar bestimmt, aber nicht erforderlich ist, darf also
gepfändet werden, obwohl es zum Zubehör gehört. Bei Dünger ist zu beachten,
dass sich der Pfändungsschutz beim Grundstückseigentümer auf den vorhandenen
Dünger erstreckt, dagegen beim Pächter usw. auf den nötigen Dünger beschränkt.
27.1.2.3
Vom Grundstück getrennte Erzeugnisse, die nicht für die Fortführung des
Betriebes bis zur neuen Ernte erforderlich sind (§ 98 Nr. 2 BGB), sondern
beispielsweise verkauft werden sollen, und sonstige Bestandteile des
Grundstücks haften ebenso wie das Zubehör für die Hypothek, solange sie dem
Grundstückseigentümer gehören, und nicht vom Grundstück entfernt wurden (vgl.
§§ 1120 - 1122 BGB). Sie dürfen aber nach § 865 Abs. 2 Satz 2 ZPO trotzdem
gepfändet werden, solange sie nicht im Wege einer Zwangsvollstreckung in das
Grundstück beschlagnahmt worden sind. Das gilt wiederum nicht für
landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zwar nicht zur Fortführung der Wirtschaft,
wohl aber zur Sicherung des Unterhalts für den Vollstreckungsschuldner, seine
Familie und seine Arbeitnehmer erforderlich sind. Sie sind ohne Rücksicht auf die
Eigentumsverhältnisse unpfändbar kraft ausdrücklicher Bestimmung in § 811 Abs.
1Nr. 4 ZPO.
27.2
Zuziehung eines Sachverständigen
27.2.1
§ 813 ZPO sieht die Zuziehung eines Sachverständigen vor
a) zur Schätzung des Wertes von Kostbarkeiten,
b) bei der Pfändung von Früchten auf dem Halm,
c) bei der Pfändung von Gegenständen der in § 811 Nr. 4 ZPO bezeichneten Art
bei Personen, die Landwirtschaft betreiben.
Grundsätzlich kann bei der
Pfändung von Gegenständen, die unter § 811 ZPO fallen, ein Sachverständiger zur
Feststellung der Unentbehrlichkeit gehört werden.
27.2.2
In den Fällen der Buchstaben b und c ist ein landwirtschaftlicher
Sachverständiger immer zu Rate zu ziehen, wenn der Wert der Pfandgegenstände
voraussichtlich 500,00 Euro übersteigt. Auch bei einem geringeren Wert ist die
Zuziehung eines Sachverständigen in der Regel geboten (vgl. Nr. 28.5).
27.2.3
Ist die Zuziehung ohne Erfolg versucht worden, so kann auch ohne Beteiligung
eines Sachverständigen gepfändet werden. Sie ist aber nach Möglichkeit vor der
Verwertung der Pfandstücke nachzuholen. Personen, die mit dem
Vollstreckungsschuldner nahe verwandt oder verschwägert sind, dürfen nicht als
Sachverständige zugezogen werden.
27.2.4
Die Vollstreckungsbehörde bestimmt die Höhe der dem Sachverständigen nach
Maßgabe der KostO NRW im Rahmen der Vollstreckungskosten zu gewährenden
Entschädigung, wenn eine solche in derartigen Fällen üblich ist und der
Sachverständige sie beantragt. Die Entschädigung soll die Beträge nicht übersteigen,
die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zzt. auf
Grund des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes –JVEG - gewährt werden
können.
27.3
Austauschpfändung
27.3.1
Die Vorschriften der
§§ 811 a und 811 b ZPO
eröffnen der Vollstreckungsbehörde die Möglichkeit, unter den an sich
unpfändbaren Sachen, die dem persönlichen Gebrauch, dem Haushalt oder der
Erwerbstätigkeit des Vollstreckungsschuldners dienen (§ 811 Nr. 1, 5 und 6),
einen besonders wertvollen Gegenstand dennoch zur Befriedigung des Gläubigers
zu verwerten, und dem Vollstreckungsschuldner dafür ein einfacheres, aber für
denselben geschützten Zweck ausreichendes Ersatzstück zu überlassen. So kann z.
B. ein besonders teurer Fernseher ohne weiteres
gepfändet werden, wenn dem Vollstreckungsschuldner dafür ein einfaches
Fernsehgerät überlassen wird.
27.3.2
Der Vollstreckungsbehörde wird es nur selten - allenfalls mit Hilfe des
Gläubigers - möglich sein, vor der Wegnahme der Sachen dem
Vollstreckungsschuldner ein ausreichendes Ersatzstück zur Verfügung zu stellen.
In der Regel wird sie ihm daher den zur Beschaffung eines solchen Ersatzstückes
erforderlichen Geldbetrag aus ihrer Kasse überlassen. Das ist ihr auch
mindestens in den Fällen zuzumuten, in denen sie die Pfändung für Forderungen
der eigenen Behörde durchführt. Nur ausnahmsweise soll sie von der dritten,
freilich bequemsten Möglichkeit Gebrauch machen und dem Vollstreckungsschuldner
den zur Bezahlung des Ersatzstückes nötigen Geldbetrag erst aus dem
Vollstreckungserlös überlassen.
27.3.3
Der Vollziehungsbeamte darf in diesem Falle den sonst unpfändbaren Gegenstand
nur auf Grund einer schriftlichen Zulassungsverfügung der Vollstreckungsbehörde
pfänden, die dem Vollstreckungsschuldner durch Zustellung bekannt zu geben ist
(Vermerk in der Niederschrift) und von ihm durch Widerspruch und
verwaltungsgerichtliche Klage angefochten werden kann. In der Verfügung setzt
die Vollstreckungsbehörde den Wert des vom Gläubiger angebotenen Ersatzstückes
oder den Betrag fest, den der Vollziehungsbeamte vor der Wegnahme - nicht schon
vor der Pfändung - des Pfandstückes dem Vollstreckungsschuldner zu übergeben
hat, oder der dem Vollstreckungsschuldner aus dem Erlös zu zahlen ist. Die Vollstreckungsbehörde
soll die Austauschpfändung nur zulassen, wenn der voraussichtliche Erlös aus
der Verwertung den Wert des Ersatzstückes erheblich übersteigen wird und die Austauschpfändung
auch sonst „nach Lage der Verhältnisse angemessen ist“ (so ist z. B. auf Erinnerungswerte
Rücksicht zu nehmen, die mit dem wertvollen Gegenstand verknüpft sein können).
27.3.4
Der Vollziehungsbeamte kann gemäß § 811 b ZPO, wenn er mit der Zulassung der Austauschpfändung
durch die Vollstreckungsbehörde einigermaßen sicher rechnen darf, einen
geeigneten Gegenstand schon vor der Zulassung pfänden, hat ihn jedoch im
Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners zu belassen. Er hat die
Vollstreckungsbehörde von der von ihm festgestellten Verwertungsmöglichkeit
unverzüglich zu benachrichtigen. Lässt die Vollstreckungsbehörde daraufhin die
Austauschpfändung nicht zu, ist die Pfändung wieder aufzuheben. Ob und wieweit
die Entscheidung von einer Rücksprache mit dem Gläubiger, der nicht zugleich
Vollstreckungsbehörde ist, abhängig gemacht wird, bleibt dieser überlassen.
27.3.5
Der dem Vollstreckungsschuldner im Wege der Austauschpfändung zur Verfügung
gestellte Geldbetrag ist auch dann unpfändbar (§ 811 a Abs. 3 ZPO), wenn der
verbleibende Erlös zur Deckung der Gläubigeransprüche nicht ausreicht.
27.4
Vorwegpfändung
Der Vollziehungsbeamte darf nach § 811 d ZPO eine zurzeit noch unpfändbare
Sache dann pfänden, wenn zu erwarten ist, dass sie demnächst pfändbar wird (z.
B. ein zur Berufsausübung unentbehrlicher Gegenstand, wenn feststeht, dass der
Vollstreckungsschuldner in Kürze seinen Beruf aufgibt). Erfüllt sich diese
Erwartung nicht binnen eines Jahres, so ist die Pfändung aufzuheben. Bis dahin
ist die gepfändete Sache im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners zu belassen.
27.5
Aufschub der Verwertung
§ 813 b ZPO gibt der Vollstreckungsbehörde eine weitgehende Befugnis, in der
Zeit zwischen Pfändung und Verwertung dem Vollsteckungsschuldner angemessene
Zahlungsfristen zur Vermeidung der Versteigerung des Pfandgutes und zur
freiwilligen Bereinigung seiner Schulden einzuräumen. Wenn der
Vollstreckungsschuldner einen entsprechenden Antrag nicht innerhalb einer Frist
von zwei Wochen nach der Pfändung stellt, wird die Vollstreckungsbehörde nur
ausnahmsweise die Voraussetzung für ein besonderes Entgegenkommen für gegeben
erachten. Sie darf ihre Anordnungen wiederholen, jedoch die Verwertung nicht
länger als insgesamt ein Jahr hinausschieben (§ 813 b Abs. 4 ZPO). Sie kann
ihre Anordnungen auf Antrag oder von Amts wegen jederzeit aufheben oder ändern
(§ 813 b Abs. 3 ZPO).
28
Verfahren bei der Pfändung (zu § 28)
28.1.1
Der Vollziehungsbeamte kann grundsätzlich davon ausgehen, dass alle Sachen, die
sich im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners befinden, auch zu dessen
Vermögen gehören. Er hat nicht zu prüfen, ob behauptete Rechte Dritter zu Recht
bestehen, sondern die Betroffenen an die Vollstreckungsbehörde zu verweisen.
Nur wenn es nach den besonderen Umständen des Falles, etwa nach den bestehenden
Geschäftsgebräuchen, außer Zweifel steht, dass solche Sachen nicht dem
Vollstreckungsschuldner gehören (z.B. Leergut, das an den Lieferanten zurückzugeben
ist, fremde Möbel beim Spediteur, zu reparierende Schuhe in der Werkstatt des
Schusters, entliehene Bücher mit dem Eigentumsstempel einer Bücherei), hat der
Vollziehungsbeamte von der Pfändung abzusehen.
28.1.2
Im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners befinden sich diejenigen Sachen, die
sich in seinen Wohn- und Geschäftsräumen befinden, unabhängig davon, ob er
Eigentümer, Mieter, Pächter, Verwahrer, Nießbraucher, Entleiher usw. dieser
Gegenstände ist.
Der Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners erstreckt sich auch auf die Sachen
seiner Familienangehörigen, die mit ihm die Wohnung teilen (wegen der Ehegatten
vgl. Nr. 28.1.3), dagegen nicht auf die Sachen seiner Hausangestellten,
Gehilfen, Besucher usw., die diese bei sich tragen oder in den ihnen zur
Benutzung zugewiesenen Räumen untergebracht haben.
Umgekehrt haben Familienangehörige, Hausangestellte, Gehilfen, Besucher usw.
keinen Gewahrsam an den Sachen des Vollstreckungsschuldners, die sich in den
von ihnen benutzten oder mitbenutzten Räumen befinden. Keinen Gewahrsam hat
schließlich der Vollstreckungsschuldner an Sachen, die ihm zwar gehören, aber
sich nicht in seinen Wohn- und Geschäftsräumen befinden, weil er sie verliehen,
vermietet, verpachtet, verpfändet oder sonst in Verwahrung gegeben hat (vgl.
Nr. 28.1.4).
28.1.3
Bei der Vollstreckung gegen einen von zwei nicht getrennt lebenden Ehegatten
kann der Vollziehungsbeamte auch bewegliche Sachen pfänden, die sich im Besitz
beider Ehegatten oder des anderen Ehegatten befinden. Sie gelten nach der in §
1362 BGB enthaltenen Eigentumsvermutung zu Gunsten des Gläubigers als dem
Vollstreckungsschuldner gehörig. Dies gilt nicht für die ausschließlich zum
persönlichen Gebrauch des anderen Ehegatten bestimmten Sachen.
28.1.4
Sachen, die zum Vermögen des Vollstreckungsschuldners gehören, sich aber im
Gewahrsam eines Dritten (z. B. eines Mieters, Untermieters, Entleihers,
Verwahrers) befinden, darf der Vollziehungsbeamte nur pfänden, wenn der Dritte
zur Herausgabe bereit ist (§ 28 Abs. 4 VwVG NRW). Das Gleiche gilt für Sachen im Mitgewahrsam des
Vollstreckungsschuldners und eines Dritten, z. B. für Wertpapiere oder
Schmuckstücke in einem Bankschließfach unter Mitverschluss der Bank (anders,
wenn nur der Vollstreckungsschuldner einen Schlüssel und damit Alleingewahrsam
hat). Ist in diesem Fall die Bank nicht zur Herausgabe bereit, so muss die
Vollstreckungsbehörde erst den Herausgabeanspruch des Vollsteckungsschuldners
gegen die Bank gemäß § 47 VwVG NRW pfänden.
28.2.1
Der Vollziehungsbeamte muss durch die Pfändung den Pfandgegenstand in Besitz
nehmen, d.h. sich die tatsächliche Gewalt über ihn verschaffen (§ 854 BGB).
Dies erfolgt, indem er
a) Zahlungsmittel, Wertpapiere, Wertzeichen, Kostbarkeiten und ggf. auch andere
Gegenstände an sich nimmt,
b) Sachen, die er im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners oder des Dritten
belässt, mit dem Pfandzeichen versieht.
Die bloße Erklärung des
Vollziehungsbeamten, dass er die Sachen pfände, genügt nicht (zum Vorstehenden
siehe § 28 Abs. 2 VwVG NRW).
28.2.2
Bares Geld führt der Vollziehungsbeamte an die Vollstreckungsbehörde ab. Ebenso
übergibt er ihr Wertpapiere und andere Wertsachen, die sie entweder in einem
Panzerschrank oder in einer Pfandkammer unterbringt oder einem Beauftragten in
Verwahrung gibt. Auf die Obhutpflicht, die sich aus dem öffentlich-rechtlichen
Verwahrungsverhältnis zwischen Vollstreckungsschuldner und
Vollstreckungsbehörde in diesen Fällen ergibt, wird besonders hingewiesen.
28.2.3
Andere als die in Nr. 28.2.1 unter Buchstabe a genannten Gegenstände sind unter
Anbringung von Pfandzeichen im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners zu
belassen, sofern nicht hierdurch die Befriedigung des Gläubigers gefährdet
wird. Im Pfändungsprotokoll ist ausdrücklich zu vermerken, dass der
Vollstreckungsschuldner sich zur sicheren Aufbewahrung der Pfandsachen
verpflichtet hat.
28.3
Pfandzeichen und Pfandanzeige
28.3.1
Der Vollziehungsbeamte hat an jeder im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners
belassenen Sache sein Pfandzeichen (Pfandsiegelmarke) an einer deutlich
sichtbaren Stelle (nicht etwa auf der Rückseite eines Möbelstückes) so
anzubringen, dass die Pfändung für jedermann ohne nähere Nachforschung
erkennbar ist.
28.3.2
Für Pfandzeichen ist das Landeswappen nicht zu verwenden. Pfandsiegelmarken
sollen die Form eines farbig umrahmten Rechteckes in der Größe von etwa 3,5 x 5
cm haben und in der oberen Hälfte die Bezeichnung der Vollstreckungsbehörde
tragen. In der Mitte befindet sich ein farbiges Oval mit der weißen Inschrift
Pfandsiegel. Unter dem Oval ist vorgedruckt: „I. A. der Vollziehungsbeamte“;
darunter sind handschriftlich der Name und das Datum einzutragen.
28.3.3
Für eine Mehrzahl von Pfandstücken, insbesondere eine Menge von Waren oder
anderen vertretbaren Sachen, die sich in einem Behältnis oder einer Umhüllung
befinden oder mit Zustimmung des Vollstreckungsschuldners in einem
abgesonderten Raum untergebracht werden, genügt ein gemeinschaftliches Pfandsiegel
nur dann, wenn es in der Weise, z. B. über dem Schlüsselloch, angelegt wird,
dass ohne seine Zerstörung kein Stück aus dem Behältnis, der Umhüllung oder dem
Raum entfernt werden kann. Die Schlüssel verschlossener, versiegelter
Behältnisse oder Räume hat der Vollziehungsbeamte an sich zu nehmen.
28.3.4
Kann eine Pfandsiegelmarke an dem Gegenstand nicht angebracht werden (z. B. an
Tieren oder an einem Kartoffelvorrat) oder reicht sie nicht aus, um die Pfändung
in vollem Umfang erkennbar zu machen, so ist an dem Ort, an dem sich die
Pfandsache befindet, eine Pfandanzeige an der Wand in anderer Weise so deutlich
anzubringen, dass jedermann den Umfang der Pfändung zweifelsfrei erkennen kann.
Wird dabei von den Vorräten des Vollstreckungsschuldners nur ein Teil gepfändet,
etwa unter Berücksichtigung der gemäß § 27 VwVG NRW anzuwendenden Pfändungsschutzvorschriften,
so sind die gepfändeten Teile und die dem Vollstreckungsschuldner belassenen
Teile äußerlich erkennbar zu trennen.
28.3.5
Die Pfandanzeige soll etwa wie folgt gefasst werden:
„Pfandanzeige
In der Vollstreckungssache gegen
.....................................
........................................ in
..................................................
Hebe-Nr. ............... habe ich heute im Auftrage der
................................................................-kasse als
Vollstreckungsbehörde die folgenden hier befindlichen Gegenstände gepfändet und
in Besitz genommen:
........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
Wer diese Anzeige vorsätzlich ablöst oder beschädigt oder die gepfändeten
Gegenstände beiseite schafft oder zerstört, wird nach § 136 des
Strafgesetzbuches bestraft.
............................................................., den......................20..........
........................................................................................................................................
als Vollziehungsbeamter“
Wird eine derartige Pfandanzeige
im Freien angebracht, so darf statt der sonst vorgeschriebenen Tinte
(Tintenstift, urkundenechter Kugelschreiber) auch wetterfeste Farbe benutzt werden.
28.3.6
Sobald der Vollziehungsbeamte erfährt, dass ein Pfandzeichen oder eine
Pfandanzeige beschädigt oder entfernt wurde oder abgefallen ist, hat er ein
neues Pfandzeichen anzubringen. Bei Verdacht der vorsätzlichen Beseitigung
eines Pfandzeichens (Siegelbruch - § 136 Abs. 2 StGB) ist die
Vollstreckungsbehörde unverzüglich zu verständigen.
28.4
Anderweitige Unterbringung und Erhaltung der Pfandsachen
28.4.1
Weigert sich der Vollstreckungsschuldner, die Pfandsache sicher aufzubewahren,
oder ist aus anderen Gründen mit einem Siegelbruch oder einer sonstigen
Gefährdung der Gläubigerrechte zu rechnen oder wird die Fortschaffung der Sache
vom Gewahrsamsinhaber verlangt, dann soll der Vollziehungsbeamte auch andere
als die in Nr. 28.2.1 unter Buchstabe a genannten Gegenstände an sich nehmen.
28.4.2
Sachen, die der Vollziehungsbeamte nicht der Vollstreckungsbehörde übergeben
kann, hat er in sicherer Weise, jedoch möglichst Kosten sparend unterzubringen
oder (z. B. gepfändetes Vieh oder vom Boden noch nicht getrennte Früchte) einem
zuverlässigen Verwahrer oder Hüter gegen Quittung anzuvertrauen. Eine mit
diesen Personen getroffene Vereinbarung über die Gewährung einer ortsüblichen
Vergütung oder über eine Nutzung der Pfandsache ist in das Pfändungsprotokoll
oder einem Nachtrag dazu aufzunehmen und von den Beteiligten zu unterzeichnen.
28.4.3
Der Vollziehungsbeamte hat dafür zu sorgen, dass die Pfandsachen in brauchbarem
Zustand erhalten und namentlich, wenn sie leicht dem Verderben ausgesetzt sind,
in ihrem Wert nicht gemindert oder aber beschleunigt verwertet werden (vgl. §
31 Abs. 1 VwVG NRW). Können die gepfändeten Sachen genutzt werden, um einen
Ertrag zu erzielen, so hat der Vollziehungsbeamte oder die
Vollstreckungsbehörde die geeigneten Anordnungen zu treffen.
28.5
Landwirtschaftliche Sachverständige
28.5.1
Müssen in einem landwirtschaftlichen Betrieb, beim Eigentümer oder beim
Pächter, Gerät, Vieh, Dünger oder landwirtschaftliche Erzeugnisse gepfändet
werden, so soll der Vollziehungsbeamte nicht nur in den im § 813 ZPO
vorgesehenen Fällen einen landwirtschaftlichen Sachverständigen zuziehen. Das Gleiche gilt, wenn vom Boden noch nicht
getrennte Früchte, auch bei einem Nichtlandwirt, gepfändet werden sollen.
Ein Sachverständiger ist nicht hinzuzuziehen, wenn die dadurch voraussichtlich
entstehenden Kosten im Missverhältnis zu dem Wert der zu pfändenden Sachen
stehen oder wenn der Vollziehungsbeamte auf Grund gleich gelagerter
Vollstreckungsfälle die dem Sachverständigen vorzulegenden Fragen bereits
selbst beurteilen kann.
28.5.2
Der Vollziehungsbeamte veranlasst den Sachverständigen, sich gutachtlich
darüber zu äußern,
a) ob die zu pfändenden Sachen zu den gemäß § 811 Nr. 4 ZPO unpfändbaren Sachen
gehören oder als Zubehör der Pfändung nicht unterliegen (vgl. Nr. 27.1.2.1),
b) wenn Früchte gepfändet werden sollen, die vom Boden noch nicht getrennt sind (§ 29 VwVG NRW), ob die gewöhnliche Zeit der Reife binnen eines Monats zu
erwarten ist und ob die Früchte ganz oder teilweise zur Fortführung der
Landwirtschaft des Vollstreckungsschuldners bis zur nächsten Ernte gleicher
oder ähnlicher Früchte erforderlich sind,
c) wie ggf. die zu pfändenden Erzeugnisse oder Tiere am besten verwahrt und
gepflegt werden können,
d) welchen Wert die Pfandsachen haben.
In der Regel wird die mündliche
Äußerung des Sachverständigen genügen. Eine besondere Versicherung der
Richtigkeit kann der Vollziehungsbeamte nicht verlangen. Er kann den aufgeforderten
Sachverständigen auch nicht zwingen, zu erscheinen oder sich zu äußern.
28.5.3
Das Gutachten des Sachverständigen ist für den Vollziehungsbeamten nicht
bindend, er soll jedoch nur aus besonderen Gründen davon abweichen und die
Gründe in der Niederschrift erwähnen.
28.6
Pfändungsprotokoll
28.6.1
Aus der vom Vollziehungsbeamten gemäß § 17 VwVG NRW unmittelbar nach der Pfändung
an Ort und Stelle aufzunehmenden Niederschrift (vgl. Nr. 17.3) müssen außer den
durch § 17 VwVG NRW erforderten Angaben die Uhrzeit der Pfändung selbst, alle
Aufforderungen und Mitteilungen des Vollziehungsbeamten, z.B. auch das
Vorzeigen des Vollstreckungsauftrages, und die auf die Vollstreckung bezogenen
Erklärungen aller Beteiligten, mit denen verhandelt worden ist, ersichtlich
sein. Die Vollstreckungsbehörden werden hierfür den Vollziehungsbeamten
zweckmäßigerweise Vordrucke zur Verfügung stellen, die auf die besonderen
örtlichen Verhältnisse zugeschnitten sind.
28.6.2
Das Pfändungsprotokoll soll ferner enthalten
a) die beizutreibenden Beträge einschließlich Säumniszuschlag, Zinsen und
Kosten;
b) die Bezeichnung jeder gepfändeten Sache unter Angabe ihres Schätzwertes nach
ihrer Art und Beschaffenheit und erforderlichenfalls nach Maß und Gewicht, und
zwar so genau, dass jede Verwechslung mit anderen Sachen ausgeschlossen ist;
c) eine Angabe darüber, in welcher Weise die Pfändung kenntlich gemacht wurde;
hat der Vollziehungsbeamte eine Pfandanzeige angebracht (Nr. 28.3.5), ist deren
Inhalt wörtlich wiederzugeben oder eine Durchschrift beizufügen. Wurden
Pfandstücke in einem besonderen Behältnis oder einem besonderen Raum
verschlossen (Nr. 28.3.3), ist in der Niederschrift ausdrücklich zu vermerken,
dass der Verschluss des Behältnisses oder des Raumes durch Pfandsiegel gesichert
wurde;
d) den Grund für die etwaige Entfernung von Pfandstücken aus dem Gewahrsam des
Vollstreckungsschuldners, sofern es sich nicht um Geld, Wertsachen oder
sonstige Kostbarkeiten handelt;
e) jede Vereinbarung, die mit einem vom Vollziehungsbeamten bestellten Hüter
oder Verwahrer für aus dem Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners entfernte
Sachen getroffen wird (Nr. 28.4.2);
f) bei der Pfändung von Früchten auf dem Halm die Lage des Grundstückes, seinen
ungefähren Flächeninhalt und den voraussichtlichen Eintritt der Reife;
g) bei Hinzuziehung eines Sachverständigen den Inhalt seines Gutachtens, sofern
es nicht schriftlich erstattet wurde, und die Gründe, die den
Vollziehungsbeamten etwa veranlasst haben, dem Gutachten nicht zu folgen;
h) nach Möglichkeit, vorbehaltlich endgültiger Entscheidung der
Vollstreckungsbehörde, Angaben über Zeit und Ort der Versteigerung; dabei sind
die Bestimmungen der §§ 31, 34, 35 und 37 VwVG NRW zu beachten. Der Termin ist
dem oder den Vollstreckungsschuldnern und den Personen, denen Pfandstücke zur
Aufbewahrung, Pflege oder Beaufsichtigung anvertraut wurden, mitzuteilen.
28.6.3
Wenn sich bei der Ausführung des Pfändungsauftrages ergibt,
a) dass der Vollstreckungsschuldner gänzlich unpfändbar ist oder
b) dass sich die Pfändbarkeit auf solche Sachen beschränkt, deren Pfändung gemäß
§ 21 Abs. 1 Satz 3 VwVG NRW zu unterbleiben hat, oder hinsichtlich deren die
Voraussetzungen des § 812 ZPO vorliegen (Gegenstände des Hausrats; vgl. Nr.
21.3.2 und Nr. 27.1.1), so soll die Niederschrift erkennen lassen, dass alle
zulässigen Mittel versucht worden sind, ein anderes Ergebnis jedoch nicht zu
erzielen war. Im Falle des Buchstaben b sind die vorhandenen, an sich
pfändbaren Sachen mit den geschätzten Werten anzugeben. Im Übrigen bedarf es
aber der Aufzählung vorgefundener unpfändbarer Sachen im Einzelnen nicht.
Aus der Niederschrift soll
ferner hervorgehen, dass und mit welchem Ergebnis der Vollstreckungsschuldner
befragt worden ist, ob er weitere Sachen, pfändbare Forderungen oder andere
Vermögenswerte besitzt und ob und wann er bereits eine eidesstattliche
Versicherung abgegeben hat. Auch sonst soll der Vollziehungsbeamte vermerken,
was er über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Vollstreckungsschuldners
ermittelt hat.
28.6.4
Der Vollziehungsbeamte übergibt das Protokoll nebst etwaigen
Nachtragsverhandlungen unmittelbar nach der Pfändung der Vollstreckungsbehörde.
Diese prüft den Inhalt sorgfältig und veranlasst etwa notwendige Berichtigungen
des Verfahrens. Dem Vollstreckungsschuldner teilt der Vollziehungsbeamte die
Pfändung regelmäßig mündlich mit (§ 28 Abs. 3 i. V. m. § 18 VwVG NRW). Eine
Abschrift des Pfändungsprotokolls hat er ihm nur zu übergeben, wenn bares Geld
gepfändet worden ist (Beweis der Zahlung).
Im Übrigen erteilt die Vollstreckungsbehörde eine Abschrift des
Pfändungsprotokolls, auch im Falle der Anschlusspfändung,
a) dem Vollstreckungsschuldner, wenn er eine Mitteilung über die Pfändung nicht
erhalten konnte (§ 18 zweiter Halbsatz VwVG NRW) oder wenn er es verlangt oder
wenn Sachen gepfändet worden sind, die sich nicht in seinem Gewahrsam befanden,
b) dem Gewahrsamsinhaber (§ 28 Abs. 4 VwVG NRW), wenn er es verlangt oder wenn
in seiner Abwesenheit gepfändet worden ist.
28.6.5
Wird der Vollstreckung Widerstand entgegengesetzt (Nr. 14.3), muss immer eine
besondere Verhandlung aufgenommen und den zugezogenen Zeugen zur Unterschrift
vorgelegt werden. Die Ausführungen unter Nr. 28.6.4 gelten entsprechend.
29
Pfändung ungetrennter Früchte (zu § 29)
29.1
„Früchte auf dem Halm“ i. S. d. §§ 29 und 35 VwVG NRW sind, abweichend von dem
allgemeinen Begriff „Früchte“ in § 99 BGB, die periodisch zu erntenden
Erzeugnisse von Grund und Boden, also Getreide, Hackfrüchte, Obst, Trauben auf
dem Stock, nicht aber Holz, Kohlen, Torf. Den Gewahrsam an ihnen hat, wer
berechtigt ist, sie abzuernten.
29.2
Der Vollziehungsbeamte pfändet Früchte auf dem Halm regelmäßig nach Zuziehung
eines landwirtschaftlichen Sachverständigen (vgl. Nr. 28.5), indem er auf dem
Grundstück eine Tafel mit Pfandanzeige (Nr. 28.3.5) aufstellt. Soweit
erforderlich und im Hinblick auf die Kosten vertretbar, bestellt er einen
Hüter. Das Pfändungspfandrecht setzt sich an den geernteten Früchten fort.
29.3
Ein Pfändungspfandrecht an den Früchten kann wirksam nur begründet werden, wenn
folgende Voraussetzungen vorliegen:
29.3.1
Das Grundstück darf nicht gemäß § 51 VwVG NRW beschlagnahmt sein. Dies gilt
nicht, wenn die Pfändung in einem Vollstreckungsverfahren gegen den Pächter
vorgenommen wird. Eine spätere Beschlagnahme des Grundstücks lässt das vorher
begründete Pfändungspfandrecht unberührt. Der Pfandgläubiger muss aber sein
Pfandrecht zur Sicherung des Vorrangs nach § 37 Nr. 4 ZVG beim
Vollstreckungsgericht anmelden.
29.3.2
Die Früchte dürfen höchstens einen Monat vor der gewöhnlichen - nicht der
tatsächlichen - Reife stehen.
29.3.3
Die Früchte dürfen nicht zur Fortführung der Landwirtschaft des
Vollstreckungsschuldners erforderlich sein und dürfen nach der Trennung vom
Boden nicht Zubehör des Grundstücks werden (Nr. 27.1.2.1 Satz 3).
29.4
Nicht nur der Realgläubiger kann gemäß § 29 Abs. 2 VwVG NRW der Pfändung
widersprechen. Zu beachten sind auch die gesetzlichen Pfandrechte des
Vermieters (§§ 562 ff. BGB), des Verpächters (§§ 592 BGB), des Lieferers von
Düngemitteln und Saatgut (vgl. Nr. 24.2.1)
und, im Hinblick auf die Verwertbarkeit der Früchte nach der Ernte, das u. U.
im Range vorgehende Pfandrecht am Inventar nach dem PachtkredG (vgl. Nr. 24.2.2). Alle diese nicht immer erkennbaren und
vorauszusehenden Möglichkeiten, der Pfändung im Rahmen der §§ 8 oder 24 VwVG
NRW zu widersprechen, lassen es sinnvoll erscheinen, einen Auftrag zur Pfändung
vom Boden noch nicht getrennter Früchte nur in zwingenden Fällen zu geben, in
denen überdies die rechtlichen Verhältnisse völlig geklärt sind.
30
Öffentliche Versteigerung, gepfändetes Geld (zu § 30)
30.1
Gepfändetes Geld
30.1.1
Da Geld unmittelbar zur Befriedigung des Gläubigers dienen kann, hat es der
Vollziehungsbeamte alsbald an die Vollstreckungsbehörde abzuliefern. Die Vollstreckungsbehörde
leitet nach Abzug ihrer Kosten den zustehenden Betrag unverzüglich an den
Gläubiger weiter. Ein etwaiger Überschuss ist dem Vollstreckungsschuldner oder
dem sonst Berechtigten auszuzahlen.
30.1.2
Als „Geld“ sind nur die umlaufenden Euromünzen und Eurobanknoten zu behandeln,
ebenso gültige Wertzeichen, z.B. Briefmarken, Gebührenmarken in größeren
Mengen. Ausländische Zahlungsmittel sind dagegen nach § 34 VwVG NRW,
ausländisches Hartgeld u. U. nach § 33 VwVG NRW zu behandeln.
30.1.3
Geld wird mit der Pfändung Eigentum des Trägers der Vollstreckungsbehörde.
Macht ein Dritter ein die Verwertung hinderndes Recht geltend, so ist er darauf
hinzuweisen, dass ihm allenfalls ein Anspruch aus ungerechtfertigter
Bereicherung zusteht.
30.2
Versteigerungsauftrag
30.2.1
Der Vollziehungsbeamte ist auf Grund seines Pfändungsauftrages nicht schon zur
Verwertung der Pfandstücke berechtigt. Er darf sie nur auf Grund eines
besonderen schriftlichen Verwertungsauftrages der Vollstreckungsbehörde
öffentlich versteigern oder freihändig veräußern. Die Entscheidung über die Art
und Weise der Verwertung ist Sache der Vollstreckungsbehörde (vgl. insbes. § 30
und § 37 VwVG NRW).
30.2.2
Die Vollstreckungsbehörde erteilt den Versteigerungsauftrag (oder den Auftrag
zur freihändigen Veräußerung der Pfandsachen) regelmäßig durch eine Verfügung,
die unter das Pfändungsprotokoll gesetzt wird. Diese Verfügung muss Zeit und Ort
der Versteigerung sowie die Person des mit der Versteigerung beauftragten
Beamten angeben und etwaige besondere Versteigerungsbedingungen enthalten. Sie
muss ferner, wenn später eine Anschlusspfändung vorgenommen worden ist,
bestimmen, dass die Versteigerung (der freihändige Verkauf) wegen sämtlicher im Einzelnen aufzuführender Ansprüche durchzuführen
ist, derentwegen die Sachen gepfändet worden sind.
30.2.3
Maßgebend für die Bestimmung von Zeit und Ort der Versteigerung soll die
Rücksicht auf die vorteilhafteste Verwertung der gepfändeten Sachen und die
Ersparnis von Transportkosten sein. Die Sachen sollen da ausgeboten werden, wo
sie voraussichtlich am ehesten Interessenten finden. Kraftfahrzeuge, Maschinen,
wertvolle Möbel usw. werden meistens nur in größeren Städten zu annehmbaren
Bedingungen abzusetzen sein.
30.2.4
Ein einmal festgesetzter Versteigerungstermin darf vom Vollziehungsbeamten nur
unter den Voraussetzungen des § 6 a VwVG NRW aufgehoben werden.
30.3
Abschätzung durch Sachverständige
30.3.1
§ 813 ZPO i. V. m. § 27 VwVG NRW sieht für bestimmte Fälle die Einschaltung
eines landwirtschaftlichen Sachverständigen vor. § 30 Satz 2 VwVG NRW macht es
dem Vollziehungsbeamten zur Pflicht, Kostbarkeiten durch einen Sachverständigen
abschätzen zu lassen. Kostbarkeiten sind nicht nur Gold- und Silbersachen,
wertvolle Schmuckstücke und Rohmaterialien (z. B. Perlen, Edelsteine, Platin)
sondern auch Kunstwerke, wertvolle Bücher, echte Teppiche, alte Münzen, u. U.
eine Briefmarkensammlung u. dgl. Im Zweifel entscheidet die Verkehrsauffassung.
30.3.2
Darüber hinaus empfiehlt sich die Zuziehung eines Sachverständigen auch dann,
wenn es sich um andere wertvolle, wenn auch nicht als Kostbarkeiten anzusehende
Sachen handelt, z.B. um schwer zu bewertende Maschinen, Kraftfahrzeuge usw.
Auch die Vollstreckungsbehörde kann in solchen Fällen einen Sachverständigen
einschalten, wenn der vom Vollziehungsbeamten ermittelte Schätzwert ihr
zweifelhaft erscheint.
30.3.3
In allen nicht zwingend vorgeschriebenen Fällen soll jedoch ein
Sachverständiger nur zugezogen werden, wenn der voraussichtliche Wert des
Gegenstandes und die Höhe des beizutreibenden Betrages die zusätzliche
Belastung des Vollstreckungsschuldners mit den dadurch entstehenden Kosten
rechtfertigen.
30.3.4
Um die Benennung von Sachverständigen ist im Bedarfsfalle die für den Ort der
Vollstreckung zuständige Landwirtschaftskammer, Handwerkskammer oder Industrie-
und Handelskammer zu bitten.
31
Versteigerungstermin (zu § 31)
31.1
Zeit und Ort der Versteigerung
Vor Ablauf einer Woche seit dem Tage der Pfändung darf die Versteigerung nur
unter den in § 31 Abs. 1 VwVG NRW angegebenen Voraussetzungen anberaumt werden.
Nach Ablauf dieser Frist kann die Vollstreckungsbehörde unbeschadet des
Grundsatzes, dass gepfändete Sachen möglichst rasch verwertet werden sollen,
die Verwertung weiter hinausschieben, wenn aus saisonbedingten oder anderen
Gründen zu einem späteren Zeitpunkt mit einem höheren Erlös zu rechnen ist.
Hinsichtlich des Ortes der Versteigerung hat die Vollstreckungsbehörde freie
Hand.
Die Vollstreckungsbehörde muss allerdings damit rechnen, dass der
Vollstreckungsschuldner gegen den Verwaltungsakt der Pfändung noch binnen eines
Monats Widerspruch einlegt (§ 70 VwGO). Es ist jedoch Sache des Vollstreckungsschuldners,
rechtzeitig die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs herbeizuführen.
31.2
Vorbereitung des Termins
31.2.1
Die Vollstreckungsbehörde oder der in ihrem Auftrag mit der Versteigerung
betraute Beamte hat bei der in § 31Abs. 2 VwVG NRW vorgeschriebenen
öffentlichen Bekanntmachung die geltenden Bestimmungen zu beachten. Die
öffentliche Bekanntmachung ist zudem in angemessener Frist und in einer Form zu
bewirken, die sich nach Umfang und Bedeutung der Versteigerung richtet. Sofern
alternativ mehrere Bekanntmachungsformen zur Verfügung stehen, sollte die
Auswahl auch unter Beachtung der Zielsetzung der öffentlichen Versteigerung erfolgen.
Etwaigen zusätzlichen Anträgen des Vollstreckungsschuldners oder des Gläubigers
ist zu entsprechen, wenn er die jeweiligen Kosten trägt. Der Name des
Vollsteckungsschuldners darf in der Bekanntmachung nicht genannt werden.
31.2.2
Vom Versteigerungstermin sind die Beteiligten (Vollstreckungsschuldner,
Gläubiger - Anschlusspfändung - Pfandgläubiger (§ 24 VwVG NRW) und ggf. der
Eigentümer einer Pfandsache) ausdrücklich zu benachrichtigen. Diese
Verpflichtung entfällt, wenn die Betreffenden über den Termin bereits durch
Übermittlung des Pfändungsprotokolls unterrichtet wurden (vgl. Nr. 28.6.2,
28.6.4, 30.2.2). Ferner wird sich vielfach, etwa bei Versteigerung von Warenlagern,
Schmucksachen, Spezialmaschinen usw., die ausdrückliche Benachrichtigung der
interessierten Fachverbände des betreffenden Gewerbes oder eine Bekanntmachung
in der Fachpresse empfehlen, um interessierte Käufer zur Teilnahme an der
Versteigerung zu veranlassen.
31.2.3
Der Vollziehungsbeamte hat die zu versteigernden Sachen rechtzeitig am Ort der
Versteigerung bereitzustellen, also für ihren Transport und ihre ordnungsgemäße
Behandlung und Sicherung zu sorgen. Eine rechtzeitige Mitteilung an den
Vollstreckungsschuldner über die bevorstehende Abholung der gepfändeten Sachen
kann diesen u. U. veranlassen, in letzter Stunde noch die Versteigerung durch
Zahlung abzuwenden.
31.2.4
Der Vollziehungsbeamte prüft anhand
des Pfändungsprotokolls und sonstiger Unterlagen sorgfältig, ob die
bereitgestellten Sachen vollständig und unversehrt, ferner ob gepfändete
Nahrungs- und Genussmittel und andere verderbliche Verbrauchsgegenstände noch
unverdorben sind. Im letzteren Falle kann die Zuziehung eines Sachverständigen
zweckmäßig sein. Fehlen einzelne Pfandstücke oder ergibt sich, dass sie
beschädigt oder verdorben sind, so nimmt der Vollziehungsbeamte hierüber einen
Vermerk auf, der dem Versteigerungsauftrag beizufügen ist. Außerdem verständigt
er den Vollstreckungsschuldner (mündliche Mitteilung im Versteigerungstermin
kann genügen) sowie wegen des Verdachtes von Siegelbruch und anderer strafbarer
Handlungen auch die Vollstreckungsbehörde.
32
Versteigerungsverfahren (zu § 32)
32.1
Wenn der Vollstreckungsschuldner im Versteigerungstermin die Begleichung der
beizutreibenden Summe einschließlich der Kosten durch Quittung des Gläubigers
oder der Vollstreckungsbehörde nachweist (Vorlage des Quittungsabschnitts einer
Zahlkarte usw. genügt in diesem Stadium des Verfahrens regelmäßig nicht) oder
den vollen Betrag an den mit der Versteigerung beauftragen Beamten zahlt, so
hat dieser den Termin aufzuheben und die Freigabe der gepfändeten Sachen durch
die Vollstreckungsbehörde zu veranlassen. Wird eine Fristbewilligung der
Vollstreckungsbehörde nachgewiesen, so ist der Termin gleichfalls aufzuheben,
jedoch unter Aufrechterhaltung der Pfändung.
32.2
Verlauf der Versteigerung
32.2.1
Der Vollziehungsbeamte hat dafür zu sorgen, dass die Versteigerung entsprechend
ihrem Wesen als staatlicher Hoheitsakt in angemessenen Formen verläuft.
32.2.2
Nach Eröffnung des Termins hat der Vollziehungsbeamte zunächst die gesetzlichen
Versteigerungsbedingungen und die von der Vollstreckungsbehörde oder ihm selbst
noch für zweckmäßig gehaltenen zusätzlichen Versteigerungsbedingungen (z.B.
Regelung der Rückgabe von leeren Behältern) bekannt zu geben. Er hat insbesondere
darauf hinzuweisen, dass der Erwerber keine Gewährleistungsansprüche hat (§ 25 VwVG NRW). Die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen ergeben sich im Übrigen
aus den §§ 32 - 36 VwVG NRW und aus den in § 32 VwVG NRW für anwendbar
erklärten Vorschriften. Da in § 32 VwVG NRW der § 817 a ZPO ausdrücklich
ausgenommen ist, finden die sonst üblichen Bestimmungen über das Mindestgebot
keine Anwendung. Wegen Gold- und Silbersachen siehe § 33 VwVG NRW.
32.2.3
Die Pfandstücke sollen nach Möglichkeit einzeln, zusammengehörende Stücke, z.B.
eine vollständige Zimmereinrichtung oder eine mehrbändige Ausgabe literarischer
Werke, jedoch geschlossen ausgeboten werden, sofern nicht bei Ausbietung in
Einzelstücken ein höherer Erlös zu erwarten ist. Bei Einzelausgebot von Sachen,
die sich zum Gesamtausgebot eignen, kann der Zuschlag davon abhängig gemacht
werden, dass bei einem Gesamtausgebot kein höherer Erlös erzielt wird.
Wünsche des Vollstreckungsschuldners hinsichtlich der Reihenfolge des Ausgebots
sind möglichst zu berücksichtigen.
32.2.4
Bei jedem Ausbieten ist die im Pfändungsprotokoll enthaltene Angabe des
Schätzwertes sowie ggf. das Ergebnis einer Sachverständigenschätzung bekannt zu
geben, bei Gold- und Silberwaren außerdem der reine Metallwert.
32.2.5
Bei dem Zuschlag hat der Vollziehungsbeamte unparteiisch zu verfahren. Insbesondere
darf er den Zuschlag nicht zu Gunsten eines Bieters übereilen. Von dem
Grundsatz, dass eine zugeschlagene Sache nur Zug um Zug gegen Barzahlung dem
Erwerber auszuhändigen ist (§ 817 Abs. 2 ZPO), darf der Vollziehungsbeamte nur
kraft ausdrücklicher Anordnung der Vollstreckungsbehörde abweichen. Die
Bezahlung mit Scheck ist nicht als Barzahlung zu behandeln.
32.2.6
Sobald der Erlös der Versteigerung unter Hinzurechnung etwa geleisteter Teilzahlungen
die beizutreibende Gesamtsumme deckt, ist die weitere Versteigerung unter
Freigabe der übrigen Pfandstücke einzustellen (§ 818 ZPO). Reicht der Erlös
dagegen nicht aus, ist dem Vollstreckungsschuldner Gelegenheit zu geben, bisher
noch nicht gepfändete Sachen von angemessenem Wert für die Versteigerung noch
zur Verfügung zu stellen, um eine spätere Fortsetzung des Zwangsverfahrens und
die dadurch neu entstehenden Kosten abzuwenden.
32.3
Beteiligung am Bieten
32.3.1
Gläubiger, Vollstreckungsschuldner und Eigentümer der Pfandsachen dürfen sich
am Bieten beteiligen. Das Gebot der beiden letzteren darf aber zurückgewiesen
werden, wenn nicht gleichzeitig der gebotene Betrag in bar hinterlegt wird.
Erhält der Vollstreckungsschuldner den Zuschlag, so darf der Vollziehungsbeamte
den versteigerten Gegenstand sofort wieder pfänden, wenn durch den Zuschlag
volle Befriedigung noch nicht erreicht ist.
32.3.2
Weder dem Vollziehungsbeamten, der die Pfändung durchgeführt hat oder die
Versteigerung leitet, noch seinen Gehilfen und seinen Angehörigen ist es
gestattet, mit zu bieten oder andere für sich bieten zu lassen (vgl. § 450
BGB). Ein Verstoß gegen dieses Verbot stellt eine Amtspflichtverletzung dar und
macht den Erwerb ungültig. Um jeden Anschein zu vermeiden, sollen alle
Dienstkräfte der Vollstreckungsbehörde, die dienstlich mit dem laufenden Zwangsverfahren
zu tun hatten oder haben, sich jeder Beteiligung an der Versteigerung
enthalten.
32.4
Versteigerung bestimmter Waren
32.4.1
Bei der Übergabe eines versteigerten Kraftfahrzeuges ist dem Erwerber auch der
Fahrzeugbrief auszuhändigen oder, wenn der Vollziehungsbeamte diesen noch nicht
an sich genommen hat, eine entsprechende Bescheinigung auszustellen.
32.4.2
Zollpflichtige oder verbrauchssteuerpflichtige Erzeugnisse oder Waren, für die
der Zoll oder die Verbrauchssteuer noch nicht entrichtet sind, soll der
Vollziehungsbeamte dem Ersteher erst aushändigen, nachdem er sich davon
überzeugt hat, dass die Zoll- oder Steuerverpflichtungen erfüllt sind oder ihre
Erfüllung ausreichend gewährleistet ist (vgl. Nr. 37.2).
33
Gold- und Silbersachen (zu § 33)
33.1
Der Gold- und Silberwert ist regelmäßig durch den nach § 30 Satz 2 VwVG NRW zu
hörenden Sachverständigen festzustellen. Seine Zuziehung erübrigt sich jedoch
bei Gold- und Silbersachen, die keinen Kunstwert, sondern ausschließlich einen
Metallwert haben, der nach dem Gewicht auch vom Vollziehungsbeamten ermittelt
werden kann. Platin und Platinmetalle sind entsprechend zu behandeln.
33.2
Die Anordnung des freihändigen Verkaufs ist Sache der Vollstreckungsbehörde.
34
Wertpapiere (zu § 34)
34.1
Wertpapiere sind Urkunden, in denen ein Recht so verbrieft ist, dass es sich
nur aus ihnen ergibt und ihr Besitz zur Ausübung des Rechtes notwendig ist.
Dazu gehören
a) Inhaber- und Namenspapiere, z. B. Aktien, Pfandbriefe, Schuldverschreibungen
und Grund- und Rentenschulden, die auf den Inhaber lauten, Zinsscheine, Gewinnanteilscheine,
ausländische Banknoten;
b) Orderpapiere, z. B. Wechsel, kaufmännische Anweisungen, Konnossemente, Lagerscheine,
Ladescheine.
34.2
§ 34 VwVG NRW gilt nicht
a) für Wechsel und andere indossable Papiere, durch deren Wegnahme gemäß § 42
VwVG NRW nicht das Papier als solches, sondern die aus dem Papier sich
ergebende Forderung gepfändet worden ist;
b) für Legitimationspapiere, d. h. Urkunden, die nicht Träger eines Rechts
sind, auch wenn ein solches in ihnen verbrieft ist, bei denen also das Recht am
Papier dem Recht aus dem Papier folgt; dazu gehören die meisten
Sparkassenbücher (vgl. aber Nr. 40.4.2, 40.4.3),
Pfandscheine, Versicherungsscheine, Hypothekenbriefe, Grund- und
Rentenschuldbriefe, die nicht auf den Inhaber lauten, ferner reine
Beweisurkunden wie Schuldscheine, GmbH-Anteilscheine u. a.;
c) für Bankkonten und Schecks sowie für Wertzeichen, die hinsichtlich der
Pfändung und Verwertung wie Bargeld zu behandeln sind (vgl. Nr. 30.1.2).
34.3
Wertpapiere, die an einer Börse amtlich notiert werden, sollen grundsätzlich
nur durch ein Kreditinstitut oder einen zugelassenen Makler verkauft werden.
Die in § 31 VwVG NRW vorgesehene Wochenfrist gilt hier zwar nicht, doch
empfiehlt es sich, den Zeitpunkt des Verkaufs von der Wahrscheinlichkeit einer
möglichst günstigen Verwertung abhängig zu machen und insoweit auch die
Vorschläge des Vollstreckungsschuldners zu berücksichtigen.
Beim Verkauf oder der Versteigerung von Namenspapieren ist § 36 VwVG NRW zu
beachten.
35
Früchte auf dem Halm (zu § 35)
35.1
Regelmäßig sollen Früchte, die gemäß § 29 VwVG NRW „auf dem Halm“ gepfändet
wurden, erst nach der wirklichen Reife, aber noch vor der Ernte versteigert
werden, so dass die Ernte Sache des Erstehers sein wird. Aus besonderen
Gründen, vor allem aus Gesichtspunkten der bestmöglichen Verwertung, kann aber
die Vollstreckungsbehörde anordnen, dass die Früchte noch vor der Versteigerung
abzuernten sind. In diesem Falle hat der Vollziehungsbeamte die Aberntung durch
den Vollstreckungsschuldner oder eine Hilfsperson zu veranlassen und diese
dabei so weit zu beaufsichtigen, als erforderlich ist, um den Ertrag der Ernte
mit Sicherheit festzustellen. Er hat auch dafür zu sorgen, dass die geernteten
Früchte bis zur Versteigerung sicher untergebracht und verwahrt werden.
35.2
Sind die Früchte erst unmittelbar vor der Reife gepfändet worden (vgl. Nr.
29.3.2), ist die Wochenfrist nach § 31 VwVG NRW zu beachten.
36
Namenspapiere (zu § 36)
36.1
Die Vollstreckungsbehörde ist verpflichtet, dem Käufer oder Ersteher eines gepfändeten
Wertpapiers auch das Eigentum am Papier und damit das Recht aus dem Papier zu
verschaffen. Der Käufer oder Ersteher hat daher einen Rechtsanspruch darauf,
dass die Vollstreckungsbehörde von der in § 36 VwVG NRW enthaltenen Ermächtigung
Gebrauch macht, soweit es sich um Namenspapiere handelt, weil er sonst mit dem
ihm übergebenen Papier nichts anfangen kann.
36.2
Die Vollstreckungsbehörde, die ein auf den Namen lautendes Wertpapier veräußert
oder versteigert hat, muss es dem Erwerber nicht nur übergeben, sondern es auch
auf seinen Namen umschreiben lassen. Das geschieht entweder durch Indossament
oder durch die übliche Abtretungserklärung. Diese ist auf die Rückseite des
Papiers oder eine damit zu verbindende Anlage zu setzen und hätte etwa
folgendermaßen zu lauten:
Auf Grund Zuschlags im
Versteigerungstermin vom ......................, abgetreten an Herrn
..........................
in
...................................................................................................
...................................................., den
................................ 20........
(Vollstreckungsbehörde)
I. A.
...........................................................................................................
Bei Namensaktien ist gemäß §§
67, 68 AktG die Umschreibung im Aktienbuch auf den Erwerber zu veranlassen.
36.3
Handelt es sich um ein ursprüngliches Inhaberpapier, das erst später auf den
Namen des Vollstreckungsschuldners umgeschrieben ist (z.B. § 24 AktG, § 806
BGB), so hat die Vollstreckungsbehörde, bevor sie das Papier verkauft oder
versteigern lässt, bei der zuständigen Stelle, z.B. bei dem Vorstand einer
Aktiengesellschaft, die Rückverwandlung in ein Inhaberpapier zu erwirken, indem
sie die hierzu erforderlichen Erklärungen des Vollstreckungsschuldners an
seiner Stelle abgibt.
Streng zu beachten ist, dass Orderpapiere der in § 42 VwVG NRW genannten Art nicht
durch Versteigerung verwertet werden dürfen. Hier ist vielmehr die durch
Wegnahme des Papiers gepfändete verbriefte Forderung unmittelbar vom Gläubiger
einzuziehen (vgl. Nr. 42.2).
37
Andere Verwertung (zu § 37)
37.1
Die §§ 30 – 36 VwVG NRW werden von dem Grundsatz beherrscht, dass Pfandsachen
nicht vor Ablauf einer Woche seit der Pfändung, dann aber unverzüglich,
regelmäßig durch den zuständigen Vollziehungsbeamten öffentlich zu versteigern
sind (Ausnahmen in den §§ 33 oder 34 VwVG NRW). § 37 VwVG NRW gibt der
Vollstreckungsbehörde die Ermächtigung, nach ihrem eigenen Ermessen - ein
Antrag ist nicht Voraussetzung - von diesem Grundsatz abzuweichen und
anzuordnen, dass die Pfandsachen
a) aus freier Hand zu verkaufen sind (mit und ohne Ausschreibung),
b) durch einen Auktionator, einen Börsenmakler oder eine sonst fachlich
besonders geeignete Person veräußert werden,
c) durch einen anderen Beamten oder eine dritte Person oder auch gemeinsam
durch den Vollziehungsbeamten und einen Dritten (z. B. einen Kunsthändler) zu
versteigern sind; im letzteren Falle sind die Obliegenheiten beider im
Versteigerungsauftrag genau abzugrenzen,
d) erst zu einem späteren Zeitpunkt als üblich oder in einer anderen Gemeinde
als der, in der sie gepfändet wurden, veräußert oder versteigert werden sollen,
e) über das Internet versteigert werden.
Maßgebend für diese Entscheidung
dürfen nur
besondere
Zweckmäßigkeitsgründe sein, vor allem die Erwägung, dass durch die abweichende
Regelung eine günstigere Verwertung der Pfandsachen erzielt werden kann, was
nicht nur dem Gläubiger, sondern auch dem Vollstreckungsschuldner zugute kommt.
Dies ist auch dann anzunehmen, wenn bei einer Versteigerung nicht mehr als der
handelsübliche Marktpreis zu erzielen wäre, durch den freihändigen Verkauf aber
wenigstens Kosten erspart werden können.
37.2
Bei Pfandsachen, die Zollgut darstellen oder zu bestimmten Warengruppen gehören
(z. B. Branntwein, Tabakblätter, Tabak-Halberzeugnisse, Zigarettenpapier,
Süßstoff, gewisse Arzneimittel, Zucker, Salz, Kaffee, Tee), hat die
Vollstreckungsbehörde die Bestimmungen in §§ 90 und 91 der
Gerichtsvollzieherordnung sinngemäß zu beachten. Teilweise ist hier eine Benachrichtigung
des zuständigen Zollamtes, der Branntweinmonopolverwaltung oder anderer
Dienststellen vorgesehen. Bestimmte Erzeugnisse dürfen nur einem begrenzten
Personenkreis angeboten, also nicht öffentlich versteigert werden. Andere Waren
dürfen nur mit Genehmigung der zuständigen Dienststellen, z.B. der
Branntweinmonopolverwaltung, und zu den von ihr festgesetzten Bedingungen
verwertet werden. Die Vollziehungsbeamten sind über diese Sonderbestimmungen
genau zu belehren.
37.3
Versteigerung von Pfand- und Sicherungsgut im Internet
§ 37 VwVG NRW eröffnet auch die Möglichkeit, die Versteigerung über das
Internet vorzunehmen (z. B. www.zoll-auktion.de). Auch dies stellt eine
besondere Form der Verwertung i. S. d. § 37 VwVG NRW dar. Die Versteigerung im
Internet muss gemäß § 31 Abs. 2 VwVG NRW öffentlich bekannt gemacht werden. Ein
ständiger Aushang im Dienstgebäude, mit den wichtigsten Informationen zur
Versteigerung im Internet, reicht hierzu aus. Die Versteigerung im Internet ist
jedoch nur zulässig, wenn sie jederzeit eingestellt werden kann (§ 6 a VwVG NRW).
Das angebotene Pfandgut muss
detailliert beschrieben werden, auf etwaige Mängel oder Gebrauchsspuren ist
hinzuweisen. Mit dem Angebotstext soll auch ein Foto der Pfandsache und ggf.
ein erstelltes Wertgutachten veröffentlicht werden. Da eine Besichtigung des
Pfandgutes (vergleichbar einer Versteigerung vor Ort) regelmäßig nicht in
Betracht kommt, ist der Beschreibung und dem Foto der Pfandsache besondere
Bedeutung beizumessen. Grundsätzlich sollte interessierten Bietern jedoch die
Möglichkeit der Inaugenscheinnahme des Pfandgutes am Aufbewahrungsort angeboten
werden. Folgende Angaben sind des Weiteren im Angebotstext erforderlich:
- Mindestgebot,
- Versandart und -kosten, sofern das Pfandgut für den Versand geeignet ist,
- Abholort,
- Ansprechpartner mit Telefonnummer, E-Mailadresse und Sprechzeiten und
- ggf. Abholzeitraum von vier Wochen nach Beendigung der Versteigerung, falls
das Pfandgut nicht für den Versand geeignet ist oder die persönliche Abholung
grundsätzlich möglich sein soll.
Im Übrigen ist ausdrücklich
darauf hinzuweisen, dass es sich um die Versteigerung von Pfandgut handelt und
die Versteigerung jederzeit nach § 6 a VwVG NRW eingestellt werden kann.
Der Versand oder die Abholung der ersteigerten Sache ist nur nach vorheriger
Zahlung des Gebotspreises und ggf. der Versandkosten zulässig. Holt der Bieter
die ersteigerte Sache persönlich ab, so hat er sich durch Vorlage seiner
Personalpapiere auszuweisen und die Benachrichtigung (E-Mail) über das
Höchstgebot vorzulegen. Den Empfang des ersteigerten Pfandguts hat er in der
Niederschrift zu bestätigen.
Die Auslagen für die Versteigerung im Internet sind Kosten der Vollstreckung
und vom Vollstreckungsschuldner zu tragen.
Wird das ersteigerte Pfandgut nicht innerhalb von vier Wochen nach Beendigung
der Versteigerung abgeholt, kann eine erneute Versteigerung oder andere Art der
Verwertung erfolgen.
38
Anschlusspfändung (zu § 38)
38.1
Voraussetzungen
Sachen, die bereits für andere Gläubiger gepfändet sind, sei es durch den
Vollziehungsbeamten selbst oder durch einen anderen Vollziehungsbeamten oder
einen Gerichtsvollzieher, soll der Vollziehungsbeamte nur dann pfänden, wenn
a) andere zur Befriedigung der beizutreibenden Forderungen ausreichende
pfändbare Sachen nicht vorgefunden werden. In diesem Fall ist die Anschlusspfändung
geboten ohne Rücksicht darauf, ob nach Befriedigung der vorgehenden Gläubiger
aus der ersten Pfändung noch ein Überschuss zu erwarten ist;
b) die Vollstreckungsbehörde die Anschlusspfändung ausdrücklich angeordnet hat;
c) der Vollziehungsbeamte aus besonderen Gründen die Anschlusspfändung für
aussichtsreicher hält als die Pfändung anderer noch nicht gepfändeter Sachen im
Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners.
38.2
Formen der Anschlusspfändung
38.2.1
Der Vollziehungsbeamte kann die Anschlusspfändung in der Weise wirksam
vornehmen, dass er die in § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW vorgesehene Erklärung in
die Niederschrift aufnimmt. In diesem Falle braucht er die Pfandsache weder in
Besitz zu nehmen noch ein Pfandzeichen an ihr anzubringen. Er braucht dazu
nicht einmal die Wohnung des Gewahrsamsinhabers aufzusuchen. Da die
vereinfachte Form der Anschlusspfändung aber zu ihrer Wirksamkeit eine formell
noch gültige Erstpfändung voraussetzt, ist sie nur in den Fällen unbedenklich,
in denen der Vollziehungsbeamte selbst die Erstpfändung vorgenommen hat.
38.2.2
Der Vollziehungsbeamte kann die Anschlusspfändung aber auch in den Formen einer
Erstpfändung vollziehen (Nr. 28.3). Dies empfiehlt sich in allen Fällen, in
denen irgendwelche Zweifel hinsichtlich der Gültigkeit der Erstpfändung
bestehen. Insbesondere ist trotz des Vorhandenseins von Pfandsiegelmarken oder
einer Pfandanzeige u. U. damit zu rechnen, dass die Pfandsachen vom
erstpfändenden Gläubiger bereits freigegeben sind, der Vollstreckungsschuldner
aber die Pfandsiegel zur Täuschung anderer Gläubiger absichtlich nicht entfernt
hat.
38.3
Mitteilungspflicht
38.3.1
Die Anschlusspfändung ist dem Vollstreckungsschuldner vom Vollziehungsbeamten
mündlich, fernmündlich oder schriftlich mitzuteilen. Wegen Erteilung einer
Abschrift des Protokolls an den Vollstreckungsschuldner (vgl. Nr. 28.6.4).
38.3.2
Die Vollstreckungsbehörde hat in jedem Falle eine Abschrift des Protokolls über
die Anschlusspfändung den an den vorhergehenden Pfändungen beteiligten
Vollstreckungsbehörden und Gerichtsvollziehern förmlich zuzustellen (siehe
Landeszustellungsgesetz NRW), und zwar auch dann, wenn die Anschlusspfändung in
der Form einer Erstpfändung durchgeführt worden ist. Die unverzügliche
Benachrichtigung der genannten Stellen ist in jedem Falle deshalb besonders
wichtig, weil anders der neue Gläubiger und seine Vollstreckungsbehörde nicht
erwarten können, über die Anberaumung von Versteigerungsterminen und andere Vollstreckungsmaßnahmen
auf Grund der vorhergehenden Pfändungen unterrichtet und an der Befriedigung
aus dem Erlös beteiligt zu werden.
38.3.3
Die Mitteilung an den Vollstreckungsschuldner (Nr. 38.3.1) und die Zustellungen
(Nr. 38.3.2) sind zwar keine Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit der
Anschlusspfändung. Werden sie aber unterlassen, so machen sich die
Vollstreckungsbehörde und der Vollziehungsbeamte unter Umständen gegenüber dem
Gläubiger schadenersatzpflichtig.
38.4
Erstreckt sich die Anschlusspfändung auf Pfandsachen im Gewahrsam eines
Dritten, so ist zur Anschlusspfändung nach heute herrschender Meinung seine Zustimmung
erforderlich.
38.5
Durch die Anschlusspfändung wird für den Gläubiger ein selbständiges
Pfändungspfandrecht begründet. Er und seine Vollstreckungsbehörde können nach
Maßgabe des § 39 Abs. 2 VwVG NRW alles tun, um die kraft der Erstpfändung
zuständige Vollstreckungsbehörde zum Handeln zu veranlassen, selbst wenn diese
zunächst die Vollstreckung nicht weiter betreiben will, etwa weil der Gläubiger
der Erstpfändung Stundung bewilligt hat.
39
Mehrfache Pfändung (zu § 39)
39.1
Die Versteigerung einer mehrfach gepfändeten Sache kann nur diejenige
Vollstreckungsbehörde oder derjenige Gerichtsvollzieher anordnen, welche die
Erstpfändung veranlasst haben. Bei der Bewertung der Pfandsachen sind die
Interessen aller beteiligten Gläubiger nach Maßgabe ihres Rangverhältnisses
oder abweichender Vereinbarungen zu wahren. Die für die Erstpfändung zuständige
Vollstreckungsbehörde (der zuständige Gerichtsvollzieher) hat sich daher nicht
einseitig nur nach den Wünschen oder Weisungen des Erstgläubigers zu richten,
sondern die Anträge und Anregungen aller Gläubiger bei der Entscheidung über
die Versteigerung oder sonstige Verwertung der Pfandsache angemessen zu
berücksichtigen (Absatz 2). Gegenüber etwa beteiligten privaten Pfandgläubigern
hat die Vollstreckungsbehörde dieselben Pflichten wie der Gerichtsvollzieher.
39.2
Der Versteigerungsauftrag oder der Auftrag zum freihändigen Verkauf, den die
zuständige Vollstreckungsbehörde ihrem Vollziehungsbeamten erteilt, muss die ausdrückliche
Anordnung enthalten, dass die Pfandsache zur Befriedigung aller, im Einzelnen genau aufzuführenden Ansprüche,
deretwegen sie mehrfach gepfändet worden ist, verwertet werden soll. Um nichts
zu versäumen, hat sich daher die versteigernde Stelle nicht mit den gemäß § 38
Abs. 2 VwVG NRW ihr zugegangenen Mitteilungen über Anschlusspfändungen zu
begnügen, sondern sich, falls nötig, von allen Beteiligten ergänzende
Unterlagen übermitteln zu lassen.
39.3
Der Erlös ist auch dann gemäß § 39 Abs. 3 VwVG NRW zu verteilen, wenn er zur
Deckung aller Ansprüche nicht ausreicht. Hinterlegung des Erlöses und
gerichtliches Verteilungsverfahren hat die zuständige Vollstreckungsbehörde
immer dann zu veranlassen, wenn sich die beteiligten Gläubiger, Vollstreckungsbehörden
und Gerichtsvollzieher über die Reihenfolge der Befriedigung streiten.
Das gerichtliche Verteilungsverfahren kommt jedoch nicht in Frage, wenn
mehrfache Pfändungen zwar für mehrere Gläubiger oder durch verschiedene
Vollziehungsbeamte, jedoch im Auftrage derselben Vollstreckungsbehörde
vorgenommen worden sind. In solchen Fällen bestimmt die Vollstreckungsbehörde
den für die Versteigerung zuständigen Vollziehungsbeamten und entscheidet
selbst über die Verteilung des Erlöses. Den Beteiligten bleibt die Möglichkeit
der Dienstaufsichtsbeschwerde oder der formellen Rechtsbehelfe.
3.
Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte
40
Pfändung einer Geldforderung (zu § 40)
40.1
Voraussetzungen und Zuständigkeiten
40.1.1
Die Vollstreckungsbehörde soll eine Forderung im Allgemeinen erst dann pfänden,
wenn sie die begründete Annahme hat, dass
a) die Forderung zu Recht besteht und
b) ihrer Verwertung Pfändungsbeschränkungen und Vollstreckungsschutzbestimmungen
nicht entgegenstehen (§ 48 VwVG NRW).
Die vorherige Anhörung des
Vollstreckungsschuldners ist zwar nicht, wie in § 834 ZPO, ausdrücklich
ausgeschlossen. Sie wird aber in der Regel nicht in Betracht kommen, da der Vollstreckungsschuldner
sonst durch rasche Einziehung oder Abtretung der Forderung die Pfändung
vereiteln könnte.
40.1.2
§ 40 Abs. 3 VwVG NRW stellt klar, dass die Vollstreckungsbehörde die
Rechtsmacht hat, durch eigene Verfügung Geldforderungen im gesamten Territorium
des Landes NRW zu pfänden. Sie kann daher auch dann eine Pfändungsverfügung
erlassen, wenn der Schuldner und/oder der Drittschuldner sich außerhalb ihres
„territorialen Zuständigkeitsbereichs“ aufhält. Sie muss sich dazu nicht der
Amtshilfe einer „örtlich zuständigen“ nordrhein-westfälischen
Vollstreckungsbehörde bedienen. Sie kann dem Drittschuldner die Pfändungsverfügung
auch außerhalb ihres Bezirks im Wege der Postzustellung wirksam selbst
zustellen. Eine andere Vollstreckungsbehörde braucht nur eingeschaltet zu
werden, wenn zum Beispiel aus besonderen Gründen Wert auf die persönliche
Zustellung gegen Empfangsbekenntnis gelegt wird.
40.1.3
Länderübergreifende Forderungspfändung (§ 40 Abs. 4)
Das nordrhein-westfälische Verwaltungsvollstreckungsgesetz hat Rechtswirkungen
grundsätzlich nur innerhalb des Territoriums des Landes NRW. Entsprechendes
gilt für die jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsgesetze der anderen Länder. Es
besteht aber ein Bedürfnis nach länderübergreifender Forderungspfändung. Um
dies zu ermöglichen, haben die Länder vereinbart, jeweils eine dem § 40 Abs. 4
VwVG NRW entsprechende Regelung zu schaffen.
§ 40 Abs. 4 a) VwVG NRW bewirkt, dass auch die außerhalb des Landes NRW
erlassene Pfändungsverfügung in NRW wirksam ist und hier auch wirksam
zugestellt werden kann. Daher muss jeder Vollstreckungsschuldner oder Drittschuldner
im Lande Nordrhein-Westfalen auch die Zustellung einer Pfändungsverfügung durch
eine Vollstreckungsbehörde eines anderen Bundeslandes unmittelbar gegen sich
gelten lassen.
§ 40 Abs. 4 b) VwVG NRW bezieht sich auf den umgekehrten Fall. Diese Bestimmung
bewirkt, dass nordrhein-westfälische Vollstreckungsbehörden länderübergreifende
Forderungspfändungen selbst erlassen und ihre Zustellung im Wege der
Postzustellung bewirken können, wenn in dem Land, in dem zugestellt werden soll,
eine dem § 40 Abs. 4 entsprechende Regelung besteht (wie zzt. schon in Hessen,
Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen). Solange das Recht
anderer Bundesländer dies nicht zulässt, ist nach den Vorschriften über die
Amtshilfe (§§ 4 bis 8 VwVfG NRW) zu verfahren.
40.2
Die Pfändungsverfügung
40.2.1
Die Pfändungsverfügung ergeht schriftlich. Es handelt sich hier um ein
gesetzliches Schriftformerfordernis. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel,
dass die Verfügung den Betroffenen inhaltlich eindeutig und in beweisgeeigneter
Form vorliegt.
Das neue Zustellungsrecht unterscheidet nicht mehr zwischen Urschrift,
Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift bzw. Durchschrift. Daher haben
derartige Differenzierungen im Rahmen des § 40 VwVG NRW keine Bedeutung mehr.
Auch eine Unterschrift ist nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit einer
Pfändungsverfügung. Vergleiche hierzu § 37 VwVfG NRW.
40.2.2
Die Pfändungsverfügung muss enthalten:
a) die Bezeichnung des Gläubigers und der Forderung, deretwegen die Zwangsvollstreckung
betrieben wird, nach Art, Höhe und Zeitraum (beachte Nr. 40.2.3 Buchstabe j).
Das Steuergeheimnis kann durch Mitteilung dieser Forderung an den
Drittschuldner nicht verletzt werden, da die Mitteilung insoweit nicht
„unbefugt" ist (§ 30 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 c KAG),
b) den Betrag der beizutreibenden Kosten,
c) die Bezeichnung der zu pfändenden Forderung unter genauer Angabe des
zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (z.B. Gehaltsansprüche aus dem
„Dienst-/Arbeitsverhältnis..."; nicht „Forderung aus Kaufvertrag",
sondern: „Ansprüche aus dem Kaufvertrag vom ... über einen Schrank" oder
„Forderung aus dem Verkauf eines Kraftwagens (Marke)"; nicht „Forderung
aus Vermietung", sondern „Forderung aus der Vermietung eines Zimmers -
einer ... Zi.-Wohnung im Hause...") mit dem Ausspruch, dass diese
Forderung wegen der zu 1. und zu 2. angegebenen Beträge gepfändet wird,
d) das an den Drittschuldner zu richtende Verbot, an den Vollstreckdungsschuldner
zu zahlen,
e) das an den Vollstreckungsschuldner zu richtende Gebot, sich jeder Verfügung über
die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten,
f) die Erklärung, dass der Gläubiger die gepfändete Forderung zur Befriedigung
seiner Ansprüche einziehen kann; diese Erklärung kann auch nachgeholt werden
(vgl. Nr. 40.2.7).
40.2.3
Die Pfändungsverfügung soll ferner enthalten:
g) die Aufforderung an den Drittschuldner, binnen zwei Wochen die in § 45 Abs.
1 VwVG NRW vorgesehene Erklärung abzugeben (§ 45 Abs. 2 VwVG NRW);
h) die Aufforderung an den Drittschuldner, die von ihm geschuldete Geldsumme
bis zur Höhe der beizutreibenden Beträge bei Eintritt der Fälligkeit
unmittelbar an die Vollstreckungsbehörde (genaue Bezeichnung der
Vollstreckungsbehörde und vollständige Kontoverbindung angeben) oder den
Gläubiger zu bezahlen (beachte jedoch
Nr. 40.2.4);
i) die Aufforderung, das erforderlichenfalls angegebene Buchungszeichen oder
ein entsprechendes Merkmal, unter dem die beizutreibende Forderung in den
Büchern des Gläubigers offen steht, bei der Zahlung anzugeben.
j) Die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung soll weiterhin
den beizutreibenden Geldbetrag in einer Summe ohne Angabe des Schuldgrundes
bezeichnen (§ 40 Abs. 1 Satz 5 VwVG NRW). Diese Sollvorschrift erlaubt, in
atypischen Fällen von der Verwirklichung der gesetzlichen Rechtsfolge
abzusehen. So ist es der Vollstreckungsbehörde erlaubt, die Vorrechte
bestimmter Ansprüche des Gläubigers, z. B. bei einer öffentlichen Grundstückslast
nach dem Gesetz über die Pfändung von Miet- und Pachtzinsforderungen wegen
Ansprüchen aus öffentlichen Grundstückslasten (MietPfG) auch in der dem
Drittschuldner zuzustellenden Pfändungsverfügung spezifiziert anzugeben.
40.2.4
Die vorstehend unter Buchstabe h vorgesehene Zahlungsaufforderung ist nicht in
die Pfändungsverfügung aufzunehmen, wenn der Drittschuldner nur gegen
Aushändigung oder Vorlage einer über die Forderung ausgestellten Urkunde, z.B.
eines Sparkassenbuches, zur Zahlung verpflichtet ist. In diesem Falle hat sich
vielmehr der Gläubiger oder in seinem Auftrage die Vollstreckungsbehörde erst
in den Besitz der Urkunde zu bringen, um dann auf Grund der Einziehungsermächtigung
(Nr. 40.2.2 Buchstabe f) unter Vorlage der Urkunde die Zahlung zu verlangen
(vgl. Nr. 40.4.2 und Nr. 40.4.3). Die Aufforderung zur Herausgabe der Urkunde
kann in die Verfügung aufgenommen werden.
40.2.5
Die Wirksamkeit der Pfändung hängt nur von der förmlichen Zustellung der
Verfügung an den Drittschuldner ab. Sind mehrere Drittschuldner vorhanden, so
ist die Verfügung an jeden einzeln zuzustellen. Zu beachten ist in diesem
Falle, dass die Pfändung, wenn mehrere Drittschuldner gemeinschaftlich zur
gesamten Hand zur Leistung verpflichtet sind (z. B. Miterben, Gesellschafter
nach § 707 BGB), erst mit der Zustellung an den letzten wirksam wird. Haben
dagegen mehrere Drittschuldner die Forderung als Gesamtschuldner zu erfüllen,
so wird die Pfändung jedem einzelnen gegenüber mit der Zustellung an ihn
wirksam.
Die Zustellung an den Drittschuldner soll nicht durch Einschreiben geschehen,
da sonst die Gefahr besteht, dass der Drittschuldner innerhalb der
Dreitagefrist nach Landeszustellungsgesetz durch sofortige Zahlung an den
Vollstreckungsschuldner die Pfändung vereitelt.
40.2.6
Die Zustellung oder anderweitige Bekanntgabe an den Vollstreckungsschuldner ist
zwar nicht Voraussetzung für das Wirksamwerden der Pfändung. Sie ist aber
unerlässlich, weil die Pfändungsverfügung auch das an den
Vollstreckungsschuldner gerichtete Gebot, sich jeder Verfügung über die
Forderung zu enthalten, enthält. Dieser Verwaltungsakt muss ihm bekannt gegeben
werden. Die Bekanntgabe wird nicht ersetzt durch die in § 40 Abs. 1 letzter
Satz VwVG NRW vorgeschriebene Mitteilung über die Zustellung an den Drittschuldner,
sie kann aber mit ihr verbunden werden.
Auf keinen Fall sollte die Pfändungsverfügung dem Vollstreckungsschuldner vor
dem Drittschuldner bekannt gegeben werden. Der Vollstreckungsschuldner kann
sonst durch Abtretung, der Drittschuldner durch - noch zulässige - Zahlung an
den Vollstreckungsschuldner den Erfolg der Pfändung vereiteln.
40.2.7
Die in Nr. 40.2.2 unter Buchstabe f erwähnte Erklärung
„der vorstehend bezeichnete Gläubiger kann die Forderung, soweit sie gepfändet
ist, bis zum angegebenen Gesamtbetrag zuzüglich monatlich ...... v. H. weitere
Säumniszuschläge einziehen“
berücksichtigt in ihrem Wortlaut den Umstand, dass im Verwaltungszwangsverfahren
die Vollstreckungsbehörde meistens ein Organ oder eine Dienststelle des
Gläubigers ist und als solche nicht sich selbst eine Forderung überweisen kann.
Die Erklärung hat aber dieselbe Wirkung wie die sonst übliche „Überweisung zur
Einziehung“ (vgl. § 44 Abs. 1 VwVG NRW).
40.3
Wirkungen der Pfändungsverfügung
40.3.1
Der Vollstreckungsgläubiger ist auf Grund des Ausspruches, dass er die Forderung
auch einziehen kann (§ 40 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW) befugt, die Gläubigerrechte
des Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner im eigenen Namen und für
eigene Rechnung geltend zu machen. Er hat aber keine größeren Rechte, als sie
dem Vollstreckungsschuldner zustehen. Insbesondere kann er die Forderung nicht
im Verwaltungszwangsverfahren beitreiben. Er muss sie vielmehr notfalls vor
demselben Gericht einklagen, vor dem auch der Vollstreckungsschuldner klagen
müsste - u. U. also auch vor dem Arbeitsgericht - und dabei nach § 841 ZPO dem
Vollstreckungsschuldner den Streit verkünden. Im Übrigen darf er, um die
Leistung des Drittschuldners herbeizuführen, die Forderung kündigen, gegen
eigene Verbindlichkeiten aufrechnen, vereinbarte Gegenleistungen bewirken, die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen, bei zivilrechtlichen Forderungen
etwa vorhandene Vollstreckungstitel auf sich umschreiben lassen, einen
hinterlegten Betrag erheben, die Leistung in Empfang nehmen und darüber quittieren.
Der Vollstreckungsgläubiger ist nicht befugt zu Maßnahmen, welche die
Gläubigerrechte des Vollstreckungsschuldners beeinträchtigen, ohne der Tilgung
der beizutreibenden Forderung zu dienen. Er darf also weder Stundung noch
sonstige Zahlungserleichterungen ohne Einwilligung des Vollstreckungsschuldners
gewähren noch Vergleiche abschließen noch durch Abtretung oder Erlass über die
Forderung verfügen, es sei denn, dass er die Forderung auf seine Forderung
gegen den Vollstreckungsschuldner anrechnen lässt.
Der Vollstreckungsgläubiger oder die von ihm mit der Einziehung beauftragte
Vollstreckungsbehörde ist verpflichtet, die gepfändete Forderung ohne
Verzögerung beizutreiben und zu diesem Zweck sich einen vollstreckbaren Titel
zu verschaffen. Er haftet dem Vollstreckungsschuldner für jeden aus einer
Verzögerung sich etwa ergebenden Ausfall.
40.3.2
Der Vollstreckungsschuldner ist verpflichtet, seine Gläubigerrechte nicht zum
Nachteil des Vollstreckungsgläubigers auszuüben. Trotz dem weitergehenden
Wortlaut des Gesetzes (Satz 1: „jeder Verfügung“) ist er berechtigt, Maßnahmen
zu treffen, die der Erhaltung der Forderung und damit seinen und des Gläubigers
Interessen in gleicher Weise dienen. Er kann also vom Gläubiger und der
Vollstreckungsbehörde nicht gehindert werden, eine gepfändete noch nicht
fällige Forderung zu kündigen, den Arrest gegen den Drittschuldner zu
beantragen und die Forderung im Insolvenz- oder Zwangsversteigerungsverfahren
anzumelden.
40.3.3
Der Drittschuldner kann, sobald die Pfändung und das Recht des Gläubigers zur
Einziehung ihm durch Zustellung bekannt gegeben worden sind, mit befreiender
Wirkung nur noch an den Gläubiger leisten. Eine Zahlung an den
Vollstreckungsschuldner ist ausnahmsweise jedoch dann wirksam, wenn der
Drittschuldner nachweisbar von dem Zahlungsverbot keine Kenntnis hatte, z.B.
bei Ersatzzustellung (§§ 407, 1275 BGB). Die Vollstreckungsbehörde hat deshalb
besonderen Wert darauf zu legen, dass die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner
persönlich zugestellt wird. Der Drittschuldner kann gegenüber der Forderung mit
eigenen Forderungen gegen den Gläubiger aufrechnen, sich jedoch nicht mehr
durch Hinterlegung befreien, es sei denn, dass mehrfache Pfändung vorliegt (§ 49 VwVG NRW).
40.4
Pfändung in besonderen Fällen
40.4.1
Auch Forderungen des Vollstreckungsschuldners gegen den Gläubiger selbst können
durch diesen gepfändet werden. Das empfiehlt sich besonders dann, wenn
Aufrechnung im Einzelfall (noch) nicht möglich oder unzweckmäßig ist und anders
die Forderung nicht dem Zugriff anderer Gläubiger entzogen werden kann.
(Beispiel: Die vollstreckende Gemeinde hat Räume im Hause des
Vollstreckungsschuldners gemietet und könnte gegenüber seinen Mietzinsansprüchen
nicht mehr aufrechnen, wenn andere Gläubiger die Forderung auf künftig fällig
werdende Miete pfänden.)
40.4.2
Nach § 40 Abs. 2 VwVG NRW i. V. m. § 835 Abs. 3 Satz 2 ZPO darf ein
Geldinstitut aus einem gepfändeten Guthaben eines Vollstreckungsschuldners, der
eine natürliche Person ist, erst zwei Wochen nach der Zustellung des Überweisungsbeschlusses
an den Gläubiger leisten oder den Betrag hinterlegen. Damit ist dem
Vollstreckungsschuldner Gelegenheit gegeben, einen Antrag auf Pfändungsschutz
im Sinne des § 850 k ZPO zu stellen.
40.4.3
§ 54 SGB I lässt sowohl die Pfändung von einmaligen als auch von laufenden
Sozialleistungen zu. Ansprüche auf einmalige Sozialleistungen können jedoch nur
gepfändet werden, wenn eine Abwägung aller Umstände des Falles ergibt, dass die
Pfändung der Billigkeit entspricht (§ 54 Abs. 2 SGB I). Unpfändbar sind nach §
54 Abs. 3 SGB I Ansprüche auf
a) Erziehungsgeld und vergleichbare Leistungen der Länder,
b) Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs.1 des Mutterschutzgesetzes bis zur Höhe des
Erziehungsgeldes, soweit das Mutterschaftsgeld nicht aus einer Teilzeitbeschäftigung
herrührt oder anstelle von Arbeitslosenhilfe gewährt wird,
c) Geldleistungen, die einen durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden
bedingten Mehraufwand ausgleichen sollen.
Ein Anspruch auf Geldleistungen
für Kinder kann nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes, das
bei der Festsetzung der Geldleistungen berücksichtigt wird, gepfändet werden.
Angesichts dieser Vorschrift muss der Gläubiger der Vollstreckungsbehörde
darlegen, dass die Voraussetzungen für die Beitreibung erfüllt sind (vgl. Nr. 48.2.2 Buchstabe c).
41
Pfändung einer Hypothekenforderung (zu § 41)
41.1
Eine hypothekarisch gesicherte Forderung kann nicht ohne die Hypothek, die
Hypothek nicht ohne die Forderung gepfändet werden. Die Pfändung wird deshalb -
abweichend von der Regel des § 40 VwVG NRW - erst wirksam mit der Aushändigung
des Hypothekenbriefes, bei Buchhypotheken mit der Eintragung im Grundbuch (vgl.
jedoch Nr. 41.5.1).
41.2
Pfändungsverfügung
41.2.1
Die Pfändungsverfügung soll in diesen Fällen regelmäßig auch dem
Vollstreckungsschuldner zugestellt werden. Sie muss außer den in Nr. 40.2.3 genannten Erfordernissen noch Angaben
über die Art der Hypothek (Brief- oder Buchhypothek) und die Bezeichnung des
belasteten Grundstücks unter Angabe des Grundbuchblattes enthalten.
41.2.2
Handelt es sich um eine Briefhypothek, werden in die Pfändungsverfügung
zweckmäßigerweise noch aufgenommen:
a) die Aufforderung an den Vollstreckungsschuldner, den Hypothekenbrief an die
Vollstreckungsbehörde herauszugeben oder über seinen Verbleib Auskunft zu geben,
b) die Ermächtigung an den mit der Zustellung an den Vollstreckungsschuldner
betrauten Vollziehungsbeamten, den Hypothekenbrief in Empfang zu nehmen,
c) der Auftrag an den Vollziehungsbeamten, dem Vollstreckungsschuldner im
Weigerungsfalle den Hypothekenbrief wegzunehmen (§ 44 Abs. 2 Satz 5 VwVG NRW).
41.2.3
Die Herausgabe des Hypothekenbriefes an die Vollstreckungsbehörde kann auch
durch Androhung und Festsetzung eines angemessenen Zwangsgeldes oder durch
unmittelbaren Zwang erzwungen werden (§ 41 Abs. 1 Satz 2, § 44 Abs. 2 Satz 5, §
68 Abs. 1 Nr. 1 VwVG NRW).
41.3
Pfändung einer Buchhypothek
41.3.1
Soll eine Forderung gepfändet werden, für die eine Buchhypothek besteht (§§
1116 Abs. 2, 1185 BGB), so leitet die Vollstreckungsbehörde, sobald sie die
Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt hat, dem Amtsgericht
(Grundbuchamt) einen Antrag auf Eintragung der Pfändung in das Grundbuch zu (§
29 GBO). Den Formerfordernissen der §§ 29 ff. GBO ist Rechnung zu tragen.
41.3.2
Ist der Vollstreckungsschuldner im Grundbuch nicht als Hypothekengläubiger
eingetragen, so muss die Vollstreckungsbehörde zunächst die Berichtigung des
Grundbuchs bewirken, indem sie sich gemäß § 792 ZPO an Stelle des
Vollstreckungsschuldners die zum Nachweis der Unrichtigkeit erforderlichen
öffentlichen Urkunden, z.B. einen Erbschein, beschafft und dem Grundbuchamt
vorlegt oder auf solche etwa bei den Gerichtsakten befindlichen Urkunden Bezug
nimmt. Ist der Nachweis durch öffentliche Urkunden nicht zu führen, so kann die
Vollstreckungsbehörde den Anspruch des Vollstreckungsschuldners gegen den im
Grundbuch Eingetragenen auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung pfänden (§ 50
Abs. 1 VwVG NRW) und aussprechen, dass der Gläubiger diesen Anspruch durchsetzen
kann. Der Anspruch muss notfalls im Klageweg durchgesetzt und die Berichtigung
dann unter Vorlage des erstrittenen Urteils (öffentliche Urkunde) beim
Grundbuchamt veranlasst werden. Der Tag, an dem der Antrag beim Grundbuchamt
eingeht, ist maßgebend für den Rang der Pfändung (§ 17 GBO).
41.3.3
Dem Vollstreckungsschuldner bleibt es nach der Tilgung seiner Schuld
überlassen, die Berichtigung des Grundbuchs, in dem die Pfändung der Forderung
eingetragen war, zu veranlassen. Auf Verlangen hat ihm die Vollstreckungsbehörde
eine löschungsfähige Quittung (§ 29 GBO) zu erteilen. Es ist nicht Sache der
Vollstreckungsbehörde, die Hypothek löschen zu lassen.
41.4
Pfändung einer Briefhypothek
41.4.1
Bei Pfändung einer Forderung, für die eine Briefhypothek (§ 1116 Abs. 1 BGB)
bestellt ist, entsteht das Pfändungspfandrecht erst in dem Zeitpunkt, in dem
die Vollstreckungsbehörde den unmittelbaren Besitz an dem Brief erlangt, sei es
dadurch, dass der Vollstreckungsschuldner ihr den Brief freiwillig übergibt,
oder dadurch, dass der Vollziehungsbeamte ihn wegnimmt. Die Eintragung der
Pfändung im Grundbuch ist nicht nötig, aber zulässig.
41.4.2
Der Vollstreckungsschuldner ist zur sofortigen Herausgabe des Briefes
verpflichtet (§ 44 Abs. 2 Satz 5 VwVG NRW). Hat ein Dritter den Brief in
Gewahrsam (z.B. ein Kreditinstitut), kann die Vollstreckungsbehörde den
Herausgabeanspruch des Vollstreckungsschuldners gegen ihn gemäß § 44 Abs. 4 i.
V. m. § 2 Abs. 3 VwVG NRW unmittelbar geltend machen. Auch ein Herausgabeanspruch
des Vollstreckungsschuldners gegen das Grundbuchamt, z.B. im Falle des § 1117
Abs. 2 BGB, ist nach diesen Vorschriften zu behandeln.
41.4.3
Ist der Hypothekenbrief verloren gegangen oder vernichtet, so muss die
Vollstreckungsbehörde zunächst den Anspruch auf Kraftloserklärung des alten (§
1162 BGB) und Ausstellung eines neuen Briefes nach Vorschrift des § 50 VwVG NRW
pfänden und durchsetzen. Erst dann kann sie auch die Hypothekenforderung
pfänden. Die Eintragung im Grundbuch (vgl. Nr. 41.4.1 Satz 2) kann die Inbesitznahme
des Briefes nicht ersetzen. Über den Verbleib des Briefes kann vom
Vollstreckungsschuldner die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangt
werden (§ 44 Abs. 3 VwVG NRW).
41.5
Wirksamwerden gegenüber Drittschuldnern
41.5.1
Die Zustellung des Pfändungsbeschlusses mit dem Zahlungsverbot beschränkt den
Drittschuldner zunächst in der Weise, dass er nur noch an den
Vollstreckungsgläubiger zahlen oder hinterlegen darf. Das Pfandrecht selbst
entsteht erst mit der Briefübergabe bzw. Eintragung in das Grundbuch, dann aber
dem Drittschuldner gegenüber rückwirkend zum Zeitpunkt der Zustellung (§ 41Abs. 2 VwVG NRW).
41.5.2
Drittschuldner ist sowohl der Vollstreckungsschuldner der gepfändeten
persönlichen Forderung als auch der Eigentümer des belasteten Grundstücks, wenn
er mit dem Vollstreckungsschuldner nicht personengleich ist. Beiden muss daher
zugestellt werden. Auch sonst entsteht bei einer Mehrheit von Drittschuldnern
das Pfandrecht gemäß § 41 Abs. 2 VwVG NRW rückwirkend nur im Verhältnis zu
denjenigen, denen der Pfändungsbeschluss zugestellt worden ist.
41.6
Ausnahmevorschriften nach Absatz 3
41.6.1
Nicht nach den Vorschriften des § 41 VwVG NRW, sondern wie allgemeine
Forderungen gemäß § 40 VwVG NRW sind zu pfänden:
a) Ansprüche auf rückständige Zinsen und rückständige andere Nebenleistungen
einer hypothekarisch gesicherten Hauptforderung (§ 1159 Abs. 1 BGB),
b) Ansprüche auf Erstattung von Kosten der Kündigung und der die Befriedigung
aus dem Grundstück
bezweckenden Rechtsverfolgung
(§§ 1118, 1159 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Diese Ansprüche können sowohl
mit der Hauptforderung als auch selbständig gepfändet werden. Der Übergabe des
Hypothekenbriefes bedarf es insoweit nicht. Die Zustellung der Pfändungsverfügung
an den Drittschuldner ist auch dann notwendig und ausreichend, wenn
gleichzeitig die Hauptforderung gemäß § 41 VwVG NRW durch Wegnahme des Briefes
gepfändet wird. Noch nicht fällige Zinsen sind dagegen nach § 41 VwVG NRW zu
pfänden.
41.6.2
Forderungen aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber, aus einem Wechsel
oder aus einem anderen indossablen Papier, die gemäß § 1187 BGB durch eine
Sicherungshypothek brieflos gesichert sind, werden nicht durch Eintragung im
Grundbuch, sondern nach § 42 VwVG NRW nur durch Wegnahme der Papiere gepfändet.
Einer Pfändungsverfügung bedarf es nicht.
42
Pfändung einer Wechselforderung (zu § 42)
42.1
Der Vollziehungsbeamte soll Wechsel und andere indossable Wertpapiere, bei
denen die Zahlungsfähigkeit des Verpflichteten und damit die Verwertbarkeit des
Papiers meist nicht ohne weiteres zu beurteilen ist, nur auf Grund eines
ausdrücklichen Auftrages der Vollstreckungsbehörde und nicht im Rahmen seines
allgemeinen Auftrages zur Pfändung beweglicher Sachen wegnehmen. Mit der
Wegnahme ist die Pfändung der in dem Papier verbrieften Forderung vollzogen;
eine Pfändungsverfügung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW wäre
unzulässig. Der Vollziehungsbeamte muss sich überzeugen, dass der
Vollstreckungsschuldner der legitimierte Inhaber des Papiers ist.
42.2
Die Vollstreckungsbehörde muss, wenn nicht ausnahmsweise eine andere Form der
Verwertung als die Einziehung in Frage kommt, nach der Wegnahme des Papiers
durch eine zuzustellende Verfügung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW
aussprechen, dass der Gläubiger die Forderung einziehen kann. Zum Zwecke der
Einziehung muss dann der Gläubiger dem Drittschuldner das Papier zusammen mit
der Einziehungsverfügung vorlegen (Nr. 44.1.3).
Bei Wechseln ist auf
rechtzeitige Vorlage und gegebenenfalls Protesterhebung zu achten, um
Schadensersatzforderungen des Vollstreckungsschuldners zu vermeiden. Der
Wechselprotest muss von einem Gerichtsvollzieher oder von einem Notar
aufgenommen werden (Art. 79 WG). Der Vollziehungsbeamte ist dazu nicht befugt.
43
Pfändung fortlaufender Bezüge (zu § 43)
43.1
Der Begriff „Gehalts- und ähnliche Forderungen“ deckt sich zunächst mit dem
Begriff „Arbeitseinkommen“ in § 850 ZPO. Darunter fallen aber auch Bezüge aus
Reallasten, Leibrenten (§ 759 BGB), Provisionsforderungen auf Grund eines dauernden
Anstellungsverhältnisses, Honoraransprüche der Ärzte (Zahnärzte) gegen die
Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung, ihre Bezüge auf Grund eines ständigen Vertragsverhältnisses
mit einer Krankenkasse, etwa als Vertrauensarzt (nicht dagegen Forderungen, die
sie durch ihre Tätigkeit von Fall zu Fall erwerben), und der Anspruch des
Kellners gegen den Gastwirt auf Herausgabe oder Überlassung des Bedienungsgeldes
(nicht dagegen das darüber hinaus eingenommene persönliche Trinkgeld).
43.2
Die Pfändung einer derartigen Forderung auf fortlaufende Bezüge, die als
Entgelt für geleistete Dienste gewährt werden, ergreift grundsätzlich auch die
künftig fällig werdenden Raten und neu entstehenden Ansprüche aus demselben
Rechtsverhältnis. Die Vollstreckungsbehörde muss, wenn sie diese Wirkung
ausschließen will, die Pfändung in ihrer Verfügung gemäß § 40 VwVG NRW
ausdrücklich auf einen oder mehrere Teilbeträge beschränken.
43.3
Zu beachten sind die erheblichen Pfändungsbeschränkungen, denen derartige
Forderungen regelmäßig unterworfen sind. Für bestimmte Forderungen ist aber
eine Absenkung der Pfändungsgrenzen möglich (siehe § 48 VwVG NRW).
43.4
Dauerpfändung (Vorauspfändung)
Der durch Gesetz vom 18. Dezember 2002 eingefügte § 43 Abs. 3 VwVG NRW schafft
die Möglichkeit der Dauerpfändung. Die Möglichkeit der Dauerpfändung - auch
Vorauspfändung genannt - begründet eine Ausnahme von § 6 Abs. 1 Nr. 2 VwVG NRW,
wonach Voraussetzung für die Vollstreckung die Fälligkeit der Leistung ist.
Die Dauerpfändung nach Absatz 3 setzt voraus, dass bei Erlass des Pfändungsbeschlusses
mindestens eine Rate fällig und noch nicht beglichen ist; denn dies stellt ein
Indiz für künftigen Zahlungsverzug dar. Außerdem muss wegen mindestens einer
rückständigen Rate gleichzeitig gepfändet werden.
Zugriffsgegenstand muss das Arbeitseinkommen des Vollstreckungsschuldners sein.
Pfändbare Sozialversicherungs- und Versorgungsrenten stehen dem gleich. Nicht
erfasst werden von der Dauerpfändung andere Einkünfte des
Vollstreckungsschuldners wie solche aus Vermietung oder Leibrente.
Die Wirkung der Dauerpfändung besteht darin, dass die Leistungspflicht des
Vollstreckungsschuldners zwar erst mit der Fälligkeit des Teilbetrages
entsteht, die Pfändung aber bereits im Voraus für die künftig fällig werdenden
Teilbeträge erfolgen kann. Es müssen nicht wegen jedem fälligen Teilbetrag
erneut die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, um die Pfändung betreiben
zu können. Gemäß Absatz 3 Satz 2 wird die Pfändung der weiteren fälligen
Leistungen jeweils am Tage nach der Fälligkeit der Leistung kraft Gesetzes
wirksam.
43.5
Erstreckung der Pfändung auf neues Arbeitseinkommen
Durch den zugleich mit § 43 Abs. 3 eingefügten § 43 Abs. 4 VwVG NRW erstreckt
sich die Pfändung von Dienst- oder Arbeitseinkommen auch auf Bezüge aus einem
nach Beendigung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses zwischen
Vollstreckungsschuldner und Drittschuldner innerhalb von neun Monaten neu
begründeten Arbeitsverhältnis. Dies entspricht § 833 Abs. 2 ZPO.
Unerheblich ist, aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis unterbrochen worden
ist. Die Regelung gilt somit nicht nur für saisonbedingte Unterbrechungen
(vorübergehende Entlassung wie im Baugewerbe, in Gaststätten-, Fremdenverkehrs-
und Ferienbetrieben, Einzelhandel), sondern auch für Unterbrechungen aus anderen
Gründen wie Arbeitsmangel, zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe oder
Unterbrechungen mit dem Ziel, die Pfändung zu lösen.
44
Einziehung der Forderung - Herausgabe der Urkunden (zu § 44)
44.1
Einziehung der Forderung
44.1.1
Wenn die in § 40 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW vorgesehene Erklärung, dass der
Gläubiger die Forderung einziehen kann, nicht schon in die Pfändungsverfügung
aufgenommen wird (vgl. Nr. 40.2.2 Ziff. 6, Nr. 40.2.7), kann sie auch gesondert ausgesprochen werden.
Sie muss jedoch auch in diesem Falle dem Drittschuldner zugestellt werden.
44.1.2
Bei Pfändung einer Briefhypothek ersetzen Pfändung und Erklärung der
Einziehungsbefugnis die in § 1154 BGB vorgesehene Abtretungserklärung. Sie
berechtigen zur Einziehung der Forderung jedoch erst dann, wenn die Pfändung
durch Aushändigung oder Wegnahme des Hypothekenbriefes wirksam geworden ist.
44.1.3
Bei Wechseln und anderen indossablen Papieren (§ 42 VwVG NRW) ersetzt die
Erklärung der Einziehungsbefugnis nicht das Indossament des Vollstreckungsschuldners
gemäß Art. 11 WG, sondern nur ein so genanntes Vollmachtsindossament i. S. d.
Art. 18 WG. Der Gläubiger kann das Papier nicht weiter indossieren. Er muss
vielmehr die Forderung einziehen und das Papier zu diesem Zweck dem
Drittschuldner zusammen mit der Einziehungsverfügung vorlegen; diese kann auf
das Papier gesetzt werden. Auf rechtzeitige Vorlage der Wechsel und ggf.
Protesterhebung ist zu achten (vgl. Nr. 42.2 Abs. 2).
44.1.4
Die Rechte und Pflichten des Gläubigers auf Grund der Erklärung über die
Einziehungsbefugnis ergeben sich im Übrigen aus den Ausführungen unter Nr.
40.3.1.
44.2
Hilfspflichten des Vollstreckungsschuldners
44.2.1
Nach § 44 Abs. 2 VwVG NRW ist der Vollstreckungsschuldner verpflichtet, die zur
Geltendmachung der gepfändeten Forderung nötige Auskunft zu erteilen und die
über die Forderung vorhandenen Urkunden an die Vollstreckungsbehörde
herauszugeben. Hierzu gehören nicht nur die über eine Forderung ausgestellten
Schuldscheine, die ohnehin im Eigentum des Vollstreckungsschuldners stehen (§
952 Abs. 1 Satz1 BGB) und an denen mit wirksamer Pfändung der Geldforderung
zugleich ein Pfandrecht entstanden ist (§ 952 Abs. 2 Satz 1 BGB),
Beispiele:
- GmbH-Anteilsscheine,
- Schuldscheine,
- Sparkassenbücher,
- Grundpfandrechtsbriefe,
- Versicherungsscheine,
sondern auch alle anderen Urkunden, die die Vollstreckungsbehörde benötigt, um
die Forderung gegen den Drittschuldner geltend zu machen.
Beispiele:
- Notarielle Urkunden,
- Pfandscheine,
- Schriftwechsel etc.
Unumgänglich ist es, den
Vollstreckungsschuldner zur Herausgabe der erforderlichen Urkunden
aufzufordern. Diese Aufforderung ergeht entweder bereits im Rahmen der
Übersendung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung oder – hiervon getrennt –
in einem eigenen Anschreiben. Die Vollstreckungsbehörde kann die Herausgabe
nach § 60 VwVG NRW durch Zwangsgeld und schließlich nach § 61 VwVG NRW durch
Ersatzzwangshaft erzwingen oder die Urkunden durch den Vollziehungsbeamten oder
Gerichtsvollzieher wegnehmen lassen.
Regelmäßig ist dem Vollziehungsbeamten oder Gerichtsvollzieher ein
Wegnahmeauftrag zu erteilen, weil dies die sicherste und einfachste Handhabe
ist, in den Besitz der Urkunden zu gelangen.
Werden die zur Geltendmachung der Forderung erforderlichen Urkunden bei dem
Vollstreckungsschuldner nicht vorgefunden, ist das Verfahren zur Abgabe der
eidesstattlichen Versicherung nach § 5 a VwVG NRW zu betreiben.
Nimmt die Vollstreckungsbehörde die eidesstattliche Versicherung ab, regelt
Absatz 2 ferner, dass die Vollstreckungsbehörde die eidesstattliche
Versicherung nach Lage der Sache entsprechend ergänzen kann. Damit ist gemeint,
dass die Vollstreckungsbehörde den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung
einer geänderten Sachlage anpassen kann.
44.2.2
Behauptet der Vollstreckungsschuldner, ein Dritter sei im Besitz der Urkunden,
sollte der Herausgabeanspruch zunächst gepfändet werden. Ist der Dritte nicht
zur Herausgabe bereit, kann die Vollstreckungsbehörde die Herausgabeklage vor
dem ordentlichen Gericht erheben (§ 44 Abs. 4 VwVG NRW).
45
Erklärungspflicht des Drittschuldners (zu § 45)
45.1
Allgemeines zur Drittschuldnererklärung
Der Drittschuldner hat auf Verlangen der Vollstreckungsbehörde die
Drittschuldnererklärung binnen zwei Wochen (§ 45 Abs. 1 VwVG NRW) ab Zustellung
der Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung abzugeben. Der
Drittschuldner kann, je nachdem, ob die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung
(§ 45 Abs. 2 Satz 1 VwVG NRW) ihm mit der Pfändungsverfügung zugegangen oder
gesondert zugestellt worden ist, seine Erklärung abgeben
a) mündlich zu Protokoll gegenüber dem Vollziehungsbeamten, wenn dieser ihm die
Aufforderung persönlich zustellt,
b) schriftlich oder mündlich zu Protokoll gegenüber der Vollstreckungsbehörde,
c) gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger unmittelbar.
45.1.1
Erkennt der Drittschuldner die Forderung nicht an, so muss er keinen Grund
dafür angeben. Zu Auskünften hierüber ist der Vollstreckungsschuldner
verpflichtet.
Ist die Forderung bereits für andere Personen gepfändet, so muss der Drittschuldner
die anderen Personen benennen und ihre Ansprüche nach Grund und Höhe angeben.
Mit diesen Auskünften verstößt der Drittschuldner nicht gegen
Verschwiegenheitspflichten i. S. d. § 203 StGB. Die Auskunftspflicht geht auch
dem Bankgeheimnis vor.
45.1.2
Erklärungen des Drittschuldners auf die Frage, ob und inwieweit er die
Forderung des Vollstreckungsschuldners gegen ihn als begründet anerkennt und
bereit sei zu zahlen, sind weder Anerkenntnis i. S. v. § 787 BGB noch
deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Es sind Wissenserklärungen, die der
Drittschuldner ohne Rechtsnachteil auch berichtigen kann.
45.2
Wird die Drittschuldnererklärung nicht fristgerecht abgegeben, so kann neben
der bislang üblichen Drittschuldnerklage nun die Abgabe der Drittschuldnererklärung
durch ein Zwangsgeld erzwungen werden (vgl. auch § 316 Abs. 2 Satz 3 AO).
Bereits die Androhung eines Zwangsgeldes gegenüber dem Drittschuldner ist ein
taugliches Druckmittel, um diesen zu bewegen, die notwendigen Angaben im Sinne
des § 45 VwVG NRW zu machen. Wenn dieses Druckmittel Erfolg hat, entfallen für
die Vollstreckungsbehörde die Drittschuldnerklage und die damit verbundene
schwierige Aufgabe, beweiskräftige Unterlagen zu sammeln. Auf diese Weise kann
das Vollstreckungsverfahren beschleunigt und effektiver gestaltet werden.
Das Zwangsgeldverfahren kommt nicht nur bei der Nichtabgabe der
Drittschuldnererklärung in Betracht. Es kann auch zur Anwendung kommen, wenn
der Drittschuldner unter Fristsetzung aufgefordert wird, die unvollständige
Drittschuldnererklärung zu ergänzen und er dieser Aufforderung nicht
fristgerecht nachkommt.
45.3
Einwendungen des Drittschuldners
Erkennt der Drittschuldner die Forderung nicht an, weil die Forderung des
Vollstreckungsschuldners an den Gläubiger gezahlt, ausgesetzt, gestundet oder
aus sonstigen Gründen nicht vollstreckbar sei, so ist er darauf hinzuweisen,
dass sich seine Auskunftspflicht lediglich auf die Forderung des
Vollstreckungsschuldners gegen ihn beziehe und er mit Einwendungen gegen den
Bestand und die Höhe der öffentlich-rechtlichen Forderung nicht gehört werden
könne. Der Drittschuldner kann also nur geltend machen, der Anspruch des
Vollstreckungsschuldners gegen ihn sei nicht entstanden, bereits durch
Erfüllung erloschen o. ä. oder stehe auf Grund einer Abtretung einem Dritten
zu.
Unberührt bleibt das Recht des Drittschuldners, Einwendungen im Wege des
Einspruchs zu verfolgen, soweit er selbst von der Pfändung betroffen ist. Er
kann auch einwenden, der Anspruch des Vollstreckungsschuldners gegen ihn sei
unpfändbar oder nach §§ 850 a, 850 c, 850 e ZPO nur eingeschränkt pfändbar.
Wird in der Drittschuldnererklärung eines Kreditinstituts eingewandt, es
bestehe kein pfändbares Guthaben, die Pfändung werde aber für den nächsten
Rechnungsabschluss vorgemerkt oder es seien eigene Ansprüche wegen eines
vertraglich bestehenden Pfandrechts vorrangig zu berücksichtigen, so sollte
geprüft werden, ob diese Erklärung auf einer zutreffenden Rechtsauffassung
beruht. Zur Prüfung kann die Vollstreckungsbehörde nach § 5 a VwVG NRW i. V. m.
§ 93 AO vom Vollstreckungsschuldner – bei Erfolglosigkeit vom Drittschuldner –
die Kopie des Kontoauszuges vom Tage des Zugangs der Pfändungsverfügung sowie
die die Geschäftsbeziehung betreffenden Unterlagen (Kreditverträge, Vereinbarungen
über die Gestellung von Sicherheiten) anfordern. Dass § 45 VwVG NRW vom
Drittschuldner nur die Erklärung verlangt, nicht aber den Nachweis, steht dem
nicht entgegen.
Behauptet das Kreditinstitut vorrangig bestehende Ansprüche, so hat es sie auf
Verlangen der Vollstreckungsbehörde näher darzulegen. Macht es
Kreditrückzahlungsansprüche geltend, so ist dies zu beanstanden, wenn sie bei
Zugang der Pfändungsverfügung nicht fällig waren. Fälligkeit setzt in der Regel
voraus, dass der Kredit gekündigt ist (§ 609 BGB). Verweigert das
Kreditinstitut unter Hinweis auf das Bankgeheimnis seine Mitwirkung, kann die
Mitwirkung nach § 5 a VwVG NRW i. V. m. § 93 AO i. V. m. §§ 55 ff. VwVG NRW
erzwungen werden.
45.4
Haftung des Drittschuldners
Erklärt sich der Drittschuldner nicht i. S. d. § 45 Abs. 1 VwVG NRW, so kann
dies nicht als stillschweigende Erklärung über den Bestand der Forderung
gedeutet werden.
-
Der Drittschuldner haftet der Vollstreckungsbehörde bei unrichtiger,
verspäteter oder unvollständiger Drittschuldnererklärung gemäß § 45 Abs. 2 VwVG
NRW auch ohne Verschulden auf Schadenersatz.
- Der Drittschuldner haftet nur, wenn die Unrichtigkeit, Verspätung oder
Unvollständigkeit der Erklärung der Grund für einen Schaden ist. Der Schaden
besteht zunächst in den Kosten eines unnütz geführten Prozesses gegen den
Drittschuldner. Er kann sich zudem daraus ergeben, dass die
Vollstreckungsbehörde von einer tatsächlich aussichtsreichen weiteren Verfolgung
seiner durch die Pfändungsverfügung erlangten Ansprüche und Rechte abgesehen
hat, nur weil es sie – durch das Verhalten des Drittschuldners irregeführt –
für aussichtslos hielt. Letztlich kann der Schaden darauf beruhen, dass sie im
Hinblick auf die Forderungspfändung von anderen Erfolg versprechenden
Vollstreckungsmaßnahmen wegen § 21 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW abgesehen hat.
45.5
Durch § 45 Abs. 3 VwVG NRW wird für alle Fälle der Forderungspfändung
klargestellt, dass der Gläubiger
a) dem Vollstreckungsschuldner den Streit verkünden muss, wenn er die Forderung
gegen den Drittschuldner einklagt, es sei denn, dass eine Zustellung im Ausland
oder eine öffentliche Zustellung notwendig wäre (§ 841 ZPO);
b) dem Vollstreckungsschuldner für den entstehenden Schaden haftet, wenn er mit
der Beitreibung einer ihm zur Einziehung überwiesenen Forderung schuldhaft
zögert (§ 842 ZPO);
c) auf die durch Pfändung und Einziehungsbefugnis erworbenen Rechte unbeschadet
seines Anspruches gegenüber dem Vollstreckungsschuldner durch eine diesem und
dem Drittschuldner zuzustellende Erklärung verzichten kann (§ 843 ZPO).
45.6
Kostenerstattung für die Abgabe der Drittschuldnererklärung
Die mit der Erstellung und Abgabe einer Drittschuldnererklärung entstehenden
Kosten (z.B. Rechtsanwaltskosten) sind nicht erstattungsfähig (Urteil BVerwG v.
8.12.1993 – 8 C 43/91). Der Drittschuldner kann die Erstattung der Kosten durch
die Vollstreckungsbehörde nicht verlangen.
46
Andere Arten der Verwertung (zu § 46)
46.1
Die Anordnung steht im freien Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Die Beteiligten
haben keinen Anspruch darauf, können aber zweckdienliche Anregungen geben.
46.2
Als anderweitige Verwertung von Forderungen - anstelle der üblichen Einziehung
- kommt namentlich der freihändige Verkauf, bei Wechseln auch Diskontierung,
kaum einmal die Versteigerung in Frage. Für den freihändigen Verkauf von Hypothekenforderungen
gelten die §§ 873, 1154 BGB mit der Maßgabe, dass die schriftliche
Abtretungserklärung des Vollstreckungsschuldners durch die Anordnung der
Vollstreckungsbehörde ersetzt wird (§ 46 Satz 2 VwVG NRW). Dadurch wird der
gutgläubige Erwerb nach §§ 892, 1138 BGB möglich.
47
Ansprüche auf Herausgabe oder Leistung von Sachen (zu § 47)
47.1
Soll ein dinglicher oder persönlicher Anspruch des Vollstreckungsschuldners auf
Herausgabe bestimmter - auch unbeweglicher - oder auf Leistung vertretbarer
Sachen gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde in der
Pfändungsverfügung anzuordnen, das der Drittschuldner nach Eintritt der
Fälligkeit
a) bewegliche Sachen an den beauftragten Vollziehungsbeamten,
b) unbewegliche Sachen an einen vom Amtsgericht zu bestellenden Treuhänder
herauszugeben (aufzulassen) hat.
Gleichzeitig hat die
Vollstreckungsbehörde
- im Falle des Buchstaben a den Vollziehungsbeamten mit der Empfangnahme der
Sache zu beauftragen;
- im Falle des Buchstaben b bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk das
Grundstück gelegen ist, unter Beifügung einer Ausfertigung der vorbereiteten
Pfändungsverfügung die Bestellung eines Treuhänders zu beantragen. Hierfür kann
sie geeignete Personen selbst vorschlagen. Den Beschluss, durch den das
Amtsgericht den Treuhänder bestellt, lässt die Vollstreckungsbehörde dem
Drittschuldner und dem Vollstreckungsschuldner zustellen, zweckmäßigerweise
gemeinsam mit der Pfändungsverfügung.
47.2
Der Vollziehungsbeamte ist nicht befugt, im Weigerungsfalle dem Drittschuldner
die Sache wegzunehmen. Er hat die Weigerung des Drittschuldners lediglich zu beurkunden
und der Vollstreckungsbehörde anzuzeigen. Den Herausgabeanspruch muss der
Gläubiger dann außerhalb des Verwaltungszwangsverfahrens durchsetzen.
47.3
Mit der Herausgabe der Sache an den Vollziehungsbeamten erwirbt der Gläubiger
kraft Gesetzes ohne weitere Pfändung an Stelle des bisherigen Pfandrechts am
Herausgabeanspruch ein Pfandrecht an der Sache selbst, das ihn zur Verwertung
berechtigt (§ 47 Abs. 2 Satz 2).
47.4
Verweigert im Falle des § 47 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW der Drittschuldner die
Auflassung, muss die Vollstreckungsbehörde aus dem Recht des
Vollstreckungsschuldners dessen Anspruch auf Auflassung an den Treuhänder als
seinen Vertreter gerichtlich geltend machen.
48
Pfändungsschutz (zu § 48)
48.1
Pfändungsschutz für Dienst- und Arbeitseinkommen
Die Vollstreckungsbehörde hat vor der Pfändung laufender Einkünfte (§ 43 VwVG NRW), vor allem der Gehälter und Ruhegehälter der Beamten, der
Angestelltenbezüge und der Lohnbezüge der Arbeiter, der Krankengeldzuschüsse
des Arbeitgebers, der Renten und der sonstigen Vergütungen im Zusammenhang mit
einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis stets zu prüfen, ob und wieweit diese
Bezüge gemäß §§ 850 bis 850 k ZPO überhaupt gepfändet werden dürfen.
48.2
Beschränkung in besonderen Fällen
Während § 850 i Abs. 4 ZPO die Bestimmungen der Versicherungs-, Versorgungs-
und sonstigen gesetzlichen Vorschriften über die Pfändung von Ansprüchen
bestimmter Art ausdrücklich unberührt lässt, verbietet § 851 ZPO grundsätzlich
die Pfändung nicht übertragbarer Forderungen.
48.2.1
Demgemäß
sind u. a. ganz oder teilweise unpfändbar:
a) die unübertragbaren Ansprüche der Gesellschafter aus dem
Gesellschaftsverhältnis gegeneinander nach § 717 BGB,
b) der Anspruch aus der Versicherung gemäß § 15 des Gesetzes über den
Versicherungsvertrag,
c) die Entgeltansprüche der Heimarbeiter gemäß § 27 HAG i. V. m. § 851 i Abs. 3
ZPO,
d) Sozialleistungsansprüche nach den §§ 53 bis 55 SGB I (vgl. auch Nr. 40.4.4),
e) Kapitalabfindung nach § 78 BVG,
f) Ausgleichsleistungen, d.h. Hauptentschädigung, Kriegsschadenrente und
Hausratsentschädigung, nach §§ 244, 262, 294 Abs. 4 LAG,
g) folgende Wiedergutmachungsansprüche nach dem BEG:
aa) vor und nach Festsetzung oder rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung
der Anspruch auf laufende Rente (§§ 26 Abs. 1, 39 Abs. 1, 41, 140 Abs. 2, 151,
158, 159, 161, 163 Abs. 2 BEG), der Anspruch der Witwe oder des Witwers auf
Abfindung (§ 26 Abs. 1 BEG), die Ansprüche auf Darlehen und Ausbildungsbeihilfe
(§ 140 Abs. 5 i. V. m. §§ 69 ff., 90, 117 und 116, 119 BEG), der Anspruch auf Heilverfahren (§
30 BEG), der Anspruch auf
Umschulungsbeihilfe (§ 40 BEG),
bb) vor Festsetzung oder rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung der
Anspruch auf Entschädigung für Schaden an Freiheit (§§ 46 Abs. 1, 50, 152, 162
BEG), der Anspruch auf Ersatz für die fehlende Ausbildung (§§ 118 Abs. 1, 140
Abs. 4 BEG), der Anspruch auf rückständige Rentenbeträge und
Kapitalentschädigung des Hinterbliebenen eines Staatenlosen oder eines
politischen Flüchtlings (§ 163 Abs. 2 BEG), der Anspruch auf Soforthilfe (§ 141
Abs. 3 BEG),
h) Ansprüche auf Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz - § 4 Abs. 1
BSHG.
48.2.2
Bei der Pfändung von Miet- und Pachtzinsforderungen hat die Vollstreckungsbehörde
außer den §§ 1123 Abs. 2 Satz 2 und 1124 BGB besonders die Schutzvorschrift des
§ 851 b ZPO und die Bestimmungen des MietPfG - eingeschränkt durch § 115 LAG -
zu berücksichtigen. Welche Ansprüche im Falle der Zwangsvollstreckung in das
Grundstück dem Anspruch des Gläubigers vorgehen würden (§ 851 b Abs.1 ZPO aE), hängt davon ab, in welcher Rangklasse
gemäß § 10 ZVG die Gläubigerforderung zu berücksichtigen sein würde.
48.3
Absenkung der Pfändungsgrenzen
§ 48 Abs. 1 Satz 3 sieht vor, dass die Vollstreckungsbehörde bei der
Vollstreckung wegen eines Zwangsgeldes, Bußgeldes, Ordnungsgeldes oder wegen
einer Nutzungsentschädigung wegen Obdachlosigkeit über eine Absenkung des nach
§ 850 c ZPO unpfändbaren Betrages (Pfändungsgrenze) entscheidet. Die
Entscheidung, ob in den vorgenannten Fällen abgesenkt wird und welcher Betrag
dem Vollstreckungsschuldner zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes und
der Unterhaltspflichten verbleiben muss, liegt ausschließlich in der Zuständigkeit
der Vollstreckungsbehörde (vgl. Urteil BFH VII R 113/94 zur Zuständigkeit der
Vollstreckungsbehörde). Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der
Hauptforderung und sind bei der Absenkung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend
zu berücksichtigen. Die Absenkung der Pfändungsfreigrenze erfolgt mit der
Pfändungsverfügung oder, falls zunächst eine Pfändungsverfügung ohne Absenkung
der Pfändungsfreigrenze ergangen ist, durch Abänderung der Pfändungsverfügung.
In jedem Fall ist die Absenkung der Pfändungsfreigrenzen dem
Vollstreckungsschuldner bekannt zu geben. Von einer vorherigen Anhörung nach §
28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW kann abgesehen werden.
Dem Vollstreckungsschuldner ist soviel zu belassen, wie er für seinen
notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen
Unterhaltsverpflichtungen bedarf.
Eine Zugrundelegung der Sozialhilfesätze ist zulässig. Bei der Berechnung ist
darauf zu achten, dass durch die Absenkung der Pfändungsfreigrenzen kein
Anspruch auf Sozialhilfeleistungen entsteht.
Für den Mietbedarf wird auf die Sätze des Wohngeldgesetzes oder des
ortsüblichen Mietspiegels abgestellt. Dabei kann zunächst eine
durchschnittliche ortsübliche Miete für eine angemessene Wohnung berücksichtigt
werden. Stets sind daneben die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten, die
auch zur Berücksichtigung weiterer Aufwendungen, etwa außergewöhnlicher
Krankheitskosten, führen können. Entsprechende Einwendungen des Vollstreckungsschuldners
sind insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn zuvor auf eine Anhörung
verzichtet wurde.
Als Vollstreckungsmaßnahme ist die Entscheidung über die Absenkung nach deren
Bekanntgabe an den Vollstreckungsschuldner sofort vollziehbar. Einem Widerspruch
des Vollstreckungsschuldners kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Derartige
Pfändungen können auch mit der Dauerpfändung nach § 43 Abs. 1 VwVG NRW
verbunden werden.
49
Mehrfache Pfändung (zu § 49)
Die entsprechend anzuwendenden
Bestimmungen der ZPO sehen grundsätzlich vor, dass der Drittschuldner im Falle
mehrfacher Pfändung einer gegen ihn gerichteten Forderung berechtigt und auf
Verlangen eines beteiligten Gläubigers verpflichtet ist, mit befreiender
Wirkung
a) einen geschuldeten Geldbetrag bei einem bestimmten Amtsgericht zu
hinterlegen,
b) eine herauszugebende bewegliche Sache einem ermächtigten Vollziehungsbeamten
auszuhändigen,
c) eine herauszugebende unbewegliche Sache einem Treuhänder (Sequester) zu
übergeben.
Die Kosten der Hinterlegung und
die Entschädigung des Treuhänders (Sequesters) gehören zu den Vollstreckungskosten.
50
Vollstreckung in andere Vermögensrechte (zu § 50)
50.1
Rechte, die weder als grundstücksgleiche Rechte nach § 51 VwVG NRW, noch als
Geldforderungen nach den §§ 40 - 46 VwVG NRW oder als Sachforderungen nach § 47
VwVG NRW gepfändet und verwertet werden können, sind nach § 50 VwVG NRW zu
pfänden.
50.2
Pfändbare Rechte im Sinne des § 50 sind u. a.:
a) Anteilsrechte, z.B. Gesellschafts- und Gewinnanteile an einer Gesellschaft
des bürgerlichen Rechts (§§ 718, 725 BGB), einer offenen Handelsgesellschaft,
einer Kommanditgesellschaft und einer stillen Gesellschaft (§ 105 Abs. 2 i. V.
m. §§ 135, 161 Abs. 2, 339 HGB), Anteile am Vermögen eines nicht rechtsfähigen
Vereins (§ 54 BGB), Geschäftsanteile bei einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft
(§ 66 GenG), Geschäftsanteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung,
auch wenn die Veräußerung nur mit Genehmigung der Gesellschaft zulässig ist (§
15 Abs. 5 GmbHG), ferner der Anteil des Miterben am Nachlass insgesamt (§ 2033
BGB, § 859 Abs. 2 ZPO). Drittschuldner ist jeweils die Gesellschaft,
Genossenschaft usw. selbst, oder es sind die übrigen Gesellschafter (vgl. § 730
BGB);
b) gewerbliche Urheberrechte, z.B. Patente und Gebrauchsmuster.
Dagegen kann in künstlerische Urheberrechte nur mit Einwilligung des Urhebers
vollstreckt werden;
c) das Nacherbenrecht (§§ 2100 ff. BGB) vor Eintritt der Nacherbfolge als Recht
auf den Nachlass als Ganzes oder, bei einer Mehrheit von Nacherben, auf den
Anteil. Zustellung an den Nacherben als Vollstreckungsschuldner genügt (§ 50
Abs. 2 VwVG NRW);
d) der Nießbrauch (§ 1059 BGB) und andere Nutzungsrechte gemäß § 50 Abs. 3 und 4 VwVG NRW;
e) Eigentümergrundschulden. Hier fehlt ein Drittschuldner, es genügt das Gebot
an den Vollstreckungsschuldner, sich jeder Verfügung über die Grundschuld zu
enthalten;
f) Reallasten, Grund- und Rentenschulden, die nach § 50 Abs. 6 VwVG NRW wie
Hypotheken zu pfänden sind;
g) Rechte auf Leistungen aus Werkverträgen.
50.3
Die Vollstreckungsbehörde hat in diesen Fällen den Wortlaut der Pfändungsverfügung
der jeweiligen Rechts- und Sachlage anzupassen, insbesondere wenn es an einem
Drittschuldner fehlt. In Zweifelsfällen empfiehlt sich die Zustellung an jeden,
der als Drittschuldner in Betracht kommen könnte. Neben dem Ausspruch der
Einziehungsbefugnis kann auch die Anordnung einer Verpachtung oder Verwaltung
oder sonstigen Nutzung des Rechts oder seine Veräußerung in Frage kommen. Die
Vollstreckungsbehörde hat die besonderen Pfändungsbeschränkungen der §§ 858 bis
860 und 863 ZPO zu beachten.
Dritter Unterabschnitt:
Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen
51
Verfahren (zu § 51)
51.1
Unbewegliches Vermögen
Der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen nicht nur
Grundstücke mit ihren wesentlichen Bestandteilen, sondern auch
grundstücksgleiche Rechte, z.B. das Erbbaurecht, Erbpachtrecht,
Bergwerkseigentum, Wohnungseigentum, Realgewerbeberechtigungen und andere
Miteigentumsanteile nach Bruchteilen, registrierte Schiffe, unter gewissen
Voraussetzungen auch die Gegenstände, auf die sich die Hypothek erstreckt (§§
1147, 1192, 1199 BGB, § 865 ZPO).
51.2
Anträge der Vollstreckungsbehörde
51.2.1
Die Vollstreckungsbehörde prüft, ggf. nach Rücksprache mit dem Gläubiger, ob
Veranlassung besteht, die beizutreibende Forderung durch Eintragung einer
Zwangshypothek zu sichern, oder ob, nachdem feststeht, dass die einzuziehende
Geldforderung durch Pfändung nicht beizutreiben ist, Zwangsversteigerung oder
Zwangsverwaltung beantragt werden soll.
Maßgebend wird die Erwägung sein, welche dieser Maßnahmen unter angemessener
Schonung des Vollstreckungsschuldners am raschesten zur Befriedigung führen
wird. Vor allem ist darauf abzustellen, ob die Zwangsverwaltung und die
Zwangsversteigerung, wirtschaftlich gesehen, Erfolg versprechen. Dies hängt u.
a. davon ab, welchen Rang die beizutreibende Forderung innehat (Rangklassen des
ZVG), welcher Wert dem Grundstück zukommt, welche Nutzung noch möglich ist und
in welchem baulichen Zustand sich das Pfandobjekt befindet. Maßnahmen, die
lediglich zu einem Verlust des Eigentums eines Vollstreckungsschuldners an
seinem Grundbesitz oder zu hohen Zwangsverwaltungskosten führen, ohne dass die
Forderungen der öffentlichen Hand beglichen werden, sind zu vermeiden. Denn die
Zwangsvollstreckung würde in diesen Fällen wie eine unzulässige Strafmaßnahme
wirken. Wirtschaftlicher ist es, derartige Verluste des
Vollstreckungsschuldners nicht herbeizuführen, sondern ihn in die Lage zu
versetzen, seine Verpflichtungen zu einem späteren Zeitpunkt zu erfüllen.
Betreibt schon ein anderer Gläubiger die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung
des Grundstückes, so hat die Vollstreckungsbehörde zu prüfen, ob die Anmeldung
der Forderung, insbesondere bei öffentlichen Lasten, geboten (vgl. §§ 37 Nr. 4,
110 ZVG) oder ob der Beitritt zum Verfahren zu beantragen ist (§§ 27, 146 ZVG).
51.2.2
Die notwendigen Anträge beim Vollstreckungsgericht oder beim Grundbuchamt
stellt nicht der Gläubiger selbst, sondern die für ihn zuständige
Vollstreckungsbehörde. Es ist nicht nötig, wohl aber manchmal zweckmäßig, die
entsprechende Behörde am Sitz des Amtsgerichts oder Grundbuchamts darum zu
ersuchen.
51.2.3
Hinsichtlich der Vollstreckbarkeit der Forderung genügt die Versicherung der
Vollstreckungsbehörde. Die Zulässigkeit der Vollstreckung nach § 51 Abs. 2 und
3 VwVG NRW ist nachprüfbar und dem Gericht oder Grundbuchamt deshalb
nachzuweisen (vgl. auch Nr. 51.3.3).
51.3
Zwangshypothek
51.3.1
Der Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek muss jedes einzelne zu
belastende Grundstück übereinstimmend mit dem Grundbuch bezeichnen (§ 28 Satz 1
GBO) und den zu vollstreckenden Anspruch nach Rechtsgrund und Höhe genau
angeben. Zur vollständigen Angabe des Rechtsgrundes gehört bei laufenden
Abgaben auch die Angabe der Zeit, für welche die Abgabe gefordert wird, so dass
ein etwaiges Vorrecht nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG aus dem Antrag ohne weiteres
ersichtlich ist. Wegen der Abgrenzung der laufenden von den rückständigen
Beträgen wiederkehrender Leistungen siehe § 13 ZVG.
51.3.2
Wird bei Zwangsvollstreckung gegen einen Erben, einen Nachlasspfleger,
Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker die Eintragung einer
Sicherungshypothek auf ein Grundstück beantragt, das im Grundbuch auf den Namen
des Erblassers eingetragen ist, so ist die Erbfolge und ggf. die Bestellung zum
Nachlasspfleger (Nachlassverwalter) oder die Befugnis des
Testamentsvollstreckers, über das Grundstück zu verfügen, durch öffentliche
Urkunden nachzuweisen (§§ 29 Abs. 1, 35 GBO). Auf Urkunden, die bereits bei den
Akten des Amtsgerichts (Grundbuchamts) sind, kann im Vollstreckungsantrag Bezug
genommen werden. Im Übrigen hat die Vollstreckungsbehörde die Urkunden zu
beschaffen und mit dem Antrag vorzulegen.
Wie weit die Belastung eines auf den Namen des Erblassers eingetragenen
Grundstückes möglich ist, ohne dass noch gegen diesen zu Lebzeiten ein
Leistungsbescheid ergangen ist, und wie weit es in Fällen, in denen ein anderer
als der Vollstreckungsschuldner oder sein Erblasser als Eigentümer eingetragen
ist, zunächst einer Grundbuchberichtigung, evtl. einer Pfändung des
Berichtigungsanspruchs bedarf, richtet sich nach der Natur des zu sichernden
Anspruchs und nach den Vorschriften des § 894 BGB und der §§ 14, 22 Abs. 2, 29
Abs. 1 S. 2, 40 GBO (beachte auch § 147 Abs. 1 ZVG).
51.3.3
Der Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek setzt nicht, wie die beiden
anderen Anträge nach § 50 Abs. 2 VwVG NRW, voraus, dass die Geldforderung durch
Pfändung nicht beizutreiben ist. Er ist aber nur zulässig, wenn die Forderung
ohne Zinsen den Mindestbetrag von 750,00 Euro übersteigt (§ 866 Absatz 3 ZPO).
51.3.4
Eine aufschiebend bedingte Sicherungshypothek kann nach § 51 Abs. 1 Satz 3 VwVG
NRW für eine Forderung eingetragen werden, die als öffentliche Last auf dem
Grundstück ruht (Nr. 4.3.3.1) und
noch zur dritten Rangklasse i. S. d. § 10 ZVG gehört. Es muss sich also um rückständige
Beträge aus den letzten vier bzw. bei wiederkehrenden Leistungen aus den
letzten zwei Jahren handeln. In diesen Fällen hat die Vollstreckungsbehörde
beim Grundbuchamt zu beantragen, dass die Sicherungshypothek mit folgendem
Zusatz in das Grundbuch eingetragen wird:
„Die Hypothek ist dadurch aufschiebend bedingt, dass das der Forderung nach §
10 Abs. 1 Nr. 3 des ZVG zustehende Vorrecht wegfällt.“
Die Hypothek entsteht dann in dem Maße, in dem die einzelnen zu sichernden Beträge
länger als vier bzw. zwei Jahre rückständig werden, also jeweils mit Wegfall
des Vorrechts aus der dritten Rangklasse. Sie wird durch Tilgung in jedem
Zeitpunkt zur Eigentümergrundschuld.
51.4
Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung
51.4.1
Dem Antrag auf Zwangsversteigerung eines Grundstückes oder auf Zwangsverwaltung
(§§ 16 Abs. 1, 146 Abs. 1 ZVG) ist die nach § 17 ZVG erforderliche
Bescheinigung des Grundbuchamtes beizufügen, dass der Vollstreckungsschuldner
als Eigentümer eingetragen ist. Es genügt jedoch eine Bezugnahme auf das
Grundbuch, wenn das Vollstreckungsgericht zugleich Grundbuchamt ist.
51.4.2
Ist der Vollstreckungsschuldner Erbe des eingetragenen Eigentümers, so ist die
Erbfolge, sofern sie nicht bei dem Vollstreckungsgericht offenkundig ist, durch
Urkunden glaubhaft zu machen (§§ 17 Abs. 3, 146 Abs. 1 ZVG). Öffentlicher
Urkunden bedarf es in diesem Falle nicht; es genügt z.B. ein Privattestament.
Im Übrigen gelten die Bestimmungen in Nr. 51.3.2 entsprechend.
51.4.3
Die Subsidiarität von Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung nach dem neuen §
51 Abs. 2 VwVG NRW ist nunmehr als Sollbestimmung gefasst. Damit kann Fällen
Rechnung getragen werden, in denen die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen
den Vollstreckungsschuldner härter trifft als die Zwangsversteigerung. Der
Antrag auf Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung kann ohne vorherigen
Versuch der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen erfolgen, wenn konkrete
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dieser Versuch erfolglos verlaufen oder zu
einer unbilligen Härte führen wird. Es kommt nicht darauf an, dass die
Vollstreckung in das bewegliche Vermögen durchgeführt wurde. Die Vollstreckungsbehörde
entscheidet über die Vorgehensweise im Rahmen ihres Ermessens.
Auch wenn diese Vorschrift der Vollstreckungsbehörde einen größeren
Entscheidungsspielraum bei der Frage gewährt, ob alle Möglichkeiten der
Mobiliarvollstreckung ausgeschöpft sind oder bereits eine Zwangsversteigerung
oder -verwaltung beantragt werden kann, hat die Vollstreckungsbehörde auch
weiterhin den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
51.5
Sonderrechte für Kreditverbände
Durch § 51 Abs. 4 VwVG NRW wird sichergestellt, dass die Westdeutsche
Landesbank (Girozentrale) für gewisse Forderungen auch ohne vollstreckbaren
Titel die Zwangsversteigerung der von ihr beliehenen Grundstücke betreiben oder
dieselben in eigene Zwangsverwaltungen nehmen kann. Dieses Recht beruht auf dem
Gesetz betreffend die Zwangsvollstreckung aus Forderungen landwirtschaftlicher
Kreditanstalten vom 3. August 1897 (SGV. NRW. 760) i. V. m. der Satzung dieses
Kreditinstituts; es wird durch die Schutzbestimmung in Absatz 3 (Nr. 51.5)
nicht berührt.
Der Vorbehalt gilt auch zugunsten anderer Kreditinstitute, denen gleiche Rechte auf Grund des genannten Gesetzes von 1897 in Zukunft verliehen werden.
52
Zwangsvollstreckung gegen Rechtsnachfolger (zu § 52)
In Fällen, in denen eine
Sicherungshypothek im Zwangsverfahren gemäß § 51 VwVG NRW (vgl. Nr. 51.3)
eingetragen und das Grundstück dann veräußert worden ist, kann der Gläubiger
die Zwangsvollstreckung in das Grundstück unmittelbar gegen den Rechtsnachfolger
betreiben; dieser muss jedoch vorher in entsprechender Anwendung des § 10 VwVG
NRW gehört werden.
Vierter Unterabschnitt:
Sicherungsverfahren
53
Arrestverfahren (zu § 53)
53.1
Zuständigkeit
Nach § 53 Abs. 1 und 2 VwVG NRW kann sowohl das zuständige Amtsgericht als auch
die Vollstreckungsbehörde den Arrest anordnen. Die Entscheidung über die
Zuständigkeit trifft die Vollstreckungsbehörde.
53.2
Arrestschuldner
Arrestschuldner kann jeder künftige Vollstreckungsschuldner i. S. d. § 4 VwVG NRW
sein, also außer dem Vollstreckungsschuldner auch die Personen, die für die
Forderung haften oder verpflichtet sind, die Vollstreckung zu dulden.
Unerheblich ist dabei, ob der Vollstreckungsschuldner seinen Wohnsitz innerhalb
oder außerhalb der Bundesrepublik hat und ob es sich um eine natürliche oder
juristische Person handelt.
Falls die Vollstreckungsbehörde bei der Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern
ihr Auswahlermessen zutreffend ausübt, ist ein Arrest gegen einen der
Gesamtschuldner auch dann möglich, wenn daneben Schuldner vorhanden sind, bei
denen eine Gefährdung des Anspruchs nicht vorliegt. Ergehen Arrestanordnungen
gegen Gesamtschuldner, so ist jeweils auf das Arrestverfahren gegen den anderen
Schuldner und auf die dort bezeichnete Arrestsumme hinzuweisen. Dabei ist auch
anzugeben, dass Zahlungen und Hinterlegungen des anderen Arrestschuldners im
vorliegenden Verfahren berücksichtigt werden.
53.3
Voraussetzungen des Arrestes
Die Anordnung des Arrestes ist zulässig, wenn ein Arrestanspruch (Nr. 53.3.1)
und ein Arrestgrund (Nr. 53.3.2) vorliegen. Die Anordnung oder Beantragung des
Arrestes liegt im Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Nach Eintritt der
Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen ist die Anordnung des Arrestes unzulässig,
denn der Arrest gilt der Sicherung der künftigen Vollstreckung eines Anspruchs,
der zwar schon entstanden sein muss, aber wegen Fehlens unerlässlicher
Voraussetzungen (§ 6 VwVG NRW) noch nicht vollstreckt werden kann.
Falls ein Duldungsbescheid oder ein Haftungsbescheid gegen einen
Anfechtungsschuldner ergangen und eine im Bescheid gesetzte Frist noch nicht
abgelaufen oder wenn die Vollstreckung gemäß § 10 AnfG noch nicht zulässig ist
(vorläufiger Leistungsbescheid), kann gegen den Anfechtungsschuldner ein Arrest
angeordnet oder beantragt werden.
53.3.1
Arrestanspruch
Der Anspruch muss im Zwangsverfahren beitreibbar sein (§ 53 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW). Hierzu gehören neben Hauptforderungen und Nebenforderungen (vgl. auch §
324 i. V. m. § 3 AO) auch Ansprüche aus einem Haftungsbescheid.
In der Arrestanordnung oder im Antrag auf Erlass einer Arrestanordnung hat die
Vollstreckungsbehörde glaubhaft darzulegen, dass ein Anspruch i. S. d. § 53
Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW gegen den Schuldner zustehen wird. Für den Erlass einer
Arrestanordnung genügt bezüglich der zu sichernden Forderung eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit ihrer Entstehung.
Der Anspruch braucht zahlenmäßig noch nicht festzustehen (§ 53 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW). Unzulässig ist, einen Arrest zur Sicherung eines künftig möglicherweise
einmal entstehenden Anspruchs anzuordnen oder zu beantragen.
Der Arrest kann demnach hinsichtlich solcher Ansprüche angeordnet werden, bei
denen der den Anspruch auslösende Tatbestand bereits erfüllt ist, für das
Entstehen des Anspruchs allerdings noch der Ablauf eines Zeitraums abzuwarten
ist. Hierzu zählen:
- Leistungen die noch nicht fällig sind oder
- Leistungen bei denen die Schonfrist noch läuft oder
- Ansprüche, die zahlenmäßig noch nicht feststehen, sondern nur geschätzt
werden können.
53.3.2
Arrestgrund
Ein Arrestgrund besteht, wenn bei ruhiger und vernünftiger (objektiver)
Abwägung aller Umstände nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu befürchten ist,
dass ohne sofortige Sicherung des Anspruchs dessen Vollstreckung vereitelt oder
wesentlich erschwert wird (§ 53 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW). Eine auf die
Vereitelung oder Erschwerung gerichtete Absicht des Arrestschuldners ist nicht
erforderlich, es kommt nur auf den objektiven Sachverhalt an. Ausreichend und
genügend für die Annahme eines Arrestgrundes ist demnach – wie beim Arrestanspruch
– eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Arrestschuldner die Vollstreckung
vereiteln oder erschweren wird.
Als Arrestgründe können in Betracht kommen, und zwar je nach Lage des
Einzelfalles für sich allein oder mit anderen zusammen:
- Verbringung des wesentlichen Vermögens ins Ausland,
- Verschieben von Vermögen auf fremde Dritte,
- Verschleuderung von Vermögenswerten oder Übertragung auf nahe Angehörige
(beachte: Möglichkeiten nach dem Anfechtungsgesetz),
- beabsichtigte Belastung des einzigen noch zur Verfügung stehenden
Wertgegenstandes (z. B. Grundstück) bis zur Belastungsgrenze,
- ein späteres Leistungsgebot müsste im Ausland vollstreckt werden.
Folgende Umstände bilden nach
der Rechtsprechung für sich allein keinen Arrestgrund:
- Ausländische Staatsangehörigkeit
- Konkurrenz anderer Gläubiger
- Wahrung des besseren Ranges eines Pfändungsanspruchs.
53.3.3
Arrestgegenstand
Arrestgegenstand kann das bewegliche oder unbewegliche Vermögen des
Arrestschuldners sein. Regelmäßig ist der Arrest in das gesamte Vermögen des
Arrestschuldners anzuordnen, ohne dass einzelne Gegenstände bezeichnet werden.
53.3.4
Arrestanordnung; Antrag auf Arrestanordnung
Wird die Arrestanordnung von der Vollstreckungsbehörde erlassen, so gilt
Folgendes:
Die Arrestanordnung ist ein schriftlich zu erlassender Verwaltungsakt, der
berichtigt oder zurückgenommen werden kann. Die Anordnung ist nach § 53 Abs. 5
VwVG NRW aufzuheben, sobald nach ihrem Erlass Umstände bekannt werden, die sie
nicht mehr gerechtfertigt erscheinen lassen (Nr. 53.6). Dies ist beispielsweise
immer der Fall, wenn der Arrestanspruch entfällt oder der Arrestgrund nicht
mehr besteht. Obwohl die Vollstreckung nach erfolgreichem Vollzug der
Arrestanordnung oder nach Leistung der Hinterlegungssumme nicht mehr gefährdet
ist, darf die Arrestanordnung nicht aufgehoben werden, da sonst die
Rechtsgrundlage entfallen würde und die Vollstreckungsbehörde verpflichtet
wäre, die vollzogene Maßnahme aufzuheben oder die Hinterlegungssumme
zurückzuzahlen. Hat die Vollstreckungsbehörde die Arrestanordnung nicht
innerhalb der in § 53 Abs. 4 VwVG NRW bezeichneten Frist vollzogen, ist dem
Arrestschuldner mitzuteilen, dass die Arrestanordnung nicht mehr vollzogen
wird.
Für den Antrag beim Amtsgericht ist Folgendes zu beachten:
Sofern der Arrest durch das Amtsgericht angeordnet werden soll, hat der
Gläubiger (die Vollstreckungsbehörde) im Antrag an das Amtsgericht ausreichend
glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO), dass ein Anspruch entstanden ist, der
im Zwangsverfahren beitreibbar ist und dass in der Person des Arrestschuldners
ein ausreichender Arrestgrund vorliegt. Hierfür sind Tatsachen anzugeben; die
allgemeine Behauptung, dass eine Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung
zu befürchten sei, genügt nicht.
53.3.4.1
Inhalt der Arrestanordnung durch die Vollstreckungsbehörde
Die Arrestanordnung muss enthalten:
- Familienname, Vorname und Anschrift des Arrestschuldners,
- die Tatsachen, aus denen sich das Bestehen und die Höhe des Arrestanspruchs
ergeben (Angabe des Sachverhalts, eventuelle Berechnungen). Umfasst eine
Arrestanordnung mehrere Ansprüche, sind die Beträge einzeln anzugeben,
- die Tatsachen aus denen sich der Arrestgrund ergibt,
- den Ausspruch, dass zur Sicherung des Anspruchs der Arrest in das Vermögen
des Arrestsschuldners angeordnet wird. Die Arrestanordnung muss einen
bestimmten Geldbetrag (Arrestsumme) bezeichnen, bis zu dessen Höhe der Arrest
vollzogen werden kann. Ein Leistungsgebot darf in der Arrestanordnung nicht
aufgenommen werden,
- die Höhe des Geldbetrages, bei dessen Hinterlegung die Vollziehung des
Arrestes gehemmt und der vollzogene Arrest aufzuheben ist (Hinterlegungssumme).
Die Hinterlegungssumme ist (ebenso wie die Arrestsumme) so zu bemessen, dass
Hauptanspruch und Nebenleistungen gedeckt sind,
- eine Rechtsbehelfsbelehrung.
53.3.4.2
Bekanntgabe der Arrestanordnung
Die Arrestanordnung ist dem Arrestschuldner zuzustellen (§ 53 Abs. 3 VwVG NRW).
Die Zustellung vor Vollziehung des Arrestes kommt grundsätzlich nicht in
Betracht, weil dann dem Arrestschuldner die Möglichkeit eröffnet wird, die
Vollziehung zu vereiteln. In der Regel ist die Arrestanordnung bei Beginn der
Vollziehung durch den Vollziehungsbeamten oder Gerichtsvollzieher gegen
Empfangsbekenntnis zuzustellen. Der mögliche Einwand des Arrestschuldners, es
sei ihm kein rechtliches Gehör gewährt worden, ist unbegründet. Rechtliches
Gehör ist erst im Rechtsbehelfsverfahren einzuräumen, weil andernfalls der
Vollstreckungserfolg gefährdet ist.
53.3.5
Rechtsbehelfe
Gegen die Anordnung des Arrestes kann der Arrestschuldner Widerspruch nach den
§§ 68 ff. VwGO einlegen, wenn die Arrestanordnung durch die
Vollstreckungsbehörde ergangen ist. Ist die Arrestanordnung durch das
Amtsgericht ergangen, so ist der Widerspruch nach § 924 ZPO zulässig.
Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung, kann jedoch vom
Arrestschuldner mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung verbunden werden.
Im Widerspruchsverfahren können nachträglich weitere Arrestgründe berücksichtigt
werden, falls sie bei Erlass der Arrestanordnung bereits bestanden haben. Die
Arrestanordnung kann bei Minderung oder Wegfall der angeführten Ansprüche nicht
durch andere, ursprünglich nicht angegebene Arrestforderungen ersetzt werden
(vgl. Urteil BFH v. 10.03.1983).
53.4
Vollziehung des Arrestes
Auf die Vollziehung des Arrestes finden die Vorschriften über die Vollstreckung
in das bewegliche und/oder unbewegliche Vermögen mit Ausnahme der Vorschriften
über die Verwertung entsprechende Anwendung. Dies schließt auch die
Vorschriften über den Vollstreckungsschutz ein.
53.4.1
Zuständigkeit
Die Vollziehung der Arrestanordnung obliegt der Vollstreckungsbehörde.
53.4.2
Vollziehungsfrist
Die Vollziehungsfrist beträgt einen Monat und beginnt mit dem Tag, an dem die
Anordnung dem Arrestschuldner zugestellt worden ist. Eine Vollziehung nach
Ablauf dieser Frist ist unzulässig.
Zur Wahrung der Monatsfrist ist es ausreichend, dass die Vollstreckung
innerhalb der Monatsfrist begonnen hat. Bei Vollstreckungshandlungen des
Vollziehungsbeamten oder Gerichtsvollziehers beginnt die Vollstreckung z. B.
mit der Öffnung verschlossener Türen oder der Durchsuchung der Wohn- und
Geschäftsräume. Bei der Pfändung von Forderungen und anderer Vermögensrechte
beginnt die Vollstreckung mit der Anordnung der Pfändung (Zeichnung der
Pfändungsverfügung), nicht erst mit der Zustellung an den Drittschuldner.
Soll der Arrest in ein Grundstück oder in ein grundstücksgleiches Recht
vollzogen werden, genügt der Eingang des Eintragungsantrages beim Grundbuchamt
(§ 932 Abs. 3 ZPO), während der Vollzug der Eintragung auch noch nach Ablauf
der Monatsfrist möglich ist.
Hat die Vollstreckungsbehörde eine fehlerhafte (nicht nichtige) Pfändung
innerhalb der Monatsfrist ausgebracht, so kann die Pfändung wegen des wirksam
erworbenen Pfandrechts auch noch nach Ablauf der Monatsfrist geheilt werden.
53.4.3
Durchführung der Vollziehung
Das Arrestverfahren dient ausschließlich der Sicherung des Anspruchs. Aus
diesem Grund kann die Vollstreckungsbehörde alle Pfändungsmaßnahmen ergreifen,
ohne zugleich zur Befriedigung durch Verwertung des gepfändeten Gegenstandes
berechtigt zu sein. Vollstreckungsmaßnahmen, die den Gläubiger unmittelbar
befriedigen, sind nur bei Gefahr einer erheblichen Wertminderung (z. B. leicht
verderbliche Ware) oder bei erheblichen Aufbewahrungskosten zulässig (§ 930
Abs. 3 ZPO).
Gepfändete Wechsel und Schecks sind, sofern Verfall droht, zu verwerten. Die
ausgezahlten Beträge sind gleichfalls zu hinterlegen.
Bei Forderungspfändungen kann nur eine Pfändungsverfügung, keine Pfändungs- und
Einziehungsverfügung, ergehen. Jeder Hinweis auf die Einziehung der gepfändeten
Forderung hat zu unterbleiben.
Die Vollziehung der Arrestanordnung in das unbewegliche Vermögen erfolgt durch
Eintragung einer Arresthypothek (§ 932 Abs. 3 ZPO). Diese gewährt nur eine
vorläufige Sicherung und wahrt den Rang. Die Arresthypothek ist eine
Höchstbetragshypothek im Sinne des § 1190 BGB, wobei bei der Eintragung der
endgültige Betrag der Forderung mit Nebenansprüchen in einer Summer anzugeben
ist. Die Hinterlegungssumme entspricht dem Höchstbetrag, für den das Grundstück
haftet (§§ 932, 923 ZPO). Auch bei der Arresthypothek ist die Betragsgrenze
nach § 866 Abs. 3 ZPO (750,00 Euro) zu beachten. Im Antrag auf Eintragung einer
Arresthypothek ist zum Ausdruck zu bringen, dass es sich um eine solche
handelt. Der Tag der Zustellung der Arrestanordnung ist dem Grundbuchamt
mitzuteilen. Der Antrag darf nicht den Zusatz enthalten, die Forderung sei
vollstreckbar.
Die Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach den §§
5 a oder 44 VwVG NRW gilt nicht als Beginn der Vollstreckung. Insoweit kann die
Vollstreckungsbehörde in die ihr durch das Vermögensverzeichnis bekannt
gewordenen Vermögenswerte nicht mehr vollstrecken, wenn der Arrestschuldner
zwar vor Ablauf der Monatsfrist geladen wurde, die eidesstattliche Versicherung
aber erst nach Ablauf der Monatsfrist abgegeben hat. Die Ladung zum Termin wäre
daher rechtsmissbräuchlich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn alsbald nach dem
Erlass der Arrestanordnung mit der Bekanntgabe des Leistungsbescheides
gerechnet werden darf, weil nur dann durch die Auswertung des
Vermögensverzeichnisses zeitnah auf bisher nicht bekannte Vermögenswerte
zugegriffen werden kann. Das Recht der Vollstreckungsbehörde, die
eidesstattliche Versicherung nach § 44 VwVG NRW zu verlangen bleibt unberührt,
sofern die Vollstreckungsmaßnahme, die die Urkunden betrifft, vor Ablauf der
Monatsfrist begonnen hat.
53.4.4
Abwenden der Arrestvollziehung
Die Einzahlung der Hinterlegungssumme bei der Vollstreckungsbehörde berührt
nicht die Wirksamkeit der Arrestanordnung, sondern führt zur Abwendung der
Vollziehung oder zur Aufhebung bereits durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen.
Gleiches gilt, wenn mit dem Einverständnis der Vollstreckungsbehörde in anderer
Weise als durch Hinterlegung von Geld Sicherheit für den Betrag der
Hinterlegungssumme geleistet wird (z. B. durch Bankbürgschaft).
53.4.5
Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsmaßnahmen
Gegen die im Rahmen der Arrestvollziehung durchgeführten
Vollstreckungsmaßnahmen ist der Widerspruch zulässig.
53.5
Überleitung des Arrestverfahrens in das Vollstreckungsverfahren
Die Überleitung des Arrestverfahrens in das Vollstreckungsverfahren erfolgt,
sobald die dem Arrestanspruch zugrunde liegende Geldforderung vollstreckbar
geworden ist. Einer Aufhebung der Arrestanordnung und einer erneuten Pfändung
bedarf es nicht. Erforderlich ist jedoch ein die Verwertung anordnender
Verwaltungsakt der Vollstreckungsbehörde, der dem Vollstreckungsschuldner
bekannt zu geben ist. Mit der Verwertung darf erst eine Woche nach der
Bekanntgabe der Verwertungsabsicht begonnen werden (§ 54 VwVG NRW).
Die Verwertung erfolgt wie bei Pfändungspfandrechten, die im
Vollstreckungsverfahren erlangt worden sind. Bei Forderungspfändungen tritt die
Einziehung der gepfändeten Forderung an die Stelle des Verwaltungsaktes über
die Anordnung der Verwertung. Die Einziehungsverfügung ist dem Drittschuldner
zuzustellen, die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen.
Zur Umschreibung der Arresthypothek in eine gewöhnliche Sicherungshypothek ist
an das Grundbuchamt ein entsprechendes Ersuchen zu richten. Vor der
Umschreibung muss ein die Verwertung anordnender, dem Vollstreckungsschuldner
bekannt zu gebender Verwaltungsakt der Vollstreckungsbehörde ergehen. Der
Aufhebung der Arrestanordnung bedarf es nicht. In dem Ersuchen an das
Grundbuchamt ist darauf hinzuweisen, dass die Forderungen vollstreckbar sind.
Nach der Überleitung des Arrestverfahrens in das Vollstreckungsverfahren ist
ein zulässiger Widerspruch gegen die Arrestanordnung mangels
Rechtsschutzbedürfnis erledigt.
53.6
Aufhebung des Arrestes
Die Arrestanordnung ist nach § 53 Abs. 5 VwVG NRW aufzuheben, wenn nach ihrem
Erlass Umstände bekannt werden, die sie nicht mehr gerechtfertigt erscheinen
lassen. Eine Aufhebung setzt einen Antrag des Arrestschuldners nicht voraus.
Umstände i. S. d. § 53 Abs. 5 VwVG NRW können sich gleichermaßen auf den
Arrestanspruch und den Arrestgrund beziehen. Die Vollziehung des Arrestes oder
die Gestellung der Hinterlegungssumme führt hingegen nicht zur Aufhebung der
Arrestanordnung, da sonst die Rechtsgrundlage für die Vollziehung oder
Hinterlegung entfallen würde und die Vollstreckungsbehörde verpflichtet wäre,
bereits ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen zurückzunehmen oder den hinterlegten
Betrag zurückzuzahlen.
Die Stelle, die die Arrestanordnung erlassen hat, ist auch zuständig für ihre
Aufhebung.
Fünfter
Unterabschnitt
Befriedigung durch Verwertung von Sicherheiten
54
Verwertung von Sicherheiten (zu § 54)
54.1
Im Arrestverfahren erlangte Sicherheiten, auf Grund einer gesetzlichen
Verpflichtung bestellte Sicherheiten oder Sicherheiten, die der
Vollstreckungsschuldner freiwillig geleistet hat, werden nach § 54 VwVG NRW
verwertet.
54.2
Als Sicherheitsleistung kommen insbesondere in Frage (vgl. § 241 AO):
a) Hinterlegung von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten,
b) Verpfändung von Sparguthaben bei Kreditinstituten und Schuldbuchforderungen,
c) Verpfändung von hypothekarisch gesicherten Ansprüchen, von Grund- und
Rentenschulden,
d) Bestellung von Hypotheken, Grund- oder Rentenschulden an inländischen
Grundstücken,
e) Bürgschaften, Garantieversprechen.
54.3
Bei Fälligkeit der zugrunde liegenden Ansprüche können Sicherheiten unmittelbar
verwertet werden. Die Vollstreckungsbehörde hat hierzu dem
Vollstreckungsschuldner die Verwertungsabsicht bekannt zu geben (auch dann,
wenn sie z. B. hinterlegtes Geld bei der Hinterlegungsstelle anfordern will).
Frühestens nach Ablauf einer Woche seit der Bekanntgabe (Zustellung wird wegen
der Fristbestimmung zweckmäßig sein) darf mit der Verwertung nach den
Vorschriften der §§ 30 ff. und 40 ff. VwVG NRW sowie ggf. der §§ 51 und 52 VwVG
NRW begonnen werden.
- MBl. NRW. 2004 S. 890