Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2004 Nr. 8 vom 20.2.2004 Seite 187 bis 216
Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten durch die Ordnungsbehörden RdErl. d. Innenministeriums v. 27.1.2004 – 44.3 – 2511/18 |
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Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten durch die Ordnungsbehörden RdErl. d. Innenministeriums v. 27.1.2004 – 44.3 – 2511/18
920
Verfolgung und Ahndung von
Verkehrsordnungswidrigkeiten
durch die Ordnungsbehörden
RdErl. d. Innenministeriums v. 27.1.2004
– 44.3 – 2511/18
Inhaltsübersicht
1.1
Sachliche Zuständigkeit
1.2
Örtliche Zuständigkeit
2
Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten
2.1
Allgemeine Verfahrensgrundsätze
2.2
Besondere Verfahrensgrundsätze
3
Anhörung des Betroffenen
4
Beweiserhebung
4.1
Vernehmen von Zeugen
4.2
Lichtbildabgleich nach § 2 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG
4.3
Akteneinsicht
5
Einstellung des Verfahrens
6
Verwarnung
7
Bußgeldbescheid
8
Fahrverbot
9
Verfahren nach Einspruch
9.1
Eigene Prüfung und Abgabe an die Staatsanwaltschaft
9.2
Beteiligung der Ordnungsbehörde am gerichtlichen Bußgeldverfahren
10
Vollstreckung des Bußgeldbescheides
10.1
Zulässigkeit
10.2
Verfahren
11
Verfahren bei bestimmten Personengruppen
11.1
Geltung der Richtlinien für die Polizei
11.2
Personen ohne Inlandswohnsitz
11.3
Stationierungsstreitkräfte
11.4
Exterritoriale
12
Gnadengesuche
13
Örtliche Dateien
14
Aufbewahrung der Akten
15
Mitteilung an das Kraftfahrt-Bundesamt
16
Schlussbestimmungen
1.1
Sachliche Zuständigkeit
Die Kreisordnungsbehörden sind zuständig für die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten nach den §§ 24 und 24a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG); abweichend hiervon sind die örtlichen Ordnungsbehörden zuständig für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Straßenverkehr nach § 24 StVG . Die großen kreisangehörigen Gemeinden i.S. von § 4 der Gemeindeordnung sind neben den Kreisordnungsbehörden zuständig für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten bei der Überwachung der Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und der Befolgung von Lichtzeichenanlagen im Straßenverkehr, soweit sie die Ordnungswidrigkeiten selbst festgestellt haben (Verordnung zur Bestimmung der für die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständigen Verwaltungsbehörden - SGV. NRW. 45 -). Die Zuständigkeit der Polizeibehörden bleibt unberührt.
Die Zuständigkeit der örtlichen Ordnungsbehörden für Maßnahmen der Gefahrenabwehr im Rahmen der Überwachung des ruhenden Straßenverkehrs, der Kreisordnungsbehörden und der Großen kreisangehörigen Städte für die Überwachung der Einhaltung zulässiger Höchstgeschwindigkeiten und der Befolgung von Lichtzeichenanlagen im Straßenverkehr an Gefahrenstellen nach § 48 Abs. 3 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG) bleibt unberührt.
1.2
Örtliche Zuständigkeit
Örtlich zuständig ist gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) die Ordnungsbehörde, in deren Bezirk die Verkehrsordnungswidrigkeit begangen oder entdeckt worden ist.
Auf Grund übereinstimmender Verwaltungspraxis in den Ländern sieht die gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuständige Ordnungsbehörde bei Verkehrsordnungswidrigkeiten in der Regel davon ab, tätig zu werden. § 39 OWiG bleibt unberührt.
2
Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten
2.1
Allgemeine Verfahrensgrundsätze
Wegen der allgemeinen Grundsätze für die Verfolgung von Verkehrsverstößen sowie wegen des Verfahrens bei Verwarnungen und Ordnungswidrigkeitsanzeigen wird auf den RdErl. v. 27. Januar 2004 (SMBl. NRW. 20510) „Verfolgung von Verkehrsverstößen durch die Polizei und Erhebung von Sicherheitsleistungen“ verwiesen.
