Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2008 Nr. 37 vom 19.12.2008 Seite 783 bis 836

 

Durchführungsverordnung zum Maßregelvollzugsgesetz NRW (DV MRVG)

2128

Durchführungsverordnung
zum Maßregelvollzugsgesetz NRW
(DV MRVG)

 

Vom 5. Dezember 2008

 

Aufgrund des § 33 Satz 1 des Maßregelvollzugsgesetzes vom 15. Juni 1999 (GV. NRW. S. 402), zuletzt geändert durch Artikel VI des Gesetzes vom 5. April 2005 (GV. NRW. S. 408), wird im Einvernehmen mit dem Justizministerium nach Anhörung des fachlich zuständigen Ausschusses des Landtages verordnet:

 

§ 1
Ausstattung der Einrichtung

(1) Die Einrichtung hat mindestens Aufenthalts-, Besuchs-, Behandlungs- und Wohnräume getrennt voneinander vorzuhalten. Stationen sind nach Möglichkeit in Wohngruppen zu unterteilen. Wohnräume sollen mit vollständiger Nasszelle, mindestens aber mit Waschbecken ausgestattet sein; in jedem Falle sind ihnen Toiletten und Duschräume zuzuordnen. Wohnräume sollen der Nutzung durch bis zu 3 Personen dienen. Nachteinschluss ist nur bei einer Nutzung durch bis zu 2 Personen zulässig. In den Wohnräumen müssen geeignete Aufbewahrungsmöglichkeiten für die Gegenstände der Patientinnen und Patienten im Sinne des § 7 Abs. 1 und 3 Maßregelvollzugsgesetz vorhanden sein. Die Ausstattung der Wohnräume soll sich an den individuellen Behandlungs- und Sicherheitserfordernissen innerhalb einer Klinik orientieren und sich in diesem Rahmen möglichst den allgemeinen Lebensverhältnissen außerhalb des Maßregelvollzuges anpassen.

 

(2) Behandlungsstätten sind nach Funktionen für Gruppen- und Einzeltherapie sowie nach besonderen Aufgabenstellungen zu gliedern. Die zur ärztlichen und psychotherapeutischen Untersuchung und Behandlung der Patientinnen und Patienten sowie zur Lebens- und Freizeitgestaltung erforderlichen Räume und Geräte sind vorzuhalten.

 

(3) Räume für stationsübergreifende Therapien sowie für interkurrente Behandlungen und Schulunterricht sollen im gesicherten Bereich der Maßregelvollzugseinrichtung liegen.

 

(4) Die Sicherheitsvorkehrungen haben den Anforderungen der besonders gesicherten, der geschlossenen und der gelockerten Unterbringung zu genügen.

 

§ 2
Unterrichtung der Patientin und des Patienten

(1) Rechte und Pflichten der Patientin und des Patienten nach §§ 5 bis 18, 20 bis 22, 25 und 26 Maßregelvollzugsgesetz sowie nach den Bestimmungen dieser Verordnung sind in der Hausordnung oder in einer besonderen Informationsschrift in leicht verständlicher Form wiederzugeben, die der Patientin und dem Patienten bei der Aufnahme auszuhändigen ist.

 

(2) Die mündliche Unterrichtung führt die Aufnahmeärztin oder der -arzt oder die Aufnahmepsychotherapeutin oder der -psychotherapeut durch. Soweit die Unterrichtung jedoch aufgrund des akuten Krankheitszustandes nicht möglich ist, erfolgt sie später auf der Station zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Die Aufnahmeärztin oder der -arzt oder die Aufnahmepsychotherapeutin oder der –psychotherapeut veranlasst auch die unverzügliche Benachrichtigung einer Vertrauensperson der Patientin und des Patienten über die Aufnahme.

 

(3) Schriftliche und mündliche Unterrichtung haben sich auf Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Maßregelvollzugsbehörden zu erstrecken. Auf die Möglichkeit, sich an die jeweiligen Beschwerdestellen der Träger, an den Petitionsausschuss des Landtages zu wenden sowie Dienstaufsichtsbeschwerde zu erheben, ist in gleicher Form hinzuweisen.

 

(4) Die schriftliche und mündliche Unterrichtung sind zu dokumentieren.

 

§ 3
Schriftwechsel, Pakete, Zeitungen

(1) Kontrollen von Schriftwechsel, Telegrammen, Paketen, Päckchen, Zeitungen und Zeitschriften sind von der therapeutischen Leitung anzuordnen. Die mit der Durchführung beauftragte Fachkraft hat die übrigen an der Behandlung der Patientin und des Patienten beteiligten Fachkräfte und die Leitung der Einrichtung über Erkenntnisse aus der Kontrolle zu unterrichten, soweit dies für die Behandlung oder aus Gründen des geordneten Zusammenlebens in der Einrichtung oder des Schutzes der Allgemeinheit zwingend geboten ist. Soweit dies notwendig ist, um Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu verhüten oder zu verfolgen, dürfen Erkenntnisse aus der Kontrolle den Behörden mitgeteilt werden, die für die Wahrnehmung dieser Aufgaben zuständig sind.

 

(2) Vor jedem Eingriff nach § 8 Abs. 2 Maßregelvollzugsgesetz ist die Notwendigkeit zu prüfen; er ist inhaltlich und zeitlich auf das geringst mögliche Maß zu beschränken und mit der Patientin und dem Patienten zu erörtern. Sie sind gleichzeitig auf die ihnen möglichen Rechtsbehelfe hinzuweisen.

 

(3) An die Patientin oder den Patienten gerichtete angehaltene Schreiben, Telegramme, Pakete und Päckchen sind dem Absender zurückzugeben, sofern sie nicht Aufforderungen zur Begehung von Straftaten oder Ausbruchswerkzeug enthalten. Periodische Zeitungen und Zeitschriften dürfen nach Ablauf von 6 Wochen vernichtet werden, sofern der Grund des Anhaltens zu diesem Zeitpunkt noch besteht.

 

§ 4
Besuche, Telefongespräche

(1) Besuchszeiten sind in ausreichendem Maße anzubieten – insbesondere in den Nachmittags- als auch in den frühen Abendstunden und am Wochenende. Die Therapie darf nicht behindert werden.

 

(2) Soweit nicht Gründe der Therapie, des geordneten Zusammenlebens und der Sicherheit dagegen sprechen, sollen öffentliche Fernsprecher auf den Stationen aufgestellt werden.

 

(3) Zeiten für Telefongespräche sind mindestens innerhalb der üblichen Geschäftszeiten und in den frühen Abendstunden täglich vorzusehen.

 

(4) Muss ein Besuch oder ein Telefongespräch überwacht werden, darf hierdurch der Besuch oder das Telefongespräch nicht vereitelt werden. § 3 Abs. 1 und 2 ist entsprechend anzuwenden.

 

§ 5
Religionsausübung

(1) Zwingende Gründe für einen Ausschluss nach § 13 Abs. 3 Maßregelvollzugsgesetz sind insbesondere in der die Unterbringung erfordernden Erkrankung liegende Gründe, konkreter Fluchtverdacht oder die Gefahr einer erheblichen Störung der Veranstaltung.

 

(2) Der Ausschluss soll auf eine Veranstaltung beschränkt werden. § 3 Abs. 2 gilt entsprechend.

 

§ 6
Verwendung des Überbrückungsgeldes

(1) Das Überbrückungsgeld kann bereits vor der Entlassung für die notwendige Ausstattung einer Wohnung und Zahlung einer Mietkaution in Anspruch genommen werden.

 

(2) Sofern die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Maßregelvollzugsgesetz erfüllt sind, kann das Überbrückungsgeld bei der Entlassung auch einem Bewährungshelfer oder einer anderen mit der Betreuung befassten Stelle ausgezahlt werden. Diese sind zu verpflichten, das Geld von ihrem eigenen Vermögen gesondert zu halten.

 

§ 7
Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Maßnahmen nach § 21 Maßregelvollzugsgesetz sind nur zulässig, wenn die in dem Gesetz vorgesehenen Einschränkungen nicht ausreichen, das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung sicherzustellen. Mehrere Maßnahmen dürfen gleichzeitig angeordnet werden, wenn die Gefahr anders nicht abgewendet werden kann.

 

(2) Zuständig ist die therapeutische Leitung der Einrichtung, soweit die Mitwirkung des Trägers nicht vorgeschrieben ist (§ 21 Abs. 2 Satz 2 Maßregelvollzugsgesetz) oder er sich die Entscheidung nicht allgemein oder im Einzelfall vorbehalten hat.

 

§ 8
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Sie tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2009 außer Kraft.

 

Düsseldorf, den 5. Dezember 2008

 

 

Der Minister
für Arbeit, Gesundheit und Soziales
des Landes Nordrhein-Westfalen

Karl-Josef  L a u m a n n

 

GV. NRW. 2008 S. 834