Abweichend von Nr. 2.4.1 des vorgenannten RdErl. können die Ordnungsbehörden vorrangig oder ausschließlich schriftliche Verwarnungen erteilen. Soll eine schriftliche Verwarnung erfolgen, ist entweder eine Verwarnung mit Zahlschein oder eine allgemeine Mitteilung über die beabsichtigte Ahndung des festgestellten Verkehrsverstoßes am Fahrzeug gut sichtbar anzubringen bzw. dem Betroffenen auszuhändigen.
Die Ordnungsbehörden regeln das Zahlungs- und Abrechnungsverfahren in eigener Zuständigkeit. Die im Text erwähnten Vordrucke sind als Anlagen dem o.g. Runderlass beigefügt. Sie sind ihrem materiellen Inhalt nach verbindlich. In der Form können sie – insbesondere im Hinblick auf eine EDV-gerechte Vordruckgestaltung – verändert werden.
Durch die Ausstattung der Ordnungsbehörden (Bußgeldstellen) mit den notwendigen Kräften und Mitteln ist sicherzustellen, dass Ordnungswidrigkeitsverfahren so schnell wie möglich abgewickelt werden. Rn. 48.36 der Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Ordnungsbehördengesetzes (VwV OBG) ist zu beachten.
Werden zur Beweissicherung technische Geräte verwendet, so ist dabei der RdErl. v. 22.5.1996 (SMBl. NRW. Nr. 20530) „Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei“ zu beachten.
2.2
Besondere Verfahrensgrundsätze
Gehen Anzeigen Dritter wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten
bei den Ordnungsbehörden ein oder stellen sie im Zusammenhang mit ihren
sonstigen Aufgaben z.B. als Straßenverkehrsbehörde selbst
Verkehrsordnungswidrigkeiten fest, so haben sie im Interesse der Vereinfachung
und Beschleunigung des Verfahrens notwendige Ermittlungen grundsätzlich selbst
zu führen. Amtshilfeersuchen sind in Nordrhein-Westfalen an die nach § 48 Abs.3
OBG zuständige Bußgeldstelle zu richten. Eine Inanspruchnahme der Polizei kommt
nur in begründeten Ausnahmefällen in Betracht.
Bei Anzeigen Dritter ist die Mitteilung des Namens sowie des Wohnorts des Anzeigenden sowohl im Rahmen der Anhörung als auch im Bescheid erforderlich, aber auch ausreichend. Die zusätzliche Mitteilung der Wohnanschrift des Zeugens unterbleibt aus Gründen des Datenschutzes.
Ist die Ordnungsbehörde, bei der die Anzeige eingeht, nicht
zuständig, leitet sie die Anzeige an die zuständige Ordnungsbehörde weiter.
Die Ordnungsbehörde gibt die Sache an die Staatsanwaltschaft ab, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die Tat eine Straftat ist (§§ 41, 21 OWiG).
3
Anhörung des Betroffenen
Hat sich das Verfahren nicht durch Zahlung eines Verwarnungsgeldes erledigt oder ist in einem Bußgeldverfahren der Betroffene nicht an Ort und Stelle gehört worden, ist ihm durch Übersendung eines Anhörungsbogens (Anlage 5) Gelegenheit zu geben, sich innerhalb einer Woche schriftlich zu äußern. Muss der Halter zuvor ermittelt werden, so ist gemäß Nr. 2.4 und 2.5 des RdErl. v. 27. Januar 2004 (SMBl. NRW. 20510) „Verfolgung von Verkehrsverstößen durch die Polizei und Erhebung von Sicherheitsleistungen“ zu verfahren. Liegt eine Frontaufnahme vom Fahrer und Fahrzeug als Beweismittel vor, ist es nur dann erforderlich, einen Abzug des entsprechenden Bildausschnitts dem Anhörungsbogen beizufügen, wenn der Halter eine natürliche Person ist und wenn dafür im begründeten Einzelfall Veranlassung besteht. Der Abzug darf nur einen Bildausschnitt aufweisen, auf dem die Person des Fahrers abgebildet ist.
Ist in einem Ermittlungsvorgang der Halter keine natürliche Person oder kommt er als Betroffener nicht in Betracht, so ist dem Halter zunächst ein Zeugenfragebogen (Anlage 9/10) zu übersenden. Beruht das Verfahren auf der Anzeige eines Dritten, ist die Mitteilung des Namens sowie des Wohnortes des Anzeigenden sowohl bei der Anhörung als auch im Bescheid erforderlich. Die zusätzliche Mitteilung der Wohnanschrift ist im Interesse der schutzwürdigen Belange des Zeugen nicht zulässig.
Wird der Anhörungsbogen nicht innerhalb von zwei Wochen zurückgesandt, ist grundsätzlich ohne weitere Anhörung ein Bußgeldbescheid (Anlage 6) zu fertigen, sofern der Halter eine natürliche Person ist.
Bei Halt- oder Parkverstößen ist ggf. nach § 25 a StVG (Kostentragungspflicht des Halters) zu verfahren.
Sendet der Halter den Anhörungsbogen mit dem Vermerk zurück, dass nicht er selbst, sondern ein anderer als Fahrzeugführer in Betracht kommt, und hat sich dieser im Anhörungsbogen noch nicht geäußert, ist dem betroffenen Fahrzeugführer ein Anhörungsbogen zuzusenden. Gibt der Betroffene die geforderten Angaben zur Person nicht oder nur unvollständig an, sind sie über die Ordnungsbehörde des Wohnorts zu ermitteln. Hat der Betroffene zur Sache keine oder nur unvollständige Angaben gemacht, gilt die Anhörung dennoch als erfolgt.
Wird der Anhörungsbogen nicht zurückgesandt und ist der Halter keine natürliche Person, ist ein Anhörungsbogen an die für den Halter zuständige Ordnungsbehörde zu senden mit der Bitte, den Betroffenen zu hören. In dem Ersuchen ist die Anschrift des Halters anzugeben und darauf hinzuweisen, dass der Versuch einer schriftlichen Anhörung erfolglos geblieben ist.
Die Entscheidung des Sachbearbeiters über die Anhörung als Betroffener ist schriftlich niederzulegen und durch Unterschrift oder Handzeichen zu dokumentieren.
4.1
Vernehmung von Zeugen
Sind Zeugen zu hören, hat dies grundsätzlich schriftlich zu erfolgen. Hierfür sind unter Beifügung eines Freiumschlages das Anschreiben an Zeugen (Anlage 10) und der Zeugenfragebogen (Anlage 9) zu verwenden. Vernehmungen von Zeugen zu Protokoll kommen nur ausnahmsweise in Betracht. Hierüber entscheidet der Sachbearbeiter oder der Dienststellenleiter.
4.2
Lichtbildabgleich nach § 2 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG
Ein Lichtbildabgleich darf nur für den Betroffenen beantragt werden. Es ist im Einzelfall abzuwägen, ob ein im Vergleich zum Erfolg unverhältnismäßig hoher Aufwand vorliegt. Der Aufwand liegt in den notwendigen finanziellen Aufwendungen (personellen/sachlichen) sowie administrativen und/oder organisatorischen Schwierigkeiten der Behörde. Der Erfolg ist die Ahndung der konkreten Ordnungswidrigkeit. Dabei ist die Höhe der Verwarnung oder Geldbuße Richtschnur für das Gewicht des Erfolgs bei der Abwägung. Der Aufwand ist dann unverhältnismäßig, wenn er in keinem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zum Erfolg führt.
Daten beim Betroffenen werden, wenn die Prüfung des Einzelfalls keine andere Verfahrensweise geboten erscheinen lässt, in dieser Rangfolge erhoben:
a) Anhörung des Betroffenen,
b) Vorladung des Betroffenen
c) Lichtbildabgleich beim Personenmelderegister, wenn das Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch genommen wird, die Tat bestritten wird oder keine Reaktion auf die Vorladung erfolgt.
d) Das Aufsuchen des Betroffenen.
Hat der Beschuldigte seinen Wohnsitz nicht im örtlichen Zuständigkeitsbereich der ermittelnden Ordnungsbehörde, ist zu prüfen, ob der Aufwand einer weiteren Ermittlung durch den Schuldvorwurf gerechtfertigt ist.
Die Befragung anderer Personen ist keine Datenerhebung beim Betroffenen im Sinne von § 2 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG. Sie ist daher erst dann zu erwägen, wenn ein Lichtbildabgleich erfolglos ist.
Bei der Wahl des Mittels ist zu bedenken, in welchem Maße die konkrete Art der Datenerhebung beim Betroffenen im Verhältnis zum Lichtbildabgleich in dessen Persönlichkeitsrecht eingreift.
Die Behörde muss im Antrag bei der Personalausweisbehörde versichern, dass die Voraussetzungen des § 2 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG gegeben sind. Weitere Erläuterungen sind nicht erforderlich.
Sollte eine mögliche Ermittlung beim Betroffenen als unverhältnismäßig angesehen werden, müssen die Gründe dafür festgehalten werden. Diese können sich aus generellen Erwägungen der Behörde über den Aufwand von Ermittlungen ergeben, wenn die Erwägungen die wesentlichen Momente des Einzelfalls erfassen und der einzelne Vorgang auf sie nachvollziehbar verweist.
4.3
Akteneinsicht
Die Gewährung von Akteneinsicht richtet sich nach den §§ 49 bis 49 b OWiG. Bei der Gewährung von Akteneinsicht sind grundsätzlich die Richtlinien über das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) anzuwenden. Auf Nr. 296 RiStBV i. V. m. Nr. 182 bis 189 RiStBV wird hingewiesen.
In Verkehrsordnungswidrigkeitsverfahren soll Akteneinsicht gewährt werden, wenn hierdurch keine wesentliche Verzögerung eintritt und der Ermittlungszweck nicht beeinträchtigt wird. Wird nicht unmittelbar mit dem Verfahren befassten Stellen (z.B. Versicherungen oder von diesen bevollmächtigten Rechtsanwälten) Einsicht gewährt, sind die Auszüge aus dem Verkehrszentralregister zurückzubehalten. Fotografien, die sich bei den Akten befinden, können ebenfalls eingesehen werden; ein Anspruch auf Herstellung eines Abzugs besteht jedoch nicht.
Vor Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft ist einem Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht (§ 147 Abs. 1 StPO) zu entsprechen (§ 69 Abs. 3 Satz 2 OWiG).
Werden Akten an andere Behörden als die Staatsanwaltschaft versandt, sind nach § 49 a OWiG nur die für die Amtshilfe erforderlichen Aktenteile zu übersenden.
Von demjenigen, der im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Versendung von Akten beantragt, werden gem. § 107 Abs. 5 OWiG je durchgeführter Sendung pauschal acht Euro als Auslagen erhoben.
In zivilrechtlichen Verfahren richtet sich die Gebühr für die Versendung von Bußgeldakten durch die Post an Dritte nach der Tarifstelle 30.3 der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (AVwGebO NRW) und nach § 107 Abs. 5 OWiG. Bei der Versendung an Verteidiger sind keine Gebühren in Rechnung zu stellen.
5
Einstellung des Verfahrens
Die Einstellung des Verfahrens ist geboten, wenn
a) nach dem Ermittlungsergebnis ein ausreichender Tatbeweis oder eine Feststellung des Betroffenen nicht möglich erscheint (§ 46 Abs.1 OWiG i.V.m. § 170 Abs.2 StPO),
b) der mit weiteren Ermittlungen verbundene Aufwand außer Verhältnis zur Bedeutung der Tat stehen würde (§ 47 Abs. 1 OWiG),
c) nach den Umständen des Einzelfalles ein Verzicht auf Ahndung angebracht erscheint (§ 47 Abs. 1 OWiG) oder
d) die Tat verjährt ist (§ 31 Abs.1 Satz 1 OWiG).
Muss das Verfahren eingestellt werden, weil der Betroffene nicht festgestellt werden kann (Buchst. a), so ist zu prüfen, ob bei der Verkehrsbehörde angeregt werden soll, dem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuches aufzuerlegen (§ 31 a StVZO).
Die Einstellung ist auf der Ordnungswidrigkeiten-Anzeige unter Angabe des Grundes zu verfügen.
Ist der Betroffene zu dem Vorwurf gehört worden, so ist er von der Einstellung formlos in Kenntnis zu setzen (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO, § 50 Abs. 1 OWiG). Bei Minderjährigen soll außerdem der gesetzliche Vertreter verständigt werden.
Kann in einem Bußgeldverfahren wegen eines Halt- oder Parkverstoßes der Führer des Kraftfahrzeugs, der den Verstoß begangen hat, voraussichtlich nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung ermittelt werden oder würde seine Ermittlung einen unangemessenen Aufwand erfordern, so ist zu entscheiden, ob nach § 25 a StVG dem Fahrzeughalter die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.
6
Verwarnung
Auf
Grund von Ordnungswidrigkeitsanzeigen der Polizei kann eine schriftliche
Verwarnung mit Verwarnungsgeld ausnahmsweise dann erteilt werden, wenn sich
herausstellt, dass es sich nur um eine geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeit
handelt. Ein Bußgeldbescheid würde in einem solchen Fall den Betroffenen vor
allem wegen der Kosten benachteiligen. Diese Vorschrift ist nicht anzuwenden
bei Anschlussbußgeldverfahren.
7
Bußgeldbescheid
Kommt
nach Abschluss der Ermittlungen unter Berücksichtigung der Äußerung des
Betroffenen und etwaiger Zeugenaussagen ein Bußgeldbescheid in Betracht, so ist
eine Auskunft aus dem Verkehrszentralregister einzuholen und zur Akte zu
nehmen.
Die
Festsetzung der Geldbuße und die Anordnung eines Fahrverbots richten sich nach
der Bußgeldkatalog-Verordnung (BGBl. III/FNA 9231-1-12) und dem
Tatbestandskatalog.
Der
Bußgeldbescheid ist grundsätzlich dem Betroffenen zuzustellen. Dies kann durch
eingeschriebenen Brief, mit Postzustellungsurkunde oder gegen Empfangsbekenntnis
geschehen (§ 50 Abs. 1 Satz 2, § 51 Abs. 1 OWiG i. V. m. dem
Landeszustellungsgesetz (LZG).
Einem
Betroffenen ist der Bußgeldbescheid auch dann zuzustellen, wenn er nur
beschränkt geschäftsfähig ist; dem gesetzlichen Vertreter des Betroffenen ist
der Bußgeldbescheid formlos zuzuleiten (§ 51 Abs. 2 OWiG).
Hat der
Betroffene einen gewählten Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten
befindet, oder ist ein Verteidiger bestellt, soll der Bußgeldbescheid nur
diesem zugestellt werden. Ist der Verteidiger ein Rechtsanwalt, ist ihm der
Bußgeldbescheid gegen Empfangsbekenntnis zuzustellen. Der Betroffene wird von
der Zustellung zugleich unterrichtet. Dabei erhält er formlos eine Abschrift
des Bußgeldbescheides (§ 51 Abs. 3 OWiG).
Der
Bußgeldbescheid gegen einen Jugendlichen soll auch dem Erziehungsberechtigten,
der nicht gleichzeitig gesetzlicher Vertreter des Betroffenen ist, formlos
mitgeteilt werden; bei mehreren Erziehungsberechtigten genügt die Mitteilung an
einen von ihnen (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 67 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 3 des
Jugendgerichtsgesetzes ‑ JGG).
Bei der
Zustellung eines Bußgeldbescheides sind die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften
‑ AV zum LZG, RdErl. d. Innenministeriums v. 2. 12. 2002 (SMBI. NRW. 2010), zu beachten.
Wenn
das Verfahren Anlass zur Frage gibt, ob sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis
als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat, wird der
Bußgeldbescheid der nach § 68 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO)
zuständigen Straßenverkehrsbehörde mitgeteilt. Hierbei ist der Grund für die
Erteilung des Bußgeldbescheides besonders zu vermerken.
8
Fahrverbot
Ein
verhängtes Fahrverbot (§ 25 StVG) ist der nach § 68 der
Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) zuständigen Straßenverkehrsbehörde
mitzuteilen.
Der Führerschein wird von der Kreisordnungsbehörde
verwahrt, die das Fahrverbot angeordnet hat, oder von der Wohnsitzbehörde, wenn
die anordnende Behörde dem zugestimmt hat. Die Verbotsfrist beginnt erst mit
dem Tag, an dem der Führerschein in Verwahrung genommen wird. Übersendet der
Betroffene den Führerschein durch die Post, so ist ihm der Tag des Eingangs zu
bestätigen und mitzuteilen, mit Ablauf welchen Tages das Fahrverbot endet.
Der
Betroffene ist in jedem Fall darauf hinzuweisen, dass er den Führerschein bei
der Kreisordnungsbehörde zu einem von ihr benannten Termin abholen kann, wenn
er dies rechtzeitig vorher erklärt, oder dass ihm andernfalls der Führerschein
zwei Wochen nach diesem Termin mit einfachem Brief auf sein Risiko hin
zugesandt wird.
Dem Betroffenen ist der Führerschein zu dem benannten
Termin auszuhändigen oder zu übersenden. Der Betroffene ist darauf hinzuweisen,
dass er vor Ablauf der Verbotsfrist kein Fahrzeug führen darf, für dass das
Fahrverbot gilt, selbst wenn er den Führerschein vorher erhält.
9.1
Eigene Prüfung und Abgabe an die Staatsanwaltschaft
Ist der Einspruch rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form eingelegt,
so prüft die Ordnungsbehörde, ob der Vorwurf aufrechterhalten werden kann oder
der Bußgeldbescheid zurückzunehmen ist (§ 69 Abs. 2 OWiG). Zu diesem Zweck kann
sie
‑ weitere Ermittlungen anordnen
oder selbst vornehmen,
‑ von
Behörden und sonstigen Stellen die Abgabe von Erklärungen über dienstliche
Wahrnehmungen, Untersuchungen und Erkenntnisse (§ 77 a Abs. 2 OWiG) verlangen.
Die Ordnungsbehörde
kann dem Betroffenen auch Gelegenheit geben, innerhalb einer zu bestimmenden
Frist dazu Stellung zu nehmen, ob und welche Tatsachen und Beweismittel er im
weiteren Verfahren zu seiner Entlastung vorbringen will; er ist darauf
hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung
zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen.
Ist der Einspruch nicht rechtzeitig, nicht in der vorgeschriebenen Form
oder sonst nicht wirksam eingelegt, so verwirft ihn die Ordnungsbehörde als unzulässig
(§ 69 Abs. 1 Satz 1 OWiG).
Die
Ordnungsbehörde übersendet die Akten an die Staatsanwaltschaft, wenn sie den
Bußgeldbescheid nicht zurücknimmt oder ihn als unzulässig verwirft; sie
vermerkt die Gründe dafür in den Akten, soweit dies nach der Sachlage angezeigt
ist (§ 69 Abs.3 Satz 1 OWiG).
Über
die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entscheidet die
Ordnungsbehörde, solange das Gericht noch nicht mit der Sache befasst ist (§ 52
OWiG).
9.2
Beteiligung der Ordnungsbehörde am gerichtlichen Bußgeldverfahren
In der
Regel soll die Ordnungsbehörde darauf verzichten, am gerichtlichen
Bußgeldverfahren nach § 76 OWiG beteiligt zu werden, da bei Verkehrsordnungswidrigkeiten
die Sachkunde des Gerichts und der Staatsanwaltschaft vorausgesetzt werden
kann.
10
Vollstreckung des Bußgeldbescheides
10.1
Zulässigkeit
Die
Vollstreckung ist zulässig, wenn der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden ist
(§ 89 OWiG). Zuständig ist die Ordnungsbehörde, die den Bußgeldbescheid
erlassen hat (§ 92 OWiG). Das gilt auch dann, wenn der Einspruch
zurückgenommen oder verworfen wird.
10.2
Verfahren
Das
Vollstreckungsverfahren richtet sich gemäß § 90 Abs. 1 OWiG nach dem
Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein‑Westfalen. Daneben
sind die Vorschriften des OWiG, insbesondere über Zahlungserleichterungen (§
93), die Erzwingungshaft (§ 96) und die Vollstreckung gegen Jugendliche und
Heranwachsende (§ 98), zu beachten.
11
Verfahren
bei bestimmten Personengruppe
11.1
Geltung der Richtlinien für die Polizei
Wegen der Verfolgung von Verkehrsverstößen bei
Kindern, Jugendlichen, Heranwachsenden, Stationierungsstreitkräften,
Exterritorialen und Abgeordneten wird auf die Nr. 1.3 des RdErl. v. 27. Januar 2004 (SMBl. NRW. 20510) verwiesen. Ergänzend gelten die folgenden Richtlinien.
11.2
Personen ohne Inlandswohnsitz
Die
Ordnungsbehörde hat den von Personen, die im Geltungsbereich der
Strafprozess-Ordnung keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt haben, als
Sicherheit geleisteten Geldbetrag oder die beschlagnahmte Sache zu verwahren.
Der
Bußgeldbescheid ist dem Zustellungsbevollmächtigten zuzustellen. Ist ein
solcher nicht bestellt, ist zu prüfen, ob eine Zustellung im Ausland erfolgen
kann; andernfalls kommt eine öffentliche Zustellung in Betracht (vgl. Nrn. 18
und 19 AV zum LZG).
Sobald
der Bußgeldbescheid rechtskräftig ist, wird die Sicherheitsleistung mit der
Geldbuße und den Kosten verrechnet. Wird das Verfahren eingestellt, so ist der
Betrag zurückzuerstatten. Das gilt auch, soweit die Sicherheitsleistung höher ist
als Geldbuße und Kosten. In beschlagnahmte Sachen kann nach dem
Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein‑Westfalen
vollstreckt werden.
Die
Sicherheitsleistung oder die beschlagnahmten Sachen stehen im Falle eines
Einspruchs auch für die Vollstreckung einer gerichtlichen Bußgeldentscheidung
zur Verfügung.
11.3
Stationierungsstreitkräfte
Im Bußgeldverfahren nehmen die Ordnungsbehörden die Aufgaben der
Staatsanwaltschaft nach Art. 3 des Gesetzes zum NATO‑Truppenstatut vom
18. August 1961 (BGBl. II S. 1183) wahr (§ 46 Abs. 2 OWiG).
Ordnungswidrigkeitsanzeigen gegen Personen, die der Militärgerichtsbarkeit
unterliegen, sind zusammen mit dem Bußgeldbescheid den einzelnen Verbindungsstellen
zuzuleiten.
Hält die Militärbehörde ihre Zuständigkeit für gegeben, so unterrichtet sie
die Bußgeldbehörde hiervon unter Rücksendung des Bußgeldbescheids; andernfalls
leitet sie den Bescheid an den Betroffenen weiter.
Bei der Berechnung der Verbotsfrist eines Fahrverbots ist eine Entziehung
des Führerscheins oder einer Zusatzbescheinigung durch die Behörden der Truppe
zu berücksichtigen, sofern die Militärbehörde diese gem. Art. 9 Abs. 6a des
Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut mitgeteilt hat.
Der Militärgerichtsbarkeit unterliegen nicht
‑ Mitglieder
des zivilen Gefolges und Angehörige mit deutscher Staatsangehörigkeit oder
ständigem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland,
‑ Angehörige
der Mitglieder des zivilen Gefolges der kanadischen Stationierungsstreitkräfte,
‑ Mitglieder
des zivilen Gefolges und Angehörige der Stationierungsstreitkräfte der
Niederlande und der USA,
‑ Jugendliche
der französischen Stationierungsstreitkräfte,
‑ Mitglieder
der Truppe und des zivilen Gefolges sowie Angehörige der dänischen,
griechischen, italienischen, luxemburgischen, norwegischen, portugiesischen
oder türkischen Stationierungsstreitkräfte.
11.4
Exterritoriale
Kann ein Verkehrsverstoß nicht geahndet werden, weil der
Betroffene nach den §§ 18‑20 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) der
deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterliegt, so haben die Ordnungsbehörden das
Auswärtige Amt, bei Inhabern eines Konsularausweises die zuständige Staats‑/
Senatskanzlei zu unterrichten. Auf den RdErl. v. 1.6.1994 (SMBI. NRW. 2106)
„Diplomaten und andere bevorrechtigte Personen" wird verwiesen.
12
Gnadengesuche
Gnadengesuche sind nach dem Erlass „Verfahren in
Gnadensachen bei Verkehrsordnungswidrigkeiten“ v. 5.8.2002 (SMBl. NRW 20510) zu
behandeln.
13
Örtliche Dateien
Besondere Dateien oder Listen zur Erkennung von Mehrfachtätern sind nicht zulässig. Unberührt bleiben Dateien oder Listen, die aus kassentechnischen Gründen oder zur Aktenerschließung geführt werden.
14
Aufbewahrung der Akten
Akten über Bußgeldverfahren, in denen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße von mindestens 40,- € festgesetzt oder ein Fahrverbot angeordnet wurde, sind drei Jahre aufzubewahren. In allen übrigen Fällen sowie bei Verwarnungsgeldverfahren beträgt die Aufbewahrungsfrist grundsätzlich zwei Jahre; ‑ abweichend hiervon kann für diese Fälle vom Behördenleiter eine kürzere Dauer der Aufbewahrung angeordnet werden. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Soweit das Interesse an einer Archivierung besteht, können die Bußgeldakten nach Ablauf der Frist den Archiven überlassen werden.
15
Mitteilung
an das Kraftfahrt‑Bundesamt
Rechtskräftige Bußgeldbescheide sind dem Kraftfahrt‑Bundesamt gem. § 28 Abs.4 StVG unverzüglich mitzuteilen, wenn eine Geldbuße von mindestens 40,- € festgesetzt oder ein Fahrverbot angeordnet wird (§§ 13, 13b StVZO). Hierbei ist nach den Standards für die Übermittlung von Anfragen an die zentralen Register und Auskünften aus den zentralen Registern beim Kraftfahrtbundesamt (SDÜ-VZR-ANF –veröffentlicht im Bundanzeiger vom 9.10.2002, Nr.188a) zu verfahren.
Im Interesse der Lesbarkeit und damit der Verständlichkeit dieses Erlasses wird nur eine Sprachform verwandt, wenn der jeweilige Begriff in anzuwendenden Rechtsvorschriften in dieser Form üblich ist.
Der RdErl. tritt mit Wirkung vom 1.2.2004 in Kraft und mit Ablauf des 31.12.2008 außer Kraft.
Der RdErl. v. 15.10.1987 (SMBl. NRW. 920) wird aufgehoben.
Der RdErl. ergeht im Einvernehmen mit dem Justizministerium und dem Ministerium für Verkehr, Energie und Landesplanung.
- MBl. NRW. 2004 S. 